Schweizer Provider waschen Netzneutralität grün

Kire (cc by-sa)

Schweizer Provider verpflichten sich per Verhaltenskodex zur Einhaltung der Netzneutralität. Das wird zumindest suggeriert. Dahinter steckt klassisches Greenwashing.

Auch in der Schweiz gibt es eine Debatte um Netzneutrailtät. Die großen Provider haben sich jetzt zusammengeschlossen und einen Verhaltenskodex präsentiert. Das verkündet eine gemeinsame Pressemitteilung: ICT-Unternehmen garantieren offenes Internet.

„Schweizer ICT-Unternehmen schaffen Klarheit beim Thema Netzneutralität. Swisscom, Sunrise, upc cablecom, Orange und der Verband Swisscable haben einen entsprechenden Verhaltenskodex ausgearbeitet: Sie stehen gemeinsam ein für ein offenes Internet. Sie gründen zudem eine Schlichtungsstelle, der unabhängige Experten angehören sollen.“

Klingt erstmal nicht schlecht und erinnert ein wenig an Norwegen, wo sich Verbraucherschützer und Provider zusammengetan haben, um ohne gesetzliche Grundlagen wirksam die Netzneutralität zu erhalten. Doch der Teufel steckt wie immer in dieser Debatte im Detail. Denn die Schweizer Provider definieren einfach Netzneutralität anders und versuchen mit ihrer Selbstregulierungs-Initiative die Öffentlichkeit zu täuschen. Das ist klassisches Greenwashing.

Die Digitale Gesellschaft Schweiz hat sich den Kodex und die Praktiken der beteiligten Provider genauer angesehen und kommt zu dem Ergebnis: Grobe Verletzungen der Netzneutralität vorgesehen.

Der Verhaltenskodex der Internet-Provider bietet unter anderem aus folgenden Gründen keine Gewähr, dass die Netzneutralität nicht verletzt wird:

– Es ist weiterhin möglich, von Inhalte- und Diensteanbietern Geld für die Durchleitung von Daten zu verlangen. Dadurch wird das wichtige «Innovation without permission»-Prinzip verletzt.
– Die Verlangsamung von Daten wird nicht verboten. Im Verhaltenskodex ist nur von Blockierung die Rede. Gerade die Verlangsamung von Daten kann als Druckmittel gegen die Inhalte- und Diensteanbieter eingesetzt werden, um zusätzliche Zahlungen zu erreichen.
– Die kommerzielle Diskriminierung wird explizit zugelassen, so dass beispielsweise Anbieter wie Teleboy oder Wilmaa weiterhin von Orange und Swisscom diskriminiert werden dürfen. Die Behauptung der Internet-Provider, dass der Kunde bei den diskriminierenden Angeboten für das Datenvolumen bezahle, ist falsch. So kostet Spotify sowohl im freien Markt als auch bei Orange genau gleich viel. Wenn Spotify allerdings bei Orange gekauft wird, wird das verbrauchte Datenvolumen nicht angerechnet. Wer also einen mobilen Internet-Zugang von Orange bezieht, kann faktisch nicht mehr frei wählen, welchen Musikdienst er nutzt.
– Es wird keine Transparenz über Verletzungen der Netzneutralität gewährleistet. Solange die Provider nicht öffentlich und von sich aus über Verletzungen der Netzneutralität berichten, kann von Transparenz keine Rede sein. Wichtig wäre auch jederzeit Auskunft über allfällige Zahlungen von Inhalteanbietern für die schnellere Durchleitung zu erhalten. So besteht der Verdacht, dass Netflix in der Schweiz die grossen Internet-Provider für bessere Verbindungen bezahlt.

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