NP10: Zehn persönliche Gründe für’s Mitmachen

Aus klicktechnischer Perspektive fehlt es bei netzpolitik.org an Listicles. Anlässlich von 10 Jahren netzpolitik.org deshalb meine persönlichen zehn Gründe, warum ich hier mitschreibe – der Listicle fällt dabei in die Kategorie „random“, d.h. die einzelnen Punkte sind zufällig und nicht nach Wichtigkeit sortiert.

Avatar_en_051.) Produktives Prokrastinieren: Dieser Artikel ist beispielsweise entstanden, weil ich eigentlich dringend einen wissenschaftlichen Aufsatz überarbeiten sollte.

2.) Pfadabhängigkeit: Seit etwas mehr als 10 Jahren beschäftige ich mich Themen rund um Urheberrecht und digitale Offenheit. Das rudimentäre Verständnis, das ich mir dabei erarbeitet habe, macht es einfacher – aber auch wahrscheinlicher – aktuelle Entwicklungen weiterhin zu begleiten.

3.) Haltung: Es gibt keinen neutralen Journalismus. Ich schreibe für netzpolitik.org mit einer klaren politischen Haltung. Die Möglichkeit, das hier zu tun, ist einer der Gründe, es zu tun.

4.) Impact: Wenn ich etwas auf netzpolitik.org veröffentliche, erreiche ich eine relevante Zielgruppe. Das hat nicht immer bzw. nur sehr selten unmittelbare Konsequenzen. Aber es öffnet Türen und mag manchmal einen kleinen Unterschied machen.

5.) Instant Gratification: Das schöne am Bloggen ganz allgemein ist, dass ein Blogeintrag relativ schnell fertig und veröffentlicht ist – zumindest verglichen mit wissenschaftlichen Aufsätzen (was auch wieder Punkt 1 erklärt). Bei netzpolitik.org kommt dann aber auch noch unmittelbares Feedback dazu, z.B. in Form der..

6.) ..Kommentare: Als wir vor einiger Zeit diskutiert hatten, die Kommentare einfach mal zu schließen, war ich dagegen. In vielen Fällen habe ich Kommentare mit weiterführenden Quellen, konstruktiver Kritik und alternativen Sichtweisen als Bereicherung erlebt. Im Übrigen gelingt es mir ganz gut, Trollkommentare zu ignorieren.

7.) Fenster aus dem Elfenbeinturm: Meine wissenschaftliche Tätigkeit erlaubt mir, mich über längere Zeit intensiv mit theoretischen und empirischen Fragen zu beschäftigen. Das alleine wäre mir aber zu wenig. Gerade Sozialwissenschaften sind inhärent politisch. Bei netzpolitik.org und auf meinem Forschungsblog governance across borders kann ich diesem Umstand Rechnung tragen.

8.) Markus Beckedahl: Schon 2007 bot mir Markus bei einer Creative-Commons-Konferenz in Dubrovnik einen Autorenaccount an. Damals war ich wohl noch zu eingeschüchtert, erst beim zweiten Mal 20101 habe ich mich getraut. Auch diese Anekdote zeigt, was ich an Markus besonders schätze: Er – und mit ihm netzpolitik.org – hat einen langen Atem. Seine Kritik ist konstruktiv und er ist undogmatisch. Letzteres ist der Grund, warum netzpolitik.org überhaupt so gut als MultiautorInnenblog funktioniert.

9.) Das Team: Die anderen Autorinnen und Autoren bringen mich dazu, nicht nur für netzpolitik.org zu schreiben, sondern auch fast jeden Beitrag zu lesen. Vor allem der ständige Nachschub an talentierten und klugen PraktikantInnen ist erstaunlich. Dass sie dann allesamt auch noch sympathisch sind und ich gerne mit ihnen netzpolitische Abende in der c-base verbringe: unbezahlbar.

10.) Verfertigung der Gedanken beim Schreiben: Frei nach Heinrich von Kleist, ist bloggen auch eine Antwort auf die Frage, woher ich wissen soll, was ich denke, bevor ich sehe, was ich schreibe?

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7 Ergänzungen

  1. Moinsen,

    Drei Sachen:
    1) Es gibt Gründe, wenn „Listicles“ geranted werden. Aber da dass hier nicht oft passiert, ist es ein Mehrwert; Also danke :-)
    2) Das mit der Politischen Motivation kann ich verstehen, sollte aber nochmal deutlicher durch die Autoren hervorgehoben werden – es wirkt manchmal so, oder gerade für „neue“-Leser kann es so wirken, dass jeder Autor mit allen anderen von der Meinung bzw. des Tenors des Artikels abgestimmt wäre, also aller Meinung repräsentieren…
    3) Gut dass ihr die Kommentare nicht geschlossen habt! :-) Hat sich mittlerweile ja eher zum guten gewendet; Toi toi toi, dass es so bleibt. ;-)

    Zu guter letzt: Einmal ein Danke für die eure Arbeit, und zum schreiben selbst: Meiner persönlichen Meinung nach gibts kaum etwas besseres, als eigene Gedanken zu „Textifizieren“ o.ä. So kann man oft feststellen, ob man nicht einen Denkfehler hatte, oder ob Person XY nicht einen Link hat, der die Sicht Grundlegend umändern kann.. :-)

    MfG

  2. „3. Haltung: Es gibt keinen neutralen Journalismus. Ich schreibe für netzpolitik.org mit einer klaren politischen Haltung. “

    dass der journalismus auf den knien liegt, wissen wir ja. aber diese „haltung“ ist letztlich sein ende. denn das bekomme ich am stammtisch sogar noch mit einem glas bier.

    natürlich gibt es (noch) journalismus mit dem anspruch nicht bequem die eigene „haltung“ zu transportieren, sondern das „auge“ des lesers zu sein. zwar zunehmend seltener und sicher nicht auf netzpolitik.org.

    1. Sehe ich offensichtlich anders. Haltung hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun, ganz im Gegenteil. Woran Journalismus heute vor allem krankt, ist „he said, she said“-Journalismus und die Weigerung, klar Position zu beziehen.

      Im übrigen gilt auch für Journalisten, was John M. Keynes für „practical men“ ganz allgemein festgehalten hat: „Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist.“

  3. „haltung“ hat bei mitteleuropäischen intellektuellen selbstverständlich eine menge mit bequemlichkeit zu tun: sie beruhigt das gewissen (man gehört ja zu „den guten“), sie setzt das eigene weltbild nur begrenzt der realität aus, sie hat keinen preis (schlimmstenfalls wird man entfollowed) und das position-beziehen ersetzt ja so herrlich gern die recherche.

    darüber hinaus wird der haltungs-journalismus natürlich den letzten hauch vertrauen in dieses gepeinigte gewerbe verspielen. die realität ist spannend genug, sie zu transportieren wäre eure aufgabe. eine „haltung“ hat der leser selbst.

    keynes in diesem zusammenhang … wers mag – aber die tatsache, dass man einflüssen ausgesetzt sein könnte, ist natürlich eine schlechte begründung, einer möglichen bias durch „haltung“ noch weitere hinzuzufügen.

    vielleicht eher so: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

    1. Ich weiß nicht, warum Haltung Recherche ersetzen können soll? Wer das macht, betreibt natürlich auch schlechten Journalismus. Mein Argument ist nur, dass Recherche nicht reicht, weil „Daten“ nie für sich selbst sprechen.

  4. Mir gefällt eure Arbeit, deshalb auch die Unterstützung. Neutral, subjektiv, objektiv, deine Wahrheit, meine Wahrheit, die Wahrheit. Als Konsument von Informationen sollte man so oft wie möglich hinterfragen, vielleicht erfährt man „die Wahrheit“. Macht bitte so weiter.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.