Nijmegen installiert persönliche Kameras bei Verdacht auf Sozialleistungsbetrug

Manchmal liest man Meldungen vor dem ersten Kaffee und glaubt, man halluziniert. Dann hat man den ersten Kaffee hinter sich und stellt fest: Die Meldung ist immer noch da.

So ging mir das heute morgen mit diesem Blogeintrag, in dem es darum ging, dass in der niederländischen Stadt Nijmegen Überwachungskameras vor den Eingangstüren von Privatpersonen installiert werden, wenn diese des Sozialleistungsbetrugs verdächtig sind. Laut Zeitungsmeldungen ist diese Regelung bereits durchgewunken, unter Protest der Parteien GroenLinks und Socialistische Partij. Stadtrat und Datenschutzbeauftragter sahen da aber wohl kein Problem, immerhin bedürfe es ernsthaften Verdachts auf schweren Betrug und im Nachhinein würden die Betroffenen informiert. Es wird aber auch erwähnt, dass der Beschluss als Vorlage für andere Gemeinden dienen könne.

Vielleicht ja auch für Deutschland, dann kann man gemeinsam mit Xpider endlich wieder besser Hartz-IV-Empfänger überwachen. Aber vielleicht bewahrt uns davor ja ein Urteil des Bundessozialgerichts vor einer weiteren Verschlimmerung des Lebensstriptease beim Empfang von Sozialleistungen, das 2012 die Kompetenzen der „Sozialdetektive“ eingeschränkt hatte. Und hoffentlich kommt das auch bei unseren niederländischen Nachbarn an. Denn die entwickeln sich, einst liberal, immer mehr zum Überwachungsstaat. „Schön“ nachzusehen ist das im Film Panopticon von Peter Vlemmix über Überwachung und Datenschutz in den Niederlanden.

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9 Ergänzungen

  1. tja. hat man sich bei netzpolitik noch nicht an die allumfassende überwachung des privaten lebens gewöhnt? ich schon. ich hab ja nichts zu verbergen. ausserdem ist es grundrechtsschonend und alternativlos und bei einem bisschen glück gibts sogar mehr netto vom brutto.
    also, diese meldungen können in zukunft einfach wegfallen, wird eh alles überwacht. und was fehlt kann man ja bei unseren „freunden“ überm grossen teich anfordern, dort wird ihnen geholfen.
    mit einem föhlichen „1984? hah, da pfeif ich mir einen“ einen schönen tach auch….

  2. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie sich das lohnen soll.
    Videomaterial muss teuer ausgewertet werden, die Installation der Kamera kostet Geld, das Betreiben der Kamera kostet Geld.

    Das wiegen doch die Sätze der Sozialleistungen nicht auf… ?

    Bei vollautomatischer und Fächendeckender Überwachung, die pro Person fast nichts kostet kann ich solche Überlegungen ja noch nachvollziehen. Aber beim Kosten/Nutzenrechnen sollten die Zuständigen sich nochmal einer Fortbildung unterziehen.

    1. Ich gehe mal davon aus, dass es denen gar nicht so sehr um das gesparte Geld geht. Sondern um die mediale Verwertung und den damit (zumindest gewünschten) Einschüchterungseffekt.
      Wenn ich hier immer wieder lese wie banale Fälle intensiv von der BILD & Co. ausgeschlachtet werden, um das Prinzip „teile und herrsche“ kräftig zu befeuern, dann darf man ähnliche Motive in den Niederlanden vermuten.

    2. Das Problem ist, dass das furchtbar günstig ist. Kameras sind billig und lassen sich mehrfach verwenden. Speicherplatz kostet auch nichts und den Rest erledigt die übliche Standardsoftware. Wenn du also wissen willst, wann der böse Sozialschmarotzer sein Haus verlässt und wann er kommt, reicht ja eine reine Bewegungserkennung aus. Damit kannst du dann Monate an Material in wenigen Stunden durchstöbern.

  3. Oh ihr unschuldige Engelchen.

    In fast jeder EG-Richtlinie ist in der Präambel zu lesen, dass es um die Senkung der Sozialkosten geht.

    Die Warnungen vor Lungenkrebs beim Rauchen oder AIDS beim Sex machen die doch nicht, weil sie so gute Menschen sind, sondern weil es Kosten verursacht.

    Und so geht es auch bei der Vorratsdatenspeicherung nicht um Terrorbekämpfung oder Kindesmissbrauch.

    Sie wollen wissen, ob ihr euch wegen Erkältung krankschreiben lassen habt und am nächsten Tag im Freibad wart.

    Wenn ihr darüber hinaus noch euer Verhalten ändert und die da oben einfach machen lasst ohne was zu sagen, um so besser.

    Capice?

  4. Das wird aber problematisch bei mir, da müsste ja erst meine Kamera abgebaut werden, mit der ich potentielle Sozialdetektive vor meiner Tür identifiziere und dementsprechend nicht öffne.

  5. Liegt hier sicher kein Missverständnis vor? Eine Kamera vor der Wohnungstür eines Schwarzarbeiters zeigt, dass er die Wohnung verlässt. Das ergibt keinerlei Sinn.

    Eine Kamera vor einem Betrieb, wo 20 Schwarzarbeiter vermutet werden: Das ergibt Sinn und ist mit dem innerbetrieblichen Einsatz von Kameras zur Ermittlung von Dieben und Betrügern zu vergleichen.

    1. Ich glaube es geht auch darum, dass Menschen vielleicht irgendwo gemeldet sind, wo sie effektiv gar nicht wohnen oder mit mehr Menschen zusammenwohnen als angegeben, um effektiv mehr Geld zu bekommen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.