Neue EU-Kommission: Günther Oettinger kündigt Vertragsverletzungsverfahren gegen Vorratsdatenspeicherung an

Günther Oettinger will Mitgliedsstaaten verklagen, wenn sie gegen EU-Recht verstoßen. Das antwortete der designierte EU-Kommissar für Digitales auf eine Frage von Jan Philipp Albrecht zur Vorratsdatenspeicherung. Nach dem Urteil des EuGH ist Oettingers Arbeitsauftrag damit klar: die existierenden Gesetze zur anlasslosen Massenüberwachung müssen weg.

Oettinger bei der Beantwortung der Frage.

Anna hatte ausführlich über die Anhörung von Günther Oettinger im Europaparlament berichtet. Ein weiteres Detail ist uns jetzt aber im Video-Mitschnitt aufgefallen, bei 01:25:03 gibt es folgende Frage und Antwort:

Jan Philipp Albrecht: Werden sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen solche Mitgliedsstaaten prüfen, die entgegen Artikel 15 Absatz 3 der E-Privacy-Richtlinie, für die sie zuständig sind, nach dem Urteil aus dem April zur Vorratsdatenspeicherung weiterhin Telekommunikationsbetreiber zur Speicherung von Telekommunikationsdaten verpflichten?

Günther Oettinger: E-Privacy-Recht gehört in mein Dossier, deswegen ist von mir hier in absehbarer Zeit eine Novelle beabsichtigt. Und eins ist völlig klar: Die Mitgliedsstaaten müssen bei entsprechenden europäischen Gesetzen die Umsetzung leisten. Das ist eine europäische vertragliche Pflicht. Deswegen hat die Kommission hier auch keinen Handlungsspielraum. Das war im Energiebereich so, das ist in anderen Bereichen so. Wir leiten Verfahren ein, zum Teil nach nochmaliger Ermahnung, oder meinetwegen ein einmaliges Gespräch im Rat. Aber wir werden, egal ob groß oder klein, dort wo die Verträge nicht eingehalten werden, wo Gesetze nicht umgesetzt werden, ein mit Verletzungsverfahren vor Gericht gehen, um die Umsetzung eins zu eins zu erwirken.

Falls er die Frage also richtig verstanden hat, zieht Oettinger damit im Gegensatz zu seinem designierten Kommissions-Kollegen Avramopoulos das richtige Fazit: Die Vorratsdatenspeicherung ist grundrechtswidrig und existierende Gesetze müssen aufgehoben werden.

Das sieht auch Jan Philipp Albrecht so, gegenüber netzpolitik.org kommentiert der grüne Europaabgeordnete:

Die Ankündigung Oettingers, auf die Einhaltung des EU-Rechts auch im Falle der derzeit gesetzlich untersagten Vorratsdatenspeicherung zu bestehen ist genauso richtig wie deutlich. Die Mitgliedstaaten müssen nach dem Urteil des EuGH nun aufgefordert werden, die noch vorhandenen Gesetze zur anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsdaten abzuschaffen und notfalls per Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission gezwungen werden. Die Grundrechte der gut 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der EU werden derzeit täglich durch diese Gesetze verletzt, es darf hier daher keinen Aufschub geben.

10 Ergänzungen

    1. Nein, ich glaube nicht das er auf Wählerfang geht. Denn das Thema ist gar nicht so Wahl relevant. Gerade in der konservativen Wählerschaft liesen sich durch einen Sicherheitspopulismus gerade unter den Rentnern viel eher Stimmen fangen als durch einen Verzicht auf eben diesen.

      Von daher denke ich schon das er es ernst meint, mal schauen ob er damit durchkommt denn da wird es sicher Widerstände geben.

  1. Wetten, dass der glaubt, dass er eine VDS einklagt und nicht die Abschaffung? Der hat einfach nicht mitgekriegt, dass die anlasslose VDS hinüber ist.

    1. am Ende droht er den Staaten, Nacktselfies von sich ins Internet hochzuladen, wenn sie die VDS „nicht gesetzeskonform umsetz… also abschaff… also nach bestehenden Richtlinien, aber auch unter Berücksichtigung des rechtslageverändernden Urteils… in Anerkennung künftiger Richtlinien, die dieses Urteil aufgreifen und grundrechtsschonend implementieren… also, äh, wo kann ich jetzt die geilen Bilder von der Pfälzer Weinkönigin sehen, wo habt ihr die gespeichert und wie kann ich ihr meine Bilder schicken?“

  2. Hier seht ihr gibt garkeine Speicherung mehr, ihr könnt jetzt alle wieder dieses nervige PGP und Tor und alles wieder deinstallieren! Oetti hat alles geregelt! VDS my ass, wen interessierts wenn Geheimdienste sowieso alles speichern? Da muss auch keiner lästige Anträge oder son quatsch ausfüllen damit der gewissenhafte BND Mitarbeiter sämtliche Daten vom miesen verbrecherischen Internet-Bernd bekommen kann! Mich verarscht ihr nicht ihr …!

  3. der ist sicher schon im Zukunftsmodus, wenn die VDS wieder auf EU Ebene durchgeboxt ist, wird dann jedes Land mit der brechstange geklagt die VDS auch umzusetzen.

  4. Ich vermute, der Oetti begibt sich da auf einen Pfad, der sich logischerweise auch von selbst ergeben würde. Da die VDS ja nun größtenteils gekippt ist, liegt es nun an den einzelnen Ländern, dieses verfassungswidrige Instrument wieder aufzuheben. Dabei tun sich die äußerst behäbigen Länder natürlich schwer, außerdem ist das nicht gerade ein Lieblingsprojekt, die anlasslose Überwachung jetzt wieder einzumotten, zumindest temporär.

    Wirklich nötig war sie nie, die Aufklärungsquoten sind dabei auch nicht gestiegen, vermutlich aber aufgrund Ressourcenknappheit – es gab einfach nicht genug Leute, die täglich in den Datenbergen gewühlt haben, denn darauf läufts doch eigentlich hinaus. Zu gucken, wer, was, wann und mit wem macht.

    Das braucht man auch zukünftig gar nicht mehr, denn da google ja nun auch noch Telefongespräche dauerhaft speichern möchte, liegen die Daten doch sowieso auf externen Servern herum, da braucht man gar keine VDS mehr. Speicherung 6 Monate? Wie lächerlich. Google & Co. speichern für immer und ewig… ganz davon ab, dass der amerikanische (und andere) Geheimdienste doch sowieso den gesamten anfallenden Datenverkehr sammeln. Dann fragt man eben dort nach, wenn man Daten benötigt. Für die geheimgehaltene Schnorchellizenz geben die sicher bereitwillig ein paar Daten raus. In Ernstfall wird noch schnell eine Lügengeschichte erfunden, wie man denn auf diese Hinweise gekommen ist, um das ganze zu verschleiern und schon steht die Verurteilung. Ich bitte Euch… wir leben hier in keinem Rechtsstaat mehr, es wird Zeit, dass diese Blase endlich platzt, damit auch der letzte Rentner begreift, dass ihm diese Regierung mit all ihren Behörden nichts Gutes will, sondern immer nur aus reinem Geltungsdrang und Profitsucht handelt.

    Und man merkt doch, dass man es tun kann. Gebe man dem Volke ein neues iPhone, mit dem noch bessere und einfacherer Überwachung möglich ist, alle paar Jahre eine Fußball-WM und dann sind sie zufrieden. Bürgerrechte? Freiheit? „Brief“-geheimnis? Unverletzlichkeit der Wohnung? Pah… die Ausführenden wollen, die Ausführenden machen, die Ausführenden haften nicht. Und wenn, dann wird das Ganze so lange verschleppt, bis es als „verjährt“ gilt.
    „Da kann man dann eben nix machen. Tja.“

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