Luftwaffe entscheidet sich angeblich für Aufklärungsdohnen aus den USA, die nachträglich bewaffnet werden könnten

Schöner Drohnenkrieg: Zukünftige Einsätze sollen sich an Völker- und Menschenrecht orientieren. Über die Praxis gewordenen außergerichtlichen Hinrichtungen durch Militärs und Geheimdienste der USA verliert die Deklaration kein Wort.
Schöner Drohnenkrieg: Zukünftige Einsätze sollen sich an Völker- und Menschenrecht orientieren. Über die Praxis gewordenen außergerichtlichen Hinrichtungen durch Militärs und Geheimdienste der USA verliert die Deklaration kein Wort.

Angeblich ist die Auseinandersetzung um die zukünftige Langstreckendrohne der Bundeswehr entschieden. So berichtet es die Druckversion des „Newsletter Verteidigung“, der als Sprachrohr der Rüstungsindustrie über neue militärische Entwicklungen informiert. Demnach sei die US-Drohne „MQ-9“ die „einzige hochfliegende Aufklärungsplattform“, die eine Reihe von technischen Forderungen der Luftwaffe erfüllen würde. Auch der „Spiegel“ berichtet in seiner jüngsten Ausgabe von Plänen für die „Predator B“ und beruft sich auf einen nicht näher erklärten „Bericht“ des Verteidigungsministeriums.

Als „MQ-9“ wird die Drohne „Reaper“ („Sensenmann“) bezeichnet. Sie ist eine Weiterentwicklung der „Predator“ („Raubtier“) und wird deshalb mitunter als „Predator B“ bezeichnet. Hersteller ist der US-Konzern General Atomics. Die Drohne wird von einem Turboprop-Heckmotor angetrieben, der das unbemannte Fluggerät auf eine Höchstgeschwindigkeit von fast 500 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Das voll betankt bis zu 4.700 Kilogramm schwere Luftfahrzeug kann auch auf einer kurzen Startbahn gestartet werden. Angeblich kann das System Entfernungen von über 9.000 Kilometern zurücklegen.

Das Gesamtsystem von Langstreckendrohnen besteht aus einer Bodenkontrollstation, Vorrichtungen zur Satellitenkommunikation sowie Infrastruktur zur Wartung und Reparatur. Im Falle der „Predator B“ gehört zur Besatzung ein „RPA-Führer“ und zwei „Nutzlastoperateure“. Mittlerweile existiert auch US-Drohne in einer Variante mit mehr Treibstoff und leichterer Bauweise. Für den anvisierten Vertrieb in Deutschland kooperiert die Firma mit dem Schweizer Rüstungskonzern RUAG, der auch in Deutschland einen Ableger unterhält. Am Wochenende wurde bekannt, dass deutsche Firmen Bauteile für die „Predator“ und andere US-Drohnen liefern.

Weltweites „Versorgungsnetz der amerikanischen Streitkräfte“ als Verkaufsargument

Die „Predator“ gehört zur sogenannten MALE-Klasse. Damit werden Drohnen mit hoher Reichweite und mittlerer Flughöhe bezeichnet. Sie operieren in Höhen, in denen auch die zivile Luftfahrt verkehrt. Als Konkurrentin der „Predator“ gilt die Drohne „Heron“ des israelischen Herstellers Israel Aerospace Industries (IAI). Auch IAI hat für die Vermarktung seiner mittlerweile ebenfalls aufgerüsteten „Heron TP“ einen deutschen Kooperationspartner ins Boot geholt. Ursprünglich wurde hierzu mit Rheinmetall Defence zusammengearbeitet. Der Konzern hat seine Aktivitäten jedoch an den EADS-Konzern (mittlerweile in Airbus Group umbenannt) abgegeben.

Für den Krieg in Afghanistan hat die Bundeswehr bereits drei „Heron“ geleast. Die Aufklärungsdrohne wird in Kampfhandlungen, zur Begleitung von Konvois oder zum Objektschutz eingesetzt. Auch die Auswirkung von Bombardierungen wird damit überprüft. Alle drei „Heron“ haben bereits durch Abstürze oder einem Crash auf dem Rollfeld Totalschaden erlitten. In Einsätzen werden sie bis zu einer Höhe von 1.000 Fuß durch Techniker von EADS gesteuert. Bei den Unfällen hatte es sich laut der Bundeswehr aber um Trainingsflüge gehandelt, mithin waren Soldaten verantwortlich.

Der Leasingvertrag für die „Heron“ wurde 2010 mit Ausgaben von 110 Millionen Euro für zunächst drei Jahre abgeschlossen und mittlerweile bis 2015 verlängert. Die Drohnen werden vom Aufklärungsgeschwader „Immelmann“ gesteuert und sind mit hochwertiger Radartechnik bestückt. Im schleswig-holsteinischen Jagel ist bereits eine ganze Luftwaffenbasis für den Betrieb von großen Drohnen umgerüstet worden.

Einsätze auch zur „Homeland Security“

Nach Auslaufen des Leasingvertrages für israelische Drohnen will die Bundeswehr endlich selbst über unbemannte, hoch fliegende Plattformen verfügen. Trotz der vom Militär hoch gelobten Einsatzformen der „Heron“ habe sich die Luftwaffe laut den Presseberichten aber „aus technischen und logistischen Gründen“ für die US-Drohne „Predator“ entschieden. Als Stichwortgeber wird der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Klaus-Peter Stieglitz, zitiert. Er betont die Wichtigkeit der Entscheidung, die für die Militärs „den Einstieg in die unbemannte Luftfahrt“ bedeuten würde.

Ähnlich argumentiert auch der „Newsletter Verteidigung“. Demnach habe die „Predator B“ bereits mehr als 700.000 Flugstunden „in harten Einsätzen sowie in Homeland Security-Missionen“ absolviert. Sie fliege in den USA, Italien, Frankreich und Großbritannien. 80 Prozent aller Einsätze erfolgten in „Kampfmissionen“. Täglich seien „bis zu 58 MQ-9“ in der Luft. Auch die Türkei würde sich laut dem Bericht für das System interessieren. Als weitere „internationale Bedarfsträger“ werden Australien, Spanien, die Niederlande und Polen angeführt. Auch die extensive Nutzung der US-Drohnen in Asien und Afrika gelten als Argument: Bei der Nutzung einer „Predator B“ könne auf ein „bestehendes Versorgungsnetz der amerikanischen Streitkräfte“ zurückgegriffen werden.

Eines der Hindernisse bei der Beschaffung von Langstreckendrohnen ist die fehlende gesetzliche Regelung zum luftfahrtrechtlichen Betrieb. Der Hersteller der US-Drohne „Predator B“ hat laut dem „Newsletter Verteidigung“ mit seinem europäischen Partner RUAG ein „eigenfinanziertes Programm zur Erlangung der Luftfahrtzulassung laufen“. Das kann aber kaum als Verkaufsargument gelten: Auch EADS als Partner des israelischen Herstellers IAI hatte zahlreiche Gelder für Forschungsvorhaben einwerben können, in denen die Steuerung und satellitengestützte Navigation von Drohnen untersucht wird. Dies ist Voraussetzung für die Erlangung entsprechender Genehmigungen.

Bewaffnung soll nachgeholt werden

Die US-Drohne wird als „Plug and Play Lösung“ gelobt: Gemeint ist die Freiheit der Militärs, die „Predator B“ mit eigenen Sensorsystemen zu bestücken. Aufklärungsdaten könnten „verzugslos“ an Land-, Luft- und Seestreitkräfte übertragen werden.

Auch die Drohnen der Bundeswehr sollen zunächst als beobachtende Systeme beschafft werden. Sie können aber später auch bewaffnet werden. So schreibt auch der „Newsletter Verteidigung“ von einem „funktionalen Gesamtsystem vom Sensor bis zum Waffensystem“, das zunehmend automatisiert wird. Unter den Tragflächen der „Predator B“ befinden sich sechs „Haltepunkte“ für Sensoren oder Raketen. Grundsätzlich könne dadurch „aus der reinen Aufklärungsplattform ein bewaffnetes RPA [Remote Piloted Aircraft] mit Kampfaufgaben hervorgehen“. Sollte tatsächlich US-Drohne angeschafft werden, wäre für die Bewaffnung aber eine Genehmigung des Kongresses erforderlich.

Der frühere Verteidigungsminister de Maizière hatte die Beschaffung von Kampfdrohnen zunächst von einer „gesellschaftlichen Debatte“ abhängig gemacht. Das ist allerdings Augenwischerei: Denn hinter den Kulissen wird der Kauf von großen Drohnen vorangetrieben, die später bewaffnet werden. Darüber wird bei der Bundeswehr nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Die Rüstungsindustrie spricht hierzu aber Klartext: Der „Newsletter Verteidigung“ schreibt von der Möglichkeit, die „Predator B“ mit „weiteren Sensoren oder effektiven Lenk- und Abwurfwaffen auszurüsten“.

Gefordert wird die Einleitung eines Ausschreibungswettbewerbs zwischen der israelischen „Heron TP“ und der amerikanischen „Predator B“. Wie berichtet habe sich die Luftwaffe aber schon festgelegt: Unter anderem, weil die US-Drohne „bewaffnungsfähig“ und in militärischen Einsätzen erprobt worden sei.

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6 Ergänzungen

  1. Das wird nicht funktionieren.
    Eine Zulassung einer Drohne in Deutschland wird noch auf Jahre hin mangels rechtlicher Rahmenbedingungen nicht möglich sein.
    Danach wird aber eine US Drohne trotzdem nicht zulassbar sein. Zum einen mangels Einhaltung einfachster luftfahrtrechtlicher Auflagen der mechanischen/elektrischen Konstruktion (siehe auch beim Eurohawk), zum anderen, weil eine Offenlegung der Steuerungssoftware durch die USA kategorisch verweigert wird (wahrscheinlich wegen der miesen Codequalität…).
    Das Zeug was da einige beim Bund rauchen, hätte ich auch gerne…

  2. Hä? In Bayern fliegen doch schon Drohnen, ging doch letztens durch die Nachrichten… sind halt amerikanische und keine deutschen…

    1. Ja, aber ohne (allgemeine) Zulassung und daher nur in abgesperrten Lufträumen.
      Zudem sind das viel kleinere Maschinen, die wegen des geringen Gewichts und Gefährdungspotentials leichter eine Ausnahmegenehmigung bekommen.
      Für eine große Drohne ständig den halben Luftraum über Deutschland freihalten und dann Flugverspätungen en masse bekommen ist schon für den Eurohawk keine Option gewesen…

  3. So schnell, wie unsere Hohen amerikanischen Kommissare die Drohnen hier etablieren, können Deutsche Gerichte gar nicht gucken.

    Ob hier in Deutschland dadurch irgendein Schaden entsteht oder Gesetze gebrochen werden interessiert doch keine amerikanische Politmarionette. Vielleicht sollten die Deutschen endlich mal wach werden: Wir haben hier in Deutschland nichts zu sagen/bestimmen.

    Das Volk als Souverän darf nichts bestimmen und wir sind immer noch ohne Friedensvertrag. Bestimmen dürfen einzig die Besatzer im Land.

    1. Schöner Verleser:

      So schnell, wie unsere Hohen amerikanischen Kommissare die Drohnen hier etablieren, kann Deutsche Geschichte gar nicht gucken.

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