Jetzt live im Bundestag: Anhörung zu Netzneutralität

Jetzt startet gerade im Ausschuss für digitale Agenda im Deutschen Bundestag eine Anhörung zur Netzneutralität. Die Stellungnahmen der fünf Sachverständigen haben wir bereits am Freitag verbloggt. Einen Livestream findet man unter bundestag.de. Wir werden hier mal etwas mitbloggen.

Dr. Christoph Fiedler – Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) (Stellungnahme).

Medien finden auch digital statt. Die haben ganz viele Statistiken beim VDZ, Netzneutralität sei ein Segen für Medien. Kleine Verlage würden weniger für Konnektivität bezahlen als große Verlage, aber es gebe keine Diskriminierung nach Inhalten. Artikel 5 Grundgesetz schützt Netzneutralität. Der Trend zur vertikalen Integration von Inhalten und Infrastruktur sei der Alptraum für Medienbetreiber. Position des EU-Parlaments ist bessere Wahl gegenüber EU-Kommission.

Prof. Dr. Hubertus Gersdorf – Universität Rostock (Stellungnahme).

Findet Best-Effort gut, sieht aber Specialized Services als unverzichtbar für Kommunikationsgrundrechte. Da freut sich doch die Telekom-PR-Abteilung, eine vollkommen neue Argumentation. Da kommt irgendwas mit Video on demand und Quality of Service, ich bin mir aber nicht sicher, ob er da nicht was verwechselt. Video on demand braucht vor allem schnelle Leitungen.

Klaus Landefeld – eco e.V. (Stellungnahme)

Schaffte in 2,5 Arbeitstagen keine abschließende Abstimmung aller Mitglieder. Bei der Debatte kommt nichts neues. Finden Transparenz-Ansatz von FCC in den USA interessant. Wird als wirtschaftliche Diskussion geführt. Wäre Diskussion vom Tisch, wenn es morgen flächendeckend Glasfaser und keinen Mangel geben würde. Wären dann Einschränkungen noch akzeptabel? Diese Grundsatzdiskussion führen und nicht Netzneutralitätsverletzungen in Kauf nehmen, damit irgendwer mal das Netz ausbaut.

Thomas Lohninger – Digitale Gesellschaft e.V. (Stellungnahme)

Internet wichtige Infrastruktur unserer Gesellschaft. Netzneutralitätsverletzungen verletzen Grundrechte. „Innovation without permission“ hat Internet groß werden lassen. Telekommunikationsunternehmen wollen „Doppelten Markt“ durch Paradigmenwechsel wie „Sender party pays“-Modelle durchbringen. EU-Kommissionsvorschlag enthielt das. Netzneutralitätsgesetze von Slowenien und Niederlande zeigen, wie man Gesetz schaffen kann und das Specialzed Services Problem damit löst.

Dr. Bernhard Rohleder – BITKOM e.V. (Stellungnahme). Es gibt kein Einklassen-Internet, weil man für ne Standleitung mehr Geld bezahlt. Wünscht sich Qualitätsdienste. Alles wird gut: 2020 kommt 5G mit 10GB/s. Komprimierung wird sich um Faktor 20 steigern. „Wir haben in Deutschland kein Netzneutralitäsproblem“. (Wir sehen das ja anders, bei den zahlreichen Verletzungen, auch durch Bitkom-Mitgliedern).

Lustig: In der Frage und Antwortrunde erklärte Bernhard Rohleder, dass Standleitungen toll wären, man sie sich aber leisten müsste. Das könnte nicht jeder aber er nannte explizit mich persönlich als Nutzer einer Standleitung. Das stimmt insofern als dass wir hier trotz eines Büro-Standortes im Zentrum von Berlin nicht mehr als 6 MB/s DSL bekommen. (O-Ton Telekom-Kundenservice: Wenn vor der Tür die Straße aufgerissen wird, fragen Sie doch mal, ob die ein Kabel dazulegen). Insofern mussten wir auf eine teure Glasfaserstandleitung ausweichen, damit wir hier überhaupt schnelles Netz haben und arbeiten können. Das war aber keine Wahlfreiheit, wir haben uns das nicht ausgesucht und wären mit dem VDSL zufrieden, was viele bereits zuhause bekommen. Das ist die Schuld eines verkorksten Breitbandausbau in Deutschland.

(Wir würden übrigens gerne mehr mitschreiben, aber der Stream hängt ständig.)

Rohleder erklärt, dass Telko-Industrie 100 Milliarden ausgeben möchte, um Breitbandausbau zu finanzieren. Aber nur, wenn man sie motiviert. Also keine Netzneutralitätsregeln, das stört doch nur.

Wir verlinken einfach die Aufzeichnung zum Schluß. Die ist wahrscheinlich besser zu verstehen als ein zerhackter Stream, der immer nur den halben Satz auslieferte.

Die abschließenden Statements:

Fiedler sagt: Schön, dass Sie sich im Bundestag damit befassen, obwohl es ja vor allem auf EU-Ebene geregelt werden muss.

Gersdorf: Sie sollten die Netzneutralitäts-Thematik sorgsam beobachten, es braucht aber bitte keine Regulierung ins Blaue hinein.

Landefeld: Bislang spielen Spezialdienste eher unbedeutende Rolle, um diese zu verkaufen besteht der Anreiz, andere Kanäle schlechter machen. Die Politik sollte sich jetzt damit befassen, nicht, wenn es zu spät ist.

Lohninger: Bereits bestehende Machtverhältnisse werden zementiert. Jetzt ist der Zeitpunkt, sich für Netzneutralität einzusetzen, bevor es zu spät ist, weil Telkos vollendete Tatsachen schaffen und jetzt bereits zahlreich die Netzneutralität verletzen. Der Gesetzgeber ist gefragt. Es geht um Teilhabe, Meinungsfreiheit, Innovation und Offenheit. Und um unsere Zukunft.

Rohleder: Es sollte die Wahl des Verbrauchers sein, was ihm der jeweilige Service wert ist. Telekommunikationspreise sind übrigens im letzten Jahr gesunken. Sie sollten sich die Frage stellen, ob die Ausgangsannahmen Netzneutralität richtig interpretieren. Es soll keine willkürliche Diskriminierung von einzelnen Diensten geben [siehe Beispiel ‚Kleiner Blogger‘]. Sie sollten bedenken, dass wir uns in einem Übergangsszenario befinden. Konzentrieren Sie sich auf Netzausbau, dann kann das Thema Netzneutralität ad acta gelegt werden.

Hier geht es zur Aufzeichnung der Anhörung in der Mediathek des Bundestags.

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5 Ergänzungen

  1. Ich schaue mir den Stream und stelle fest, dass der Bundestag wohl nicht für einen priorisierten Datenkanal zu meinem Provider bezahlt hat. :-(

  2. Der Stream war insbesondere zum Ende hin mindestens zu 40-50% unterbrochen, man konnte eigentlich nicht zuhören.

    Könnte da jemand mal bei zuständigen Stelle beim Bundestag nachfragen warum das so war, ob eine Überlastung vorlag, wie viele Zuschauer es gab und was gemacht wird, dass das zukünftig nicht mehr passiert?

  3. Ja, der Stream war nicht wirklich was ich als flüssig bezeichnen könnte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.