Informationsfreiheits-Ablehnung des Tages: Dokumente der Staatsanwaltschaft Berlin zur Funkzellenabfrage

Sitz der Generalstaatsanwaltschaft Berlin: historisches Kammergerichtsgebäude. Bild: lt_paris. Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0.

Im April haben wir berichtet, dass die Berliner Polizei allein im letzten Jahr 50 Millionen Verkehrsdaten per Funkzellenabfrage gesammelt hat. In der zugrunde liegenden Mitteilung der Berliner Justizverwaltung fanden sich auch folgende Details:

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Berlin hat eine allgemeine Verfügung verfasst, die seit dem 4. Juli 2013 für alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte seines Geschäftsbereichs gilt. Darin konkretisiert er die gesetzlichen Pflichten über die Benachrichtigung von Betroffenen und die Löschung der personenbezogenen Daten.

Der Generalstaatsanwalt in Berlin hat eine Handreichung zu Funkzellenabfragen gem. § 100g StPO verfasst, die seit dem 16. August 2013 für alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte seines Geschäftsbereichs gilt. Darin benennt er die Kriterien, die die Dezernentinnen und Dezernenten vor der Beantragung eines Beschlusses zur Funkzellenabfrage bei dem Ermittlungsrichter zu prüfen haben.

Diese Handreichung und Verfügung interessieren uns natürlich auch, daher haben wir zwei Anträge nach Informationsfreiheitsgesetz gestellt. Beide wurden mit identischer Begründung abgelehnt:

Bei den beiden von Ihnen genannten Verfügungen handelt es sich um innerdienstliche Anordnungen der Staatsanwaltschaft Berlin, die Teil des so genannten Generalienheftes für Dezernentinnen und Dezernenten sind (Nummerierung der Verfügungen: H20 und H21) und welche Abläufe im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren regeln.

Ein Akteneinsichtsrecht in diese Anordnungen besteht nicht.

Das haben wir nicht eingesehen und den Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit um Vermittlung gebeten. Jetzt ist die Antwort aus dem Büro von Dr. Dix da, leider auch eine Ablehnung:

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Berlin hat Ihre Anträge auf Akteneinsicht vom 29. und 30. April 2014 in die o. g. Generalienverfügungen zu Recht abgelehnt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 IFG gilt das IFG für die Behörden der Staatsanwaltschaft nur, soweit sie Verwaltungsaufgaben erledigen. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft als Behörde der Justizverwaltung tätig wird, d. h. wenn sie nicht auf Grundlage strafprozessualer Vorschriften im Rahmen der Strafverfolgung tätig wird, sondern auf anderweitiger Rechtsgrundlage.

Schade. Klagen können wir leider nicht, dazu fehlen uns die Ressourcen.

Wie immer nehmen wir Dokumente gerne über die üblichen Kanäle entgegen – auch anonym und verschlüsselt.

5 Ergänzungen

    1. Vielen Dank! Warum sie’s dann uns nicht einfach geben, ist mir unverständlich.

      Das tl;dr der drei Seiten ist: „Haltet euch ans Gesetz! Und folgendes steht drin: …“
      Krass, eigentlich, aber nach dem Prüfbericht anscheinend nötig.

      Zwei Punkte stören mich aber:

      Tatsachen, die den Schluss zulassen, dass in dem zu beauskunftenden Zeitraum tatsächlich über Mobilfunktelefone kommuniziert worden ist, müssen allerdings nach herrschender Meinung nicht vorliegen.

      Das sieht Dr. Dix in seinem Prüfbericht anders:

      In vielen der von uns geprüften Fälle war bereits die Geeignetheit der Funkzellenabfrage als Aufklärungsmittel sehr zweifelhaft, weil es keinerlei Anhaltspunkte (z. B. aufgrund von Zeugenaussagen oder kriminalistischen Erfahrungen hinsichtlich einer bestimmten Deliktgruppe) dafür gab, dass der oder die Täter während der Tat ein Mobilfunktelefon benutzten.

      Und:

      Soweit nach Ort, Zeit und konkreter Situation der auszuwertenden Funkzelle mit einer das übliche Maß deutlich übersteigenden Datenerhebung zu rechnen ist (zentrale Funkzelle mit höchster Fluktuation, speziell im Zusammenhang mit Demonstrationen) ist an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit besondere Sorgfalt anzulegen und zu dokumentieren.

      Ich denke, bisher galt die Ansage, es werden keine Funkzellenabfragen bei Demonstrationen gemacht?

      @Simon: Könnt ihr vielleicht hier nochmal nachhaken?

  1. Großes Kino, danke Simon!

    Mir ist völlig unbegreiflich, warum eine Behörde, die legal handeln muss, sich hinsichtlich der Anwendung der Strafprozessordnung nicht dem öffentlichen Diskurs stellen mag. Selbst wenn so herauskommen sollte, dass sie rechtswidrig handelt, so wäre das doch im Interesse der Wahrung der Rechtsordnung, damit man eben das eigene Verhalten korrigieren kann … m.a.W.: Wer solche Handreichungen verheimlicht, setzt sich dem Verdacht aus, dass er a) ahnt, dass er rechtswidrig handelt, und b) auch in Zukunft so weiterwursteln will. Eine fatale öffentliche Wirkung – zumal für eine Behörde, die anderen Menschen Tag für Tag (Straf-)Rechtsverstöße vorwirft und dafür auf moralische Glaubwürdigkeit angewiesen ist.

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