Großbritannien will „Notfallgesetz“ zur Vorratsdatenspeicherung einführen

Die britische Regierung will schon nächste Woche in einem Eilverfahren ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschließen. Der „Data Retention and Investigation Powers (DRIP) Act“ ist eine Reaktion darauf, dass die bestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im April durch den Europäischen Gerichtshof gekippt wurde. Das neue Gesetz ist ein Alleingang Großbritanniens, um Telefon- und Internetanbieter weiter zu zwingen, die Vorratsdaten ihrer Kunden zu speichern. Einen solchen nationalen Alleingang dürfte es nach der EuGH-Rechtsprechung eigentlich nicht mehr geben.

Der Gesetzentwurf wird laut BBC sowohl von der Regierungskoalition (Tories und Liberals) als auch der Labour Partei mitgetragen. Das Gesetz soll bis 2016 befristet sein und in einem Eilverfahren beschlossen werden. Premierminister Cameron (Tories) und Vize-Premier Clegg (Liberals) betrachten das Gesetz als notwendig, weil die Unternehmen sonst die bereits gespeicherten Vorratsdaten löschen könnten.

Jim Killock, Direktor der britischen NGO Open Rights Group, sagte dazu:

Die Regierung gibt damit stillschweigend zu, dass die aktuellen Gesetze zur zur Vorratsdatenspeicherung ungültig sind […]. Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass die Vorratsdatenspeicherung klar begrenzt sein muss und anlasslose Speicherung nicht gerechtfertigt ist […].

Seit dem EuGH-Urteil sollen über 1.500 Menschen ihre Internetanbieter aufgefordert haben, keine Vorratsdaten mehr zu speichern, weil es keine EU-Rechtsgrundlage mehr gebe. Die Richtlinie verstieß laut EuGH gegen Grundrechte, und die gelten bekanntlich auf allen Ebenen. Deshalb sagen Experten, dass damit auch die nationalen Gesetze, die zur Umsetzung der EU-Richtlinie verabschiedet wurden, ungültig sind. Diese Auffassung ist aber umstritten. Die Unternehmen fürchten anscheinend dennoch, nun verklagt zu werden, wenn sie weiter Vorratsdaten speichern.

Die Britische Regierung behauptet dagegen, dass die Vorratsdaten auf keinen Fall gelöscht werden dürfen, weil das Ermittlungsprozesse und die Aufklärung von Verbrechen behindere, wie sie in einer Erklärung mitteilte. Diese Begründung ist keinesfalls überraschend: Unter allen 28 Mitgliedsstaaten der EU war Großbritannien schon immer der „Vorreiter“ in Sachen Vorratsdatenspeicherung und setzte sich stets für die umfassendsten Regelungen ein.

Ausweitung statt Einstampfung?

Der Entwurf des Notfallgesetzes soll sogar eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung vorsehen, auch wenn die Regierung offiziell das Gegenteil ankündigt. Zum einen soll die Regelung nun auch explizit für ausländische Unternehmen gelten, zum anderen könnten nun auch weitere Daten, die über reine Metadaten hinausgehen, betroffen sein. Das legen Formulierungsänderungen im Gesetz nahe, die GIGAOM herausgearbeitet hat.

Das die neue Regelung nun, drei Monate nach dem EuGH-Urteil, in einem Eilverfahren beschlossen werden soll, macht auf jeden Fall stutzig. Die britische Innenministerin Theresa May soll in dem Zusammenhang sogar gesagt haben, dass es bei dem neuen Gesetz um Leben und Tod gehe. Wenn derartige PR-Geschütze aufgefahren werden, muss es der britischen Regierung wirklich wichtig sein, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Man fragt sich nur warum eigentlich, wo doch der britische Geheimdienst GCHQ eh schon sämtliche Kommunikationsdaten abfängt und speichert.

Wer nicht weiß was Vorratsdatenspeicherung eigentlich ist, und warum wir sie ablehnen, dem sei der re:publica Talk von Anna und Andre empfohlen.

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6 Ergänzungen

  1. tja. jahrhundertelang auf einem öden eiland hinzuvegetieren hinterlässt halt spuren. man beachte den elitären oxford oder camgridge-gang der beiden….faszinierend würde mr. spock sagen

  2. @ Maschinenraum

    Dieser Artikel hier erscheint weder im Monatsarchiv noch in der 14-Tage-Übersicht.
    Was ist da los? So kann ich nicht arbeiten…

  3. Wer meint diese konformistischen, hörigen Dummdeutschen sind in ihrer Ignoranz nicht zu übertreffen… kennt die britischen Verhältnisse nicht.

  4. Die Dummdeutschen haben den Wahnsinn nicht für sich gepachtet. Wenn die Engländer ein „Notfall“-gesetz (woran erinnert mich das?) brauchen, sollen sie es einführen, aber dann bitte auch aus der EU austreten und sich nicht weiter an deutschen Steuergeldern schadlos halten. Die Deutschen haben immerhin eine gültige Entschuldigung dafür; Deutschland ist kein sourveräner Staat, seit wir vor 70 Jahren von den Russen besiegt wurden, halten die Amerikaner uns bis heute gefangen. Der Historiker Josef Foschepoth hat das unlängst ausführlichst belegt. Aber bis die Deutschen sich ihre Freiheit erkämpfen, können wir lange warten. Da hat Onkel Sam schon den Daumen drauf. Was ich nicht verstehe, ist, warum die Engländer sich derart unterwürfig von ihrer Regierung am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

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