Funkzellenabfrage in BerlinAbgeordnetenhaus beschließt Statistiken und Benachrichtigung per SMS

Handys, die in Berlin von einer Funkzellenabfrage betroffen sind, sollen in Zukunft per SMS darüber benachrichtigt werden, wenn sie wollen. Das hat das Abgeordnetenhaus gestern beschlossen. Zudem sollen endlich Statistiken über die massenhafte Handy-Rasterfahndung geführt werden.

Bei einer nicht-individualisierten Funkzellenabfrage ermittelt die Polizei, welche Mobiltelefone sich in einem konkreten Zeitraum in einer bestimmten Funkzelle befunden haben. CC-BY-NC 2.0 Karen Blakeman

Die massenhafte Handy-Rasterfahndung namens „Funkzellenabfrage“ krankt an mehreren Stellen. Zum einen gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, Statistiken über die Einsätze zu führen, weshalb die meisten Bundesländer das einfach nicht tun. Auf der Basis von Hochrechnungen gehen wir von über 50 Funkzellenabfragen in Deutschland aus – jeden Tag. Zum anderen müssen Betroffene laut Gesetz über diese Maßnahme informiert werden – das passiert aber so gut wie nie, weil Staatsanwaltschaften „kein Interesse“ an einer Benachrichtigung erkennen können.

Beide Probleme will das Abgeordnetenhaus von Berlin jetzt angehen. Bereits im Juni stellte die Piratenfraktion einen eigenen Antrag zum Thema. Als Oppositionspartei hat der in einem Parlament natürlich wenig Chancen. Aber die SPD griff wichtige Elemente davon heraus und formulierte einen eigenen Antrag. Nach einigem Hin und Her, einer erbosten Stellungnahme der Vereinigung Berliner Staatsanwälte und Einsatz von Sven Kohlmeier, hat der Innenausschuss den Antrag vor zwei Wochen beschlossen. Und gestern stimmte auch das Plenum des Abgeordnetenhauses zu.

Und das steht drin in der „Einführung einer Erhebungsmatrix für Funkzellenabfragen – Bessere statistische Erfassung von Daten für echte parlamentarische Kontrolle“:

  1. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus über die Nutzung der nicht individualisierten Funkzellenabfragen zu berichten, soweit dadurch laufende Ermittlungen nicht gefährdet oder behindert werden, und dabei insbesondere darzustellen:
    • die jeweilige Anzahl der beantragten und bewilligten Funkzellenabfragen,
    • die jeweils abgefragten Funkzellen und deren räumliche Abdeckung (z.B. über eine Legende),
    • den jeweils abgefragten Zeitraum,
    • die jeweils zugrundeliegenden Straftatbestände bei der Beantragung,
    • die Rechtsgrundlagen,
    • die jeweilige Anzahl der durch die Funkzellenabfragen betroffenen Telekommunikationsanschlüsse,
    • die Anzahl der Anschlussermittlungen (Abfrage der zugehörigen Anschlussdaten),
    • die Anzahl der Verfahren, in denen die Funkzellendaten verwendet bzw. eingebracht wurden.

    Weiter ist die Gesamtzahl der übermittelten Verkehrsdatensätze darzustellen und auf welche Art der Dienste, z.B. SMS, Telefon, Internet, diese entfallen. […]

  2. Das Abgeordnetenhaus wird im Frühjahr 2016 eine Evaluierung der Berichtspflicht vornehmen.
  3. Der Senat von Berlin wird aufgefordert, in einem Pilotprojekt die Benachrichtigung über ein SMS-Informationssystem umzusetzen, bei der Bürger durch eine SMS an eine behördliche Stelle den Wunsch dokumentieren können, per SMS über eine Erhebung ihrer Daten im Rahmen einer Funkzellenabfrage informiert zu werden. Das Pilotprojekt ist im Rahmen des beschlossenen Haushaltsplanes umzusetzen. Dem Abgeordnetenhaus ist hierzu bis zum 30. Juni 2015 zu berichten.

Die Senatsverwaltung für Justiz prüft derzeit, wie das umzusetzen ist.

Wir sind ja nicht gerade verdächtig, ständig politische Entscheidungen zu loben. Es wäre wahrscheinlich auch mehr drin gewesen und wie immer kommt es auf die Umsetzung an. Aber hier müssen wir ganz ehrlich mal sagen: das sieht gut aus. Wir sind gespannt, wann wir die ersten SMS bekommen. Und wie die Öffentlichkeit reagieren wird.

Das könnte dann z.B. so aussehen:

Benachrichtigung per SMS (Symbolbild)

15 Ergänzungen

    1. Per Opt-In:

      bei der Bürger durch eine SMS an eine behördliche Stelle den Wunsch dokumentieren können, per SMS über eine Erhebung ihrer Daten im Rahmen einer Funkzellenabfrage informiert zu werden

      Details t.b.d.

      1. Mit anderen Worten, ich muss erst wissen, worums geht, was das bedeutet, und wie oft es tatsächlich passiert. Und dann muss ich Geld in die Hand nehmen (bzw. wegtippen.)

        So kann man die Benachrichtigungen auch gering halten.

  1. Die Öffentlichkeit wird so reagieren, wie die Raucher bei Einführung der Warnsprüche auf den Zigarettenschachteln: Schulterzuckend zur Kenntnis nehmen und ab dann ignorieren.

  2. wenn ich so eine SMS bekäme würde ich wahrscheinlich sofort mein Handy komplett abschalten und mir eine neue Sim Karte kaufen!

    1. was bringt dir eine neue Sim wenn der BND, FB, Google, Microsoft und alle Cracker die es interessiert, deine IMEI haben?!

    2. Bei 50 Abfragen pro Tag in Deutschland kann die Strategie recht teuer werden (sehr teuer, wenn du in einem Ballungsraum wohnst vermute ich mal). Früher oder später wird da jeder mal auftauchen. Ist doch aber schön, wenn jetzt Menschen endlich eine Chance haben herauszufinden, wie oft sie selbst betroffen sind und man vlt auch bessere Statistiken zu dem Thema ermöglicht.

  3. Ich muss mich erst melden, um bei Abfragen informiert zu werden?
    Das ist nichts anderes als ein Hilfsmittel, um mir selbst eine Zielscheibe auf den Rücken zu pinseln.

    M

    1. Hab ich auch gedacht! „Hallo hier sind meine Daten, ich bin verdächtig. Sagt Bescheid wenn ihr mich überwacht“

    2. Warum das? Ich könnte mir vorstellen viele Leute machen es, weil sie es einfach aufregend finden. Die begeisterten Tatort Zuschauer bestimmt und davon gibt es nicht wenige. Wüsste auch nicht, warum man sich dadurch mehr verdächtig machen sollte. Ist doch „cool“ Polizeiarbeit mal hautnah miterleben zu können.

      Es sorgt auf jeden Fall für mehr Transparenz, vorrausgesetzt natürlich es wird konsequent und richtig umgesetzt.

      1. Die Idee ist nicht abwegig. Schon jetzt werden auffällig häufige Aufrufe von Fahndungshinweisen auf der Polizeiwebsite als verdächtig gewertet – denn nur Täter könnten dieses Maß an Interesse für Ermittlungen hegen, so der Gedanke.

        Honeypot nennt man das.

    3. Da wäre es nun wirklich gut, wenn möglichst viele Berliner so ne SMS abschicken, nicht war? Wäre ich Berlinerin würde ich das im selben Moment machen, da mir jemand sagt, wohin damit…
      Das Problem ist also nur wieder, dass es vermutlich wenige sind, die dieses Thema überhaupt interessier…..schade, schade!

  4. „Der Senat von Berlin wird aufgefordert, in einem Pilotprojekt die Benachrichtigung über ein SMS-Informationssystem umzusetzen, bei der Bürger durch eine SMS an eine behördliche Stelle den Wunsch dokumentieren können, per SMS über eine Erhebung ihrer Daten im Rahmen einer Funkzellenabfrage informiert zu werden. Das Pilotprojekt ist im Rahmen des beschlossenen Haushaltsplanes umzusetzen. Dem Abgeordnetenhaus ist hierzu bis zum 30. Juni 2015 zu berichten.“

    Genau! Welcher Vollpfosten des Sammelbeckens zur Proletarier-Demütigung (kurs SPD) hat sich denn das ausgedacht?

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