DIN-Normen: Carl braucht eure Hilfe

Manche werden es zwischendurch gelesen haben: Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) verklagt derzeit die NGO Public.Resource.Org und ihren Präsidenten Carl Malamud, weil auf deren Website DIN-Sicherheitsnormen u.a. für Fahrräder und Babyschnuller frei und kostenlos online verfügbar sind. Dies ist ein Aufruf zur Mithilfe in diesem Rechtsstreit (siehe unten „Mithelfen“).

Hintergrund

Carl Malamud sieht es als unabdingbar an, dass Bürgerinnen und Bürger freien Zugriff auf Sicherheitsnormen haben, die sich auf Alltagsprodukte beziehen. Aufgrund ihrer Wichtigkeit und Quasi-Verbindlichkeit sind sie aus seiner Sicht genauso zu behandeln wie staatliche Gesetze, müssen also auch genauso frei u.a. übers Internet verfügbar sein. Wir bei iRights.Law finden das unterstützenswert und haben daher Carls Prozessvertretung übernommen. Das DIN sieht das anders und pocht darauf, an diesen Sicherheitsnormen Urheberrechte zu besitzen. Über den gemeinnützigen Beuth-Verlag vertreibt das DIN die Sicherheitsnormen für ziemlich stattliche Beträge (auch online) und finanziert damit insgesamt rund 70% seines Betriebs, der Rest sind Mitgliedsbeiträge und öffentliche Zuschüsse. DIN stützt sich vor allem auf Absatz 3 des § 5 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG), dem zufolge „private Normwerke“ nicht das Schicksal amtlicher Werke teilen, die urheberrechtsfrei sind.

Streitpunkte

Der Fall hat juristisch mehrere Dimensionen. Eine davon ist die Frage, ob es sich bei den Sicherheitsnormen überhaupt um „Werke“ im Sinne des § 2 UrhG handelt, denn nur dann kann der Absatz über „private Normwerke“ überhaupt zu Anwendung kommen. Es gab auch bereits einen mündlichen Verhandlungstermin vor dem Landgericht Hamburg und insbesondere diese Frage nach dem Werk-Charakter der Sicherheitsnormen wird seitens des Gerichts relativ offen betrachtet. Wer hierzu interessantes mitzuteilen hat, möge das bitte tun (Kontaktdaten siehe unten).

Außerdem stellt sich das Problem, dass die Sicherheitsnormen zahlreiche technische Zeichnungen enthalten und bei diesen traditionell nur geringe Anforderungen an die „Schöpfungshöhe“ gestellt werden. DIN argumentiert daher verständlicherweise, dass zumindest diese Zeichnungen Werke sind und damit zur Anwendung von § 5 III UrhG führen. Wir haben da so unsere Zweifel, weil gerade die technischen Zeichnungen in Normen ziemlich zwingend genau so ausgeführt werden müssen, wie sie dort ausgeführt sind, was dafür spricht, dass dabei einzig Zweckmäßigkeit zählt und jede schöpferische Qualität fehlt. Darum suchen wir zusätzlich, angehende oder fertig ausgebildete Techniker, technische Zeichner und Ingenieure, die sich als Zeugen für diese Sichtweise zur Verfügung stellen (siehe auch dazu die Kontaktdaten unten).

Breit gestreute Hilfe wird aber vor allem beim dritten größeren Streitpunkt gebraucht:

Dieser dritte Streitpunkt ist die sogenannte Aktivlegitimation des DIN. Selbst wenn man zu dem Schluss käme, die Sicherheitsnormen seien Werke im Sinne des UrhG, kann das DIN nur dann von Carl Unterlassung der Veröffentlichung verlangen, wenn es Inhaber der entsprechenden Nutzungsrechte ist. Geschrieben werden die Normen allerdings nicht von Angestellten des DIN, sondern von Expertengremien in einem – übrigens seinerseits ebenfalls genormten – relativ langwierigen Prozess. Aus diversen Quellen haben wir Hinweise, dass die Übertragung der Nutzungsrechte auf das DIN in Form von Vordrucken, die bei Gremiensitzungen ausliegen, alles andere als lückenlos ist. Diese Hinweise nützen nur für sich genommen für unseren Fall wenig, weil es § 10 Abs. 2 UrhG gibt. Dieser dreht die Beweislast zur Aktivlegitimation zugunsten desjenigen um, der auf dem jeweiligen Werk als Herausgeber genannt ist. Da auf allen fraglichen Sicherheitsnormen das DIN im Copyright-Vermerk steht, muss nicht DIN seine Rechteinhaberschaft beweisen, sondern ist das (wahrscheinliche) Fehlen der vollständigen Aktivlegitimation umgekehrt von Carl zu beweisen.

Wer sich mit Juristerei auskennt, weiß, dass Negativbeweise ohnehin schon sehr schwer nur zu führen sind. In diesem Falle kommt hinzu, dass einzig das DIN genau weiß, wer wann an welchen Gremiensitzungen teilgenommen hat. Wir in Vertretung von Carl haben bislang vergeblich versucht, das Gericht davon zu überzeugen, dass DIN wenigstens diese Namen vorlegen muss, um uns die Befragung der betreffenden Personen zu ermöglichen. Ohne Einschaltung dieser direkt beteiligten Experten ist es für uns unmöglich, die Aktivlegitimation des DIN zu widerlegen. Und deshalb dieser Aufruf:

Mithelfen

Wir suchen Leute, die an Gremiensitzungen zu den folgenden Normen teilgenommen haben – und zwar egal ob auf nationaler Ebene beim DIN oder auf europäischer Ebene beim europäischen Normungszentrum CEN, und egal ob als reguläres Gremienmitglied oder als Gast:

DIN EN 14781 – „Rennräder – Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren“
DIN EN 14782 – „Selbsttragende Dachdeckungs- und Wandbekleidungselemente“
DIN EN 1400-1 deutsche Fassung – „Schnuller für Säuglinge und Kleinkinder Teil 1“
DIN EN 1400-1 englische Fassung – „Schnuller für Säuglinge und Kleinkinder Teil 1“
DIN EN 1400-2 deutsche Fassung – „Schnuller für Säuglinge und Kleinkinder Teil 2“
DIN EN 1400-2 englische Fassung – „Schnuller für Säuglinge und Kleinkinder Teil 2“

Bitte streut das so weit wie möglich über die Netzwerke. Wer an den Sitzungen teilgenommen hat und etwas dazu sagen kann, ob jeweils die Rechteeinräumungsvordrucke verwendet und durchgehend auch ausgefüllt wurden, möge sich bitte per Mail melden. Gleiches gilt für Leute, die beruflich mit technischen Zeichnungen zu tun haben oder noch besser Sachverständige dafür sind. Leider drängt die Zeit etwas, weil das Gericht über die o.g. Fragen schon Mitte Juni entscheiden will.

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42 Ergänzungen

  1. könnt‘ ihr mal ein Beispiel angeben, wo in einem Gesetz ein Bezug zu einer tatsächlichen DIN Norm besteht?

    1. die wichtigste Vorschrift zum Einklinken von Sicherheitsnormen ins Haftungssystem ist § 4 ProdSG (http://www.buzer.de/gesetz/9922/a173201.htm), bei dem es sogar ausdrücklich um die Art harmonisierte Normen geht wie in unserem Fall, erkennbar am Zusatz „EN“ für „Europäische Norm“. Diese kollaborativ vom CEN erstellten Normen müssen zwingend durch die nationalen Normungsorganisationen umgesetzt werden.

    2. Exkurs: Interessant ist auch eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.07.2010 – 4 BN 21/10 -. Danach erfordert die “rechtstaatliche Anforderung an die Verkündung von Rechtsnormen” das Betroffene von einer DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Ein bebauungsplan der nur unter Hinweis auf die zu beziehende DIN ausgelegt worden war, war alleine schon deshalb nichtig. D. h., dass die Gemeinde die DIN-Norm mit auslegen musste.

  2. Öffnung fordern und juristisch einklagen? Einverstanden.
    Aber einfach so ohne Grundlage zwangsveröffentlichen? Nein, nein, nein.

    1. ?? Man kann nur juristisch einklagen, worauf auch ein Anspruch besteht. In unserem Fall soll ja gerade geklärt werden, ob die Verschlusspolitik des DIN überhaupt irgendeine juristische Grundlage hat. Wenn nicht, dann gilt: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.

  3. @Philipp

    In keinem Gesetz steht direkt was von DIN-Normen, das versteckt sich unter
    „Stand der Technik“. Nur wenn du so baust oder produzierst bist du aus einer eventuellen Haftung raus. Damit hat die jeweilige DIN-Norm einen „Quasi Gesetzesstatus“

    1. Das ist im großen und ganzem richtig zusammen gefasst, aber leider nicht alles. Es gibt wirklich gesetzliche Verweise auf EU-und DIN-Normen im Gesetz (zum Beispiel im Baurecht bei Isolation und Feuerschutz). Darüber hat auch der Lawblog mal einen Beitrag geschrieben. Leider finde ich diesen Beitrag nun nicht sofort wieder.

      1. Carl Malamud sieht es als unabdingbar an, dass Bürgerinnen und Bürger freien Zugriff auf Sicherheitsnormen haben, die sich auf Alltagsprodukte beziehen .

        Baurecht?

      2. @philip: ja baurecht ist sicher alltagsrelevant wenn man in einem gebäude wohnt. ;-)

        Abgesehen davon: die VOB ist für öffentliche Bauvorhaben zwingend vorgeschrieben. Teil C ist der teil mit den Normen. Ist also Bestandteil des öffentlichen Vergaberechts.

    1. üblicherweise werden Industrienormen nicht zu Gesetzen im formellen Sinne (Parlament, BGBl. etc.), sondern allenfalls bestimmte Passagen finden Eingang in Gesetze. In unserem Fall geht es u.a. um die Frage, ob sie nicht dennoch im materiellen Sinne Gesetze sind.

      1. … oben hingegend, wollt ihr anzweifeln, ob Normen Urheberrechtlich geschützt werden können. Was denn nun: Gesetz oder technische Information?

      2. verstehe den Kommentar nicht.
        Falls Normen mangels Schöpfungshöhe schon gar keinen urheberrechtlichen Schutz tragen, gibt es schon deshalb keinen Unterlassungsanspruch. Falls sie doch schutzfähig sind, schlägt u.A. nach das Publizitätserfordernis (§ 5 I UrhG) die Ausnahme für „private Normwerke“ (§ 5 III UrhG) zumindest dann, wenn die Einhaltung der jeweiligen Norm gesetzliche Vermutungen erzeugt (§ 4 und 5 ProdSG).

  4. sorry, ich vergaß, die Vergabeordnung besteht überwiegend aus Normen der DIN und ist im öffentlichen Bauwesen durch die Einführung wie Gesetz

    1. nochmal: öffentliches Bauwesem, Alltagsprodukte?

      @Corax, im Treffer dann der Satz:
      Die in den Sätzen 3, 4 und 6 genannten Normen, zu beziehen beim Beuth-Verlag GmbH, Berlin, sind beim Deutschen Patent- und Markenamt archivmäßig gesichert niedergelegt.

      1. Zum einen eine kleine Hilfe, zum anderen soll nicht das Thema die Hilfestellung geben sondern der Vorgang und letztlich wird ihmo mit der veröffentlichung im Bundesgesetzblatt eine DIN zum Gesetz. Damit sind in der täglichen Realität ohne die Einhaltung der Normierung alle haftungsrechtlichen Konequenzen voll zu tragen und das ist auch in diesem Fall bei den Alltagsprodukten so.

      2. Die oben schon genannte Suche nach „Beuth-Verlag“ zeigt in der Regel auf Fußnoten, die meist zur Angabe einer Norm weiter oben im Text gehören. Die Suche direkt nach „DIN“ selbst bringt genauso viele Treffer, ist aber wegen der Kürze ein ungünstiger Suchbegriff: http://www.buzer.de/s2.htm?v=„DIN+EN“ da sind schon einige Bezüge zu Alltagsprodukten

      3. Naja, da jeder auch in irgendeinem Haus wohnt, von dessen Dach er wünscht, dass nichts herunterfallen möge, betrifft auch DIN EN 14782 Alltagsprodukte.

  5. Je weiter ich versuche das grundlegende Problem zu erkennen, desto mehr sieht die ganze Geschichte nach: „Lösung sucht Problem“ aus.

    Die Lösung scheint zu sein, Dokumente einfach im Internet zu veröffentlichen, und den Urheberrechtsschutz (genauer gesagt die Vervielfältigungsrechte) mal eben für unnötig zu erklären.

    Warum? Weil die Dokumente so wichtig sind, und der Bezug auf dem traditionellen Weg zu hohe Hürden auflegt.
    Aber ist wirklich das das Problem? Ich kann mich daran erinnern, das in der Universitätsbiliothek meiner Wahl, die DIN Normen Schrankwandweise gelagert wurden und kopiert werden durften, man musste die Kopie nur anmelden. Ich glaube mich zu erinnern, das Meisterschulen dies auch für die eigenen Themen lagernd hatten.

    Die ganze DIN Normierung/Standartisierung ist ja deutlich etwas, das die Herstellerseite von Gütern betrifft, und da ist man über die Jahre ganz gut damit gefahren. Freilich wärs schöner, wenn die Dokumente frei veröffentlicht werden würden, aber das Stichwort ist oben schon gefallen: Die DIN wird zum größeren Teil von den Veröffentlichungen finanziert.

    Wenn, wie oben geschildert wurde, das Gesetze existieren, denen ich nur genügen, kann wenn ich die DIN gelesen habe, ist das ein anderer Fall, aber die Belege sind bislang spärlich.

    Und ich würde dann auch erwarten, das man Die angeht, die wirklich Kasse mit Normen und Standards machen: ISO, ANSI, IEEE.

    1. Wir sind DIN-Auslagestelle: http://www.tub.tu-harburg.de/finden/normen/
      Man beachte den Passus:
      DIN-Normen stehen aus urheberrechtlichen Gründen nur zur Einsichtnahme zur Verfügung. Aufgrund der DIN-Mitgliedschaft der TUHH sind Angehörige der TUHH zum Kopieren berechtigt. Alle anderen Interessenten können einzelne Normen über den Beuth-Verlag beziehen.
      Dass Angehörige kopieren dürfen ist auch eher frisch. Bei meinem eigenen Studium an der HAW Hamburg (ebenfalls Auslagestele) hieß es damals, die Norm (die du da benötigst) kannst du nur hier lesen oder von Hand abschreiben. Naja, oder kaufen – aber die haben sehr ordentliche Preise für etwas, das in fast allen Berufen jeder im Zweifel braucht…

      1. ja, es gibt 109 Auslagestellen in Deutschland. Und früher gab’s auch das BGBl schon in der Bibliothek zur Einsichtnahme, aber auch das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Juristisch ausgedrückt: Man kann die erforderliche Publizität heute nicht mehr mit Auslegestellen erfüllen, bei denen man nicht mal Kopien machen darf.

  6. … und nach kurzem Studum von 5UrhG ist die Lösung doch klar: Carl kann sich mit dem DIN/Beuth Verlag über angemessene Bedingungen für die Veröffentlichung als Verleger einigen. Es gibt für Normen, die in Gesetzen erwähnt werden, eine Pflicht des Urhebers …

    1. Wenn man ausrechnet, wieviel man für die Sicherheitsnormen für eine normale Baby-Ausstattung berappen müsste, liegt man überschlagsweise bei fast 900€. Das kann kein Verbraucher zahlen und es ist auch nicht einsehbar, warum er das zahlen müssen sollte, während die Normen zugleich als Festlegungen staatlich (= durch uns alle) privilegiert werden. Angemessen aus Verbrauchersicht wäre freie Zugänglichkeit online zumindest zur privaten Nutzung. Dafür gibt’s aber kein Angebot von Beuth an keine NGO, stattdessen wird geklagt.

      1. Warum müssen Verbraucher die Sicherheitsnormen für Baby Austattungen lesen und zu Hause lagern? Reicht es nicht, wenn die Herstellter die DIN kennen und anwenden?

        1. @Bruno: Wenn irgendein Gesetz auf eine Norm verweist, hat die Norm genauso frei zugänglich zu sein, wie das Gesetz. Das ist doch allein deshalb schon nötig, um einen freien Diskurs über Gesetze führen zu können.

          Außerdem wurde doch angesprochen, dass auch nicht einzusehen ist, wieso manche Normen gesetzlich privilegiert sein sollten. Wenn irgendeine kostenpflichtige Norm gesetzlich vorgeschrieben ist, werden dem herausgebenden Normungsinstitut quasi Einnahmen garantiert, während Normen anderer Normungsinstitute keine Privilegien zuteil werden.

          Und Geld für gesetzliche Vorschriften zu verlangen, darf natürlich nicht gehen. Die Frage, ob es nicht reiche, dass Hersteller eine bestimmte Vorschrift kennen und anwenden, ist selbstverständlich zu verneinen. Da könnten Sie ja genausogut argumentieren, dass es auch reichen würde, wenn Gesetzestexte nur an zahlende Interessenten herausgegeben würden, da sie ja nur von Anwälten und Richtern im Detail gekannt und angewendet werden müssen.

      2. @Bruno: Hier geht’s um das Grundverständnis von Rechtsstaatlichkeit. Genauso wie es keine Geheimgesetze mehr gibt, sollten auch alle sonstigen Regeln, die allgemeingültig sind, allgemein zugänglich sein. (Erst) Dann können nicht nur Eltern, sondern auch Journalistinnen, Verbraucherschützende und sonstige Interessierte sich ausreichend informieren und kann die Allgemeinheit auf diese Weise die Normungsergebnisse niedrigschwellig überprüfen. Allgemein zugänglich muss heute heißen: Online zugänglich, genau wie bei formellen Gesetzen.

  7. In der Geschichte des §5 UrhG ist die Regelung zu ‚privaten Normwerken‘ auf massive Intervention des DIN aufgenommen worden.
    Das DIN ist juristisch betrachtet ein eingetragener Verein. Ob er dem Charakter und der Selbstdarstellung nach jedoch als rein private Normorganisation zu betrachten ist, würde ich mal bezweifeln. Die Selbstdarstellung auf der Webseite hebt auf die Zugangsfunktion des DIN sowie öffentliche Interessen und eine Rolle als staatliche Normungsorganisation qua Vertrag mit dem Bund. Es könnte zielführend sein, diese Rechtskonstruktion mal genauer zu beleuchten. Im Ergebnis könnte die Frage aufgeworfen werden, ob das DIN eine private Normwerke veröffentliche Stelle ist.

    „Das DIN vertritt die nationalen Interessen in Europa und weltweit. Nur durch die Arbeit im DIN bekommen die deutschen Experten Zugang zu Entscheidungsprozessen in den übernationalen Normungsgremien.“

    „Wir über uns. Die Aufgabe von DIN ist es, zum Nutzen der Allgemeinheit unter Wahrung des öffentlichen Interesses in geordneten und transparenten Verfahren die Normung und Standardisierung anzuregen, zu organisieren, zu steuern und zu moderieren. Die Arbeitsergebnisse dienen der Innovation, Sicherheit und Verständigung in Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit sowie der Qualitätssicherung und Rationalisierung und dem Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz. DIN veröffentlicht seine Arbeitsergebnisse und fördert die Implementierung der Ergebnisse. … Auf Grund eines Vertrages mit der Bundesrepublik Deutschland ist DIN als die nationale Normungsorganisation in den europäischen und internationalen Normungsorganisationen anerkannt.“

  8. Das ist immer Alles noch ein bisschen konfus:

    Die DIN wird verklagt, weil sie ein ensprechendes Angebot von Carl sich als Verlag für die Veröffentlichung von Normen die im Gesetz als Vorgabe angegeben sind nicht annahm?

    Oder weil ein paar Leuten der Weg in die Bibliothek nicht mehr zeitgemäß ist?

    1. Nein, das DIN verklagt Carl, weil er die Normen online gestellt hat. Andere Normungsorganisationen haben ihn zumindest vorher mal angesprochen und sich teils sogar mit ihm geeinigt und die Sache auf sich beruhen lassen (denn: Für Hersteller gibt es immer noch genug Anreize, die Normen trotz Carls Website bei den Normungsorganisationen zu kaufen, denn nur dort haben sie z.B. die Gewähr, immer die aktuellsten und autoritativen Normen zu erhalten und können die Ausgaben als Betriebsausgaben geltend machen).

  9. Kurzer Nachsatz: Ihr wollt alle keine staatliche Normung, die politischem EInfluß unterworfen ist. Ja, im Moment werden in der DIN weitgehend Industrieinteressen vertreten, aber das sind auch in der Regel die Nutzer und Initiatoren.

    1. Wir haben faktisch (und brauchen m.E. auch) staatlich organisierte Normung, siehe Sonderstellung des DIN wie oben rh in Kommentar 8 zitiert. Wenn eine solch wichtige staatliche Aufgabe über privatwirtschaftliche Strukturen abgewickelt und kommerziell finanziert wird, hat man einen Fall verdeckter Besteuerung, was illegal ist: Der Bund und Länder sparen sich und den Industriemitgliedern des DIN Geld, indem sie DIN erlauben, die Normen nur gegen Zahlung rauszugeben und so die erforderlichen staatlichen Zuschüsse niedrig zu halten. Das mag aus haushalterischer Sicht Sinn ergeben, führt aber zu intransparenten Regelsetzungsprozessen und Bevormundung durch geschlossene Experten- und Herstellerkreise.

      1. ich denke wir reden aneinander vorbei, aber kannst du kurz belegen inwieweit Normung (iSv wikipedia.de Artikel) eine staatliche Aufgabe ist?
        Vielleicht mit Verweis auf Grundgesetz?

  10. Zum Konformitätsnachweis nach europäischen Richtlinien werden oft Normen (zB DIN EN, VDE …) benötigt. Auch verlangen öffentliche Ausschreibungen fast immer die Einhaltung solcher Normen. Damit sind diese Normen materiell öffentlich.

  11. Das Thema ist mittlerweile ja schon etwas älter, ich habe aber hier http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:jJQXfFgNNIAJ:delegibus.com/2005,3.pdf+&cd=5&hl=de&ct=clnk&gl=de einen interessanten Artikel zu dem Thema gefunden. Demnach seien Normen, auf die vor dem Inkrafttreten von § 5 Abs. 3 UrhG in amtlichen Dokumenten verwiesen wurde, weiterhin nach altem Recht zu behandeln und damit gemeinfrei. Gleiches gelte für geringfügige Änderungen dieser Normen, die oft kein eigenes schützenswertes Werk seien, etwa Aktualisierungen der Normen.

    Gibt es in dem Rechtsstreit Ergebnisse? Würde mich interessieren.

    Zu dem Vorwurf „verdeckter Besteuerung“:
    Wäre es vielversprechend deswegen eine Klage einzureichen?

      1. Vielen Dank für die Antwort. Schön, dass weiterhin über den Fall berichtet wird und noch viel Erfolg.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.