Die durchsichtige Taktik der Bundesregierung bei der Vorratsdatenspeicherung

Irgendwann in den kommenden Wochen wird der Europäische Gerichtshof bekanntlich sein Urteil zur Vorratsdaten-Richtlinie der EU verkünden. Nachdem der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen deutlich gemacht hat, dass die Richtlinie in der vorliegenden Form Grundrechte gefährdet und nicht kompatibel mit der EU-Grundrechtscharta ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Gerichtshof das so sieht, recht hoch. Weder die Grundrechtsfeindlichkeit noch die Sinnlosigkeit der Umsetzung auf Grundlage einer delegitimierten Rechtsgrundlage können bekanntlich Teile der deutschen Bundesregierung davon abhalten, weiterhin die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu verlangen und vorzubereiten. Justizminister Maas hatte angekündigt, auf das Urteil zu warten – die Union fand das erstmal keine so gute Idee.

Am Rande der Klausurtagung der Bundesregierung in Meseberg wurde jetzt bekannt, wie der Plan, auf den sich die Miniter Maas und de Maizière schon vor einiger Zeit geeinigt haben, aussieht. Dominik Rzepka hat das Ganze für heute.de aufbereitet:

„Wir werden vorbereitend alles dafür tun, dass nach der Entscheidung sehr zügig dem Bundeskabinett ein Gesetzesentwurf zur Entscheidung zugeleitet wird“, sagen Maas und de Maizière. Im Klartext: Sie arbeiten bereits an einem Gesetz, das ist de Maizière wichtig. Die Bürgerrechte würden aber auf jeden Fall beachtet, das ist Maas wichtig.


In dem Beitrag wird auch nochmals der Innenminister der grün-roten Regierung Baden-Württembergs Reinhold Gall (SPD) mit einem Klassiker der Grundrechtseinschränkungsargumentation zitiert:

Ich möchte verhindern, dass unsere Ermittler etwa im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch Eltern erklären müssen, dass ihnen die Hände gebunden sind, weil ihnen dieses Instrument fehlt.

Der Digitale Gesellschaft e.V. erklärt zur Vorgehensweise der Regierung:

“Es handelt sich dabei um den durchschaubaren Versuch, das umstrittene Thema Vorratsdatenspeicherung aus dem öffentlichen Diskurs zu entfernen”, kommentiert Volker Tripp, politischer Referent des Digitale Gesellschaft e.V. das Geschehen. “Die Koalitionsvereinbarung steht nicht über dem Grundgesetz. Anstatt krampfhaft Einigkeit zu demonstrieren und auf die Einhaltung der Koalitionsdisziplin zu pochen, wäre es die Aufgabe der Bundesregierung, sich auch mit den kritischen Stimmen zu einem politisch wie verfassungsrechtlich derart heiklen Vorhaben wie der massenhaften anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten offen auseinanderzusetzen.”

Die EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten bisher dazu, die Vorratsdatenspeicherung auf nationaler Ebene einzuführen. Mit der Entscheidung des EuGH könnte diese Umsetzungspflicht entfallen, es könnten sich aber auch nur die Vorgaben für das zu schaffende Gesetz verändern. “Dass die Bundesregierung zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung fast ausschließlich auf das Votum des EuGH verweist, zeigt ihre eigene politische Begründungsschwäche in dieser Frage.”, so Volker Tripp. “Sie weiß nur zu genau, dass die Errichtung einer solchen Überwachungsarchitektur auch innerhalb der Parteien der Großen Koalition höchst umstritten ist. Deshalb scheut sie eine Diskussion, die der Öffentlichkeit verdeutlichen würde, dass die Einführung der Vorratsdatenspeicherung alles andere als alternativlos ist und zu Recht auch in den eigenen Reihen zahlreiche Gegner hat. Eine verantwortungsvolle Bundesregierung würde diese Bedenken nicht aus machtpolitischem Kalkül unter den Teppich kehren, sondern sich einem offenen Diskurs mit den Kritikern und der Öffentlichkeit stellen.”

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6 Ergänzungen

  1. Zu Herrn Gall:
    Wenn ich mich nicht täusche, dann werden Kinder meist im familiären Umfeld missbraucht. Also braucht er keine Angst haben mit den Eltern zu reden, weil in den allermeisten Fällen diese auch die Täter sind.

  2. JAJAJAJA Terroristen und KiPo, immer die gleichen scheinheiligen Argumente. Die sollen sich mal was neues einfallen lassen.

  3. @Reinhold Gall

    Wie kann ich verhindern, dass SIE meine Kinder vergewaltigen und misshandeln? Sind in Ihren privaten Wohnräumen und in Ihren Diensträumlichkeiten bereits flächendeckend Videoüberwachungskameras installiert?

    Ich kann es nicht ertragen, dass Sie, Herr Gall, unüberwacht und unkontrolliert in Ihren privaten und dienstlichen Räumen Verbrechen begehen KÖNNTEN! Wie soll ich das meinen Kindern und meiner Frau erklären, dass es noch Menschen gibt, die unbeobachtet Kinder in Privat- und Diensträumen missbrauchen können, weil dort keine Überwachungskameras sind?

    Herr Gall, ich fordere Sie auf, mit gutem Vorbild voran zu gehen, und unverzüglich Überwachungskameras in Ihren Privat- und Diensträumen zu installieren. Selbstverständlich müssen Sie mir als steuerzahlenden Bürger und damit als Ihr Dienstherr jederzeit uneingeschränkten Zugriff sowohl auf die Echtzeitbilder als auch auf die Aufzeichnungen der letzten 10 Jahre gewähren.

    Nur so kann ich sichergehen, dass Sie meine Kinder nicht missbrauchen können. Ihre Privat- und Diensträume sind kein rechtsfreier Raum! Sie haben doch wohl nichts zu verbergen, oder? Dann brauchen Sie sich auch nicht vor Überwachungskameras in Ihren Räumlichkeiten zu fürchten. Dank der Videoaufzeichnungen können Sie ja einwandfrei Ihre Unschuld beweisen.

  4. Reinhold Gall lügt und betreibt widerliche Propaganda für die Totalüberwachung unschuldiger Bürger.

    Reinhold Gall ist ein verfassungsfeindlicher Überwachungsextremist, der nicht nicht davor zurückschreckt, Opfer von Kindesmissbrauch in abstoßender Weise für seine totalitäre Kontrollideologie zu missbrauchen.

    Die Polizei kann schon heute ein umfassendes Arsenal an Telekommunikationsüberwachung auffahren, allerdings meist erst bei konkretem Anlass und begründetem Verdacht. Genau DAS ist der Unterschied zur anlasslosen, verdachtsunabhänigen Präventiv-Massen-Überwachung durch die Vorratsdatenspeicherung!

    Generalverdacht ist ein Verbrechen!

    Wenn Herr Gall wirklich um das Wohl von Kindern besorgt ist, dann sollte er alles dafür tun, dass wir in einer gerechten Gesellschaft mit sozialem Frieden leben. Das ist die beste Kriminalitätsprävention.

    Die meisten Fälle von Kindesmissbrauch geschehen im engen Familien- und Bekanntenkreis, häufig in zerütteten kaputten Familien und Milieus. Da sind die Täter schnell gefunden, ohne Totalüberwachung der unschuldigen Masse des Volkes.

    Los Herr Gall! Statt Millionen und Milliarden in die Überwachungsindustrie zu stecken, investieren Sie in echte Polizeibeamte auf den Straßen und im Innendienst! Investieren Sie in Kindergärten und Erzieher, in Schulen und Lehrer, in Sozialarbeiter und Schulpsychologen, in Kinder- und Jugendarbeit! Kostenlose Schulbücher, kostenloses Mittagessen!

    Polizisten statt Kameras!
    Ermittlung statt Überwachung!
    Sozialer Frieden statt Generalverdacht!

  5. Hat denn schon jemand eine Ahnung, was denn am Tag X passieren soll, wenn der Bundesjustizminister seinen Gesetzesvorschlag einbringt?

    Sind da schon Protestaktionen vor den Parteizentralen von CDU und SPD geplant?

    Wer koordiniert so etwas?

    Wäre nett, wenn dazu mal jemand hinweise posten könnte.

    1. Protest wird nicht nötig sein, denn „die“ haben inzwischen verstanden, dass die VDS nicht nur „die Bürger“, sondern auch sie selber treffen würde.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.