Fühlen uns geehrt: de Maiziere beschwert sich in der FAZ über unsere Agenda-Leaks

veroeffentlichenauch-nporg_300pxUnser Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat eine Seite in der FAZ geschenkt bekommen, um für die Digitale Agenda zu werben. Das nutzt er auch und zwischen Zeilen wird deutlich, dass er sich damit auch als „der echte Internetminister“ innerhalb eines Triumvirates irgendwie auch fürs Internet zuständiger Minister positionieren will. Inhaltlich setzt er nur zwei konkrete Punkte, einmal mit dem geplanten IT-Sicherheitsgesetz und mit seiner Initiative zur Modernisierung der EU-Datenschutzreform, die bisher auch wegen Widerstand aus Deutschland blockiert wurde. Seine Initiative könnte aber auch alter Wein in neuen Schläuchen sein, wie wir letzten Monat schon geschrieben hatten.

Lustig ist, dass er zwei Absätze damit verwendet, sich zu beschweren, dass der erste Diskussionsstand der Digitalen Agenda ins Netz geleakt wurde. Wir fühlen uns geehrt, aber er hätte gerne mal Werbung für uns durch eine Nennung machen können, wenn ihm das Thema schon so wichtig ist:

In der Debatte über die Inhalte der „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung, die in dieser Woche vom Bundeskabinett verabschiedet wird, können wir alle von Morozov beschriebenen Positionen schon heute in der öffentlichen Diskussion finden. Dies hängt auch mit einem weiteren, aus meiner Sicht eher zweifelhaften Aspekt des digitalen Wandels zusammen: seiner enormen Schnelligkeit und der Gier der sogenannten Internetgemeinde (was ist daran eigentlich noch eine Gemeinde?) nach immer neuen Informationen, seien sie auch noch so klein oder vorläufig. So hat es nur Stunden gedauert, bis der erste Entwurf der Digitalen Agenda „geleakt“ wurde. Nur wenig später folgten die ersten Verrisse der Technooptimisten sowie der naiven Technoagnostiker. Sodann wurden zwischenzeitlich durchgeführte Veränderungen und Konkretisierungen des Entwurfs als Einflussnahme der Hauptstadtlobbyisten hochstilisiert und verdammt.

Kleiner Hinweis von unserer Seite: Der erste Entwurf der Digitalen Agenda wurde an einem Freitag vom Handelsblatt zitiert, der das Papier vorlag. Wir haben es im Laufe des Freitags erhalten, aber erst am darauffolgenden Dienstag geleakt, nachdem weitere Medien daraus (lediglich) zitierten. Aber mal abgesehen davon, dass wir den Entwurf ins Netz gestellt haben und er uns nicht nur einfach vorliegt: Würde die Kritik auch kommen, wenn der Entwurf weiter durch die Büros der Hauptstadt-Korrespondenten gewandert wäre und alle darüber geschrieben hätten? Was soll das mit der „Gier der Internetgemeinde […] nach neuen Informationen“, wenn erstmal nur Journalisten darüber berichtet haben (und das immer so üblich ist, wir nur etwas unüblich agieren, indem wir Originaldokumente auch veröffentlichen?) Natürlich kann de Maiziere den Standpunkt vertreten, dass das alles blöd ist, wir bleiben aber dabei, dass ein öffentliches Interesse aus unserer Sicht überwiegt und eine Veröffentlichung legitim ist.

Sein Punkt ist dieser:

Die im Rahmen von Ressortabstimmungen seit Jahrzehnten sinnvolle und geübte Praxis, dass die Fachabteilungen der verschiedenen Ministerien jeweils aus ihrer – teilweise von anderen Ressorts anders eingeschätzten – Fach- und Expertenperspektive heraus versuchen, Änderungen an den bestehenden Entwürfen einzubringen, wird dabei übersehen oder gar ignoriert. Aus gutem Grunde werden daher die Arbeiten an Papieren und Gesetzen der Bundesregierung üblicherweise zunächst intern abgeschlossen, die Ergebnisse danach veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.

Wir haben die „seit Jahrzehnten“ übliche Praxis natürlich nicht übersehen. Aber wenn solche Papiere durchs politische Berlin wandern und den meisten Journalisten und Lobbyisten vorliegen, kann man sie auch gleich veröffentlichen. Warum sollten nur gut vernetzte Menschen daraus zitieren und darauf Einfluss nehmen dürfen? Das mag früher anders gewesen sein. Damals gab es aber auch kein Netz und man musste erstmal Kopien anfertigen und die dann durch Bonn tragen (lassen). Jetzt gibts das Netz und alles geht schneller. Darüber kann man sich beschweren, muss man aber nicht.

Was etwas schade ist: Thomas de Maiziere hätte in den zwei Absätzen auch nochmal etwas mehr die Digitale Agenda erklären können. Wir bleiben bei unserem vorläufigen Fazit: Schön, dass was getan wird. Das Vorgelegte ist aber zu wenig und kommt zu spät.

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14 Ergänzungen

  1. Anstatt sich über das Interesse der Bevölkerung und der damit verbundenen Demokratischen Mitsprache und Teilhabe zu freuen, bleibt er lieber dabei ,dass das Volk alle vier Jahre wählen darf und zwischenzeitlich das Maul zu halten hat.
    Was für ein Laiendarsteller der örlichen Sonderschule, unfassbar dass die noch gewählt werden.

  2. Ich fand die Digitale Agenda eine große Enttäuschung, weil keine klaren ordnungspolitischen Strategien und Maßnahmen formuliert worden, sondern diese Art von Wahlkampfpapierformeln im Keinersollfrieren-Tonfall.

    Es wäre ja etwas ganz anderes möglich gewesen, und ich glaube, das Ministerium hätte das hinbekommen. Wenn man den undifferenzierten „Lobbyvorwurf“ machen möchte, dann verhärtet er sich nicht daran, was im Entwurf steht, sondern was dort alles fehlt, diese Liste ist zu lang.

    Schön immerhin:
    „Mobiles Internet über WLAN soll künftig für jeden und jede verfügbar sein. Wir schaffen Rechtssicherheit beim öffentlichen Zugang zu lokalen Funknetzen, indem wir klarstellen, dass die Anbieter solcher WLANs im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels Cafés als Accessprovider von der Haftung freigestellt sind. Einen entsprechenden Gesetzentwurf werden wir im August 2014 vorlegen.“

    1. Unschön: Damit ist nur Bezahl-WLAN für Touris mit Perso-Vorzeigen gemeint.
      Echtes freies WLAN und die Beseitigung der Störerhaftung. Das ist es was zählt. Und was Deutschland digital irgendwann vielleicht hinterherkommen lässt-
      Bis dahin ist hier weiter finsteres Mittelalter. Egal was die bunten Werbeheftchen darüber sagen, die von Leuten gedruckt werden, die dafür Geld bekommen.

  3. Ihr habt alles richtig gemacht – weiter so!

    Der 1/3-Internetminister muss sich einfach noch ans Internet gewöhnen. Wird noch. Hoffentlich.

  4. Die Obrigkeit will eben über uns Herrschen und das am besten ohne dabei durch irgendwelche Leaks und Kritik infrage gestellt zu werden. Die Real existierende Demokratie kapitalistischer Prägung ist dann eben doch nicht viel mehr als Feudalismus 2.0

  5. ich muss herrn d. bei unserem nächsten treffen unbedingt einen deal vorschlagen: er sagt nicht mehr „internetgemeinde“, und ich nicht „politikerkaste“.

    darf ich bloß nicht vergessen!

    .~.

  6. Man kann ja nicht gierig genug sein…auf Infos meine ich. Und mir ist lieber Originale zu bekommen als Texte die schon filtriert sind .

  7. „Werbung durch Nennung“: sicher, dass der BInnenM euch überhaupt gesehen hat? Das kennt man doch zur Genüge, irgendetwas liegt „der Presse“ vor, aber wird nie verlinkt. Google „findet“ es auch nicht, hat ja schließlich kaum links, ist also irrelevant. Das führt im Ergebnis zu Informationsunterdrückung durch „per se“ relevante Presse und per se unfähige Bewertung solcher Quellen durch google. Nicht dass es früher, speziell ohne google, anders gewesen wäre, aber mit google ist es auch nicht besser. Der einzige Unterschied heute ist, dass noch einige andere „Quellen“ von google eingestreut werden, die zwar qualitativ Schrott sind, aber als Ausgleich hochwertige Anzeigen bieten bzw. selbst per adwords für ihre Relevanz bezahlt haben.

    Was ist so schwer für google, ihre Ergebnisse transparent zu listen? Das wäre mal eine Innovation!

  8. „Dies hängt auch mit einem weiteren, aus meiner Sicht eher zweifelhaften Aspekt des digitalen Wandels zusammen: seiner enormen Schnelligkeit und der Gier der sogenannten Internetgemeinde …“ manche alte Frauen und Männer hatten schon immer Probleme mit Telefon, Eisenbahn und Postkutsche. Im Übrigen dürfte diese Internetgemeinschaft (hä) mit jetzt rund 20 millionen natives wohl eine der größten Gemeinden in Deutschland sein. Ansonsten kann man nur sagen: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.

  9. Na, immerhin sind die Feindbilder klar. Die Technooptimisten und naiven Technoagnostiker sind Schuld. Wen meint TdM damit eigentlich? Überhaupt: Technoagnostiker – hört sich ja toll an, aber was sollen Technoagnostiker sein? Technomancer kenne ich, Technomagier auch – aber Technoagostiker?

    Ich entnehme seinen Worten jedenfalls, dass Informationsverbreitung – noch dazu schnelle, über öffentliche Kanäle – dem Herrn nicht geheuer ist und (siehe ‚zweifelhaft‘) vielleicht am besten sogar kontrolliert / eingeschränkt / abgeschafft gehört. Passt schon, IT-Standort Deutschland und so…

  10. Könnte mal jemand die Definition von ‚Leaks‘ klären?

    Vor kurzer Zeit war das noch „Veröffentlichung von nicht-zugänglichen Dokumenten mit gewissem Informationswert“ wärend das hier mit „Veröffentlichung von Entwürfen von Dokumenten die später mal veröffentlicht werden müssen und werden“ benutzt wird.

    Und auch wenn ich unserem derzeitigen BMI kritisch gegenüberstehe; er hat schon ein bisschen Recht mit dem gegackere über ungelegte Eier…

  11. „Internetgemeinde“, der Typ meint wahrscheinlich auch das es eine Autogemeinde gibt oder das es sich bei Facebook um ein „Soziales Netzwerk“ handelt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.