Bundesregierung will Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten

Die Mitgliedstaaten der EU (.pdf) sowie die EU-Kommission setzen sich intensiv dafür ein, eine Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten (EU-PNR) einzuführen.

Über fünf Jahre will man Daten von Flugreisenden (PNR) auf Vorrat speichern, darunter Informationen über den gesundheitlichen Zustand der Passagiere, Essenswünsche und Daten über Mitreisende. Bis zu 60 Einzeldaten werden so bei einem einzelnen Flug pro Passagier gespeichert.

Re-Identifizierung“ nach Anonymisierung

In einer kleinen Anfrage (.pdf), hat der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko erneut versucht, die Position der Bundesregierung zu diesen Plänen in Erfahrung zu bringen – auch im Hinblick auf das kürzlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung. Das Ergebnis: Die Bundesregierung hält die Einführung einer weiteren Vorratsdatenspeicherung nach wie vor für wichtig und richtig, jedoch müssten „die Auswirkungen“ des Urteils „miteinbezogen werden“. Die Bundesregierung beteuert, sich daher für eine „deutliche Kürzung der Speicherdauer“ einzusetzen, bislang allerdings ohne dies mit einem konkreten Vorschlag auszufüllen. Ob die Forderung von Erfolg gekrönt ist, bleibt zudem fraglich, da sich neben Deutschland nur Luxemburg und die Niederlande für eine Verkürzung der Speicherdauer stark machen.

Absurd sind in diesem Zusammenhang die Pläne, die Daten nach 30 Tagen zu anonymisieren. Zwar fordert die Bundesregierung, „dass die Möglichkeiten zur „Re-Identifizierung“ nach Anonymisierung auf das erforderliche Maß eng begrenzt werden müssen.“; unklar bleibt jedoch, wie man hier überhaupt von einer Anonymisierung sprechen kann, da der Begriff gerade meint, dass eine Personalisierung gänzlich ausgeschlossen ist.

Keine Begründung für Datensammlung

Warum die Fluggastdaten überhaupt gesammelt werden sollen, kann die Bundesregierung ebenfalls nicht schlüssig darlegen. Schon jetzt werden Passdaten unter den Staaten ausgetauscht, so dass man weiß, wer wann wohin fliegt. Zudem ist der Bundesregierung bekannt, dass 450 deutsche Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland nach Syrien ausgereist sind, „um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen.“ Bekannt ist auch, dass ein Drittel der Personen bereits wieder zurück nach Deutschland gereist sind. Die vorhandenen Ermittlungsinstrumente reichen offenkundig aus, um diese Erkenntnisse zu gewinnen. Die Bundesregierung erklärt dazu lapidar, dass PNR-Daten „wesentlich umfassender“ seien, und daher „für die Gefahrenabwehr/Strafverfolgung einen Mehrwert bringen kann.“ Konkret wird die Bundesregierung jedoch nur an zwei Stellen: „Informationen über Mitreisende können Hinweise auf weitere relevante und bislang unbekannte Personen oder gar auf geeignete Quellen ergeben“. Diese Informationen werden aber nur offensichtlich, wenn die Terroristen als Reisegruppe gemeinsam ein Gruppenticket buchen – und das ist mehr als unwahrscheinlich. Daher will die Bundesregierung die Daten darüber hinaus für Profilingzwecke nutzen. Ebenso wie dies bereits durch die EU-Kommission in dem Richtlinienvorschlag (.pdf) angedacht hat, will man „bisher „unbekannte“ Personen, die genauer überprüft werden müssen, identifizieren.“

Mit derartigen algorithmischen Vermutungen wird jeder Reisende zum Verdächtigen. Fehlinterpretationen gehören bei solchen Verfahren zur Tagesordnung und verringern den Nutzen solcher Datensammlungen eher, als dass sie zur Effektivität beitragen können.

Welchen tatsächlichen Mehrwert die Sammlung von PNR-Daten aller Reisender hätte, bleibt weiter offen. Der damit einhergehende Grundrechtsverlust ist zudem keinesfalls verhältnismäßig.

Crosspost von nopnr.org

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12 Ergänzungen

  1. Fliegen ist ohnehin total unökologisch :) Wir sollten das einfach ganz sein lassen. Es gibt ja unüberwachte Konferenzschaltungen über das Internet …………….

    kann mal jemand die pappnasen abwählen?

    1. wenn das mit dem Abwählen so einfach wäre… Diese alte Säcke die in den Parteien festsitzen werden eh nur blind von den seit Jahren also Parteizombies herum laufenden Anhänger gewählt. Da kannste lange auf ne Veränderung warten!

      1. Und was machen wir dann?

        Ich meine das kann so nicht weitergehen. Geht ja neben völlig überbewerteten Grundrechten mit so unwichtigen Randdetails wie dem Klimawandel durchaus um handfeste existenzielle Fragen …

  2. Also eigentlich Frage ich mich immer wo solche Daten wie gesundheitlicher Zustand der Pasagiere oder Essenswunsch herkommen sollen. Vor dem Flug hat mich noch nie jemand nach einem Essenswunsch gefragt und wenn dann hätte ich da eh Mettbrötchen geantwortet.

    Ich denke das wertvolle was man aus den PNR abschöpfen kann ist Name + Ausweisidentnummer was zur Meldeanschrift führt, Start und Ziel was ein mehr oder weniger genaues Bewegungs- oder Aufenthaltsprofil ergibt und geegbenenfalls Zahlungsinformationen. Ich bin mir aber sicher, dass man sich eine falsche Meldeanschift besorgen kann und auch die Zahlungsinformationen verschleiern kann. „PNR“ gibt es übrigens auch schon für Hotels und das schon sehr lange. Dort isses halt über das Melderecht realisiert.

    Noch viel komischer finde ich, dass man anscheindend davon ausgeht, dass gutbetuchte Terroristen mit dem Flugzeug Richtung Türkei reisen. Also mir hat mal ein türtischstämmiger Nachbar erzählt, dass die Reise von Deutschland in die Türkei mitm alten Benz auch kein Höllenritt ist.

    1. Also ich habe es schon erlebt, dass man (auch bei den Billigflügen innerhalb Europas) ein Essen bestellen kann (kostet dann halt mehr), das dann gesondert gebracht wird. Erst werden die bestellten Essen gebracht, danach bekommen alle anderen Gäste noch ein Sandwich und einen Keks. Vermutlich hast Du immer die günstigste Alternative gewählt (wie ich auch).

    2. Bin ernsthafter Tierschützer und als solcher selbstverständlich Veggie. (Tiere sind meine Freunde und -wie auch G.B. Shaw- esse ich sie nicht.) Ich kann bei jedem Flug veg. Essen vorbestellen, was dann eifrigst übermittelt wird. Ich befürchte, dass man mich dann auf der anderen Seite des großen Teichs als besonders raffinierten Moslem ansieht, der auf diese Weise kaschiert, dass er kein Schweinefleisch ißt.

  3. Wie ich höre ist Österreich weiterhin komplett gegen die PNR-Richtlinie, leider recht allein. Es wird wohl mal wieder auf das Europäische Parlament ankommen.

  4. @all

    Ich finde ja, wir als Community sollten in diesem wie auch ähnlichen Überwachungsplänen viel stärker die finanzielle Dimension hervorheben. Kosten und Nutzen stehen bei solchen Datensammlungen und -auswertungen in keinem Verhältnis. Mit Kosten sind nicht nur die Freiheitsverluste, sondern natürlich vor allem die monetäre Seite gemeint.

    Viele Bürger, die sonst gerne „nichts zu verbergen haben“, verstehen beim Thema Geld sehr schnell und intuitiv, dass die Regierungen uns verarschen wollen.

    1. Warum spielt Geld keine Rolle, wenn es um mehr „Sicherheit“ vor Terroristen und sonstigen Verbrechern geht? Um jeden Preis soll jedes Terroropfer verhindert werden.
    2. Warum ist bei der Bekämpfung von Krankenhauskeimen, Antibiotikaresistenzen und Ärztefehlern kein Geld da? Die realen Todesraten durch die genannten Gefahren im Gesundheitssektor übersteigen die terroristisch oder kriminell induzierten Todesraten um Größenordnungen.
    3. Warum ist kein Geld für Kindergärten, Altenpflege, Schulen und Unis da? Bildund und soziale Sicherheit sorgen für weniger Kriminalität, weil weniger Menschen auf die schiefe Bahn geraten.
    4. Fragt mal Eure Abgeordneten, warum das Steuergeld der „Sicherheits“industrie hinterherwerfen, während Eure Kinder in überfüllten Klassen in maroden Schulen sitzen oder zuhause, weil es keinen Krippenplatz gibt.
    5. Am Ende geht es um Korruption. Die Politiker, die heute Steuergeld für „Sicherheits“programme verschwenden, sitzen morgen mit hochdotiertem Posten in der „Sicherheits“industrie. Zeitversetzte Korruption nennt man das.

    1. „Terror! Terror! Terror!“

      … und schon ist deine schöne Argumentationskette beim gemeinen „Terror“-Angstklienten aus dem Arbeitsspeicher geputzt. Hoffentlich hilft es dennoch bei Personen, die sich trotz unablässiger Propaganda Reste eines eigenen Urteilsvermögens behalten haben.

  5. Hallo zusammen,

    ich gehe davon aus, dass unsere Bundesdatenschutzbeauftragte sich darum kümmert. Sie ist ja schon durch sechs Meldungen aufgefallen und wird unsere Grundrechte selbstlos vehement verteitigen.

    Weiter so Frau Andrea Voßhoff, mit ihnen wird alles gut.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.