Australischer Geheimdienst: Brauchen Vorratsdaten wegen Snowden

Wir sind in der Debatte um die Einführung und den Ausbau von Überwachungsmaßnahmen ja einiges gewohnt. Polizeigewerkschafter wie der notorische Rainer Wendt und Arnold Plickert, Vertreter von Strafverfolgungsbehörden, Geheimdiensten und Law-and-Order-Politiker tun sich immer wieder mit erstaunlichen Einfällen hervor, wie man grundrechtseinschränkende Maßnahmen begründen kann.

Warum sollte das in Australien anders sein? Dort flammt die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung gerade wieder auf, nachdem Mitte letzten Jahres ein erster Vorstoß zur Einführung der anlasslosen Massenüberwachung zunächst beerdigt, bzw. besser: in künstliches Koma versetzt worden war.

Auch Pferdesportler wollen Ermittlungsbehörde sein

Im Rahmen einer parlamentarischen Konsultation zur Überarbeitung der Rechtsgrundlage für Telefonüberwachung, dem Telecommunications (Interception and Access) Act 1979, wurden die Wünsche verschiedener Organisationen, darunter auch der Inlandsgeheimdienst und verschiedene Ermittlungsbehörden, eingeholt. Neben Kuriositäten wie der Forderung des Pferderennsport-Dachverbands, seine Mitgliedsverbände als Ermittlungsbehörden anerkennen zu lassen, damit diese Zugriff auf abgehörte Telefonate erhalten können, gingen dabei die Polizeien der Bundesstaaten Northern Territory und Victoria am weitesten beim „Wünsch-dir-was“ und schlugen die Speicherung aller besuchten Internetseiten vor.

Die Australian Commission for Law Enforcement Integrity, also die Behörde, die schauen soll dass Strafverfolgungsbehörden sich halbwegs korrekt verhalten, begründet die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung mit einem Fallbeispiel: Vor kurzem schien es, als seien sensible Informationen zu einer Strafverfolgungsbehörde über das Kontaktformular einer Webseite übermittelt worden. Man habe die entsprechende IP-Adresse sicherstellen können, aber der Provider habe nicht weiterhelfen können da er die entsprechenden Daten nur „einige Monate“ aufbewahrt habe und sie bereits gelöscht worden waren. Dies sei nur ein Beispiel, an dem man verdeutlichen wolle, dass Vorratsdatenspeicherung nötig sei um die Gesetzeskonformität des Verhaltens von Strafverfolgungsbehörden überprüfen zu können. Man kann der Behörde zu Gute halten, dass sie zumindest originell argumentiert.

Logik: Snowden -> Verschlüsselung -> Vorratsdaten

Und die Australian Security Intelligence Organisation (ASIO), einer der Geheimdienste des Landes, steht in dieser Beziehung in nichts nach. Eine wesentliche Argumentationslinie in ihrer Stellungnahme: Wegen Snowden gäbe es mehr Verschlüsselung. Um die Späh-Fähigkeiten des Geheimdienstes aufrecht zu erhalten, müsse der dadurch entstandene Ausfall durch die verstärkte Sammlung von Metadaten ausgeglichen werden.

In direct response to these leaks, the technology industry is driving the development of new internet standards with the goal of having all Web activity encrypted, which will make the challenges of traditional telecommunications interception for necessary national security purposes far more complex. […] ASIO seeks no change to the rules for access to and use of telecommunications data for national security purposes, but would like to see the obligations for retention of that data for a specified period prescribed in law

Ausserdem beruft sich ASIO auf die prima Praxis der Europäischen Union:

Nearly every ASIO investigation, including those into emerging threats, requires access to telecommunications data of some form. This is the reason ASIO has been seeking a regime, along the lines of the one in operation in the European Union, whereby companies providing telecommunications services are responsible for retaining telecommunications data for a set period of time.

Die Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen ist bekanntlich vor kurzem höchstrichterlich als inakzeptabler Eingriff in die Menschenrechte klassifiziert worden. Aber um das vorauszusehen, hätten sich die Verfasser der Stellungnahme mit Grund- und Menschenrechten auskennen müssen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

Eine Ergänzung

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.