Aggressivität im Netz: Wenn der Leser zum Tier wird

Auch bei Tagesschau.de macht man sich Gedanken, was man mit den Kommentarspalten anfangen soll: Aggressivität im Netz – Wenn der Leser zum Tier wird.

In der der Redaktion von tagesschau.de passen Moderatoren auf, dass solche Dinge nicht auf der Seite veröffentlicht werden. Bei bis zu 2000 Kommentaren täglich haben sie gut zu tun. Nicht immer stoßen sie bei ihrer Arbeit auf Verständnis: „Ihr dreckigen Minusmenschen! – Die ihr (…) BEWEISKRÄFTIGE Kommentare, die eure Lügen-Propaganda-Maschinerie ENTLARVEN, blockiert. Ihr gehört an euren Innereien an der Reichstagskuppel aufgehängt!“

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18 Ergänzungen

  1. dass Aggressivität im ARD-Blog ein Problem darstellt, ist unglaubwürdig. Denn derartige Beiträge werden dort von bezahlten Moderatoren gar nicht erst veröffentlicht. Oder ist jemand der Meinung, die Forenmoderatoren bekommen dadurch schlechte Träume? Albern.

    Es geht der ARD und auch anderen Medien offenbar eher um darum, dass der Gegenwind weniger sichtbar wird. Den Gegenwind bekommen die aber häufig zurecht. Eines von vielen Beispielen:

    http://blog.tagesschau.de/2014/11/17/putin-einsam-oder-nicht-einsam/

    Ohne Kommentare wäre der dortige Artikel unerträglich.

    1. dass Aggressivität im ARD-Blog ein Problem darstellt, ist unglaubwürdig. Denn derartige Beiträge werden dort von bezahlten Moderatoren gar nicht erst veröffentlicht.

      Preisfrage: Wer muss sich die Kommentare durchlesen, bevor sie veröffentlicht werden? (Ich weiß, das ist eine rhetorische Frage, aber ich antworte hier ja auch nur auf einen qualitativ hochwertigen Kommentar). Und würdest Du den Job machen?

      1. sag‘ bloß die Intendanten müssen sich die Kommentare bei der ARD durchlesen? Ich dachte schon es sind mäßig bezahlte Studentenjobs. Hast Du was gegen Studentenjobs?

      2. Ich würde den job machen, würde mich aber auch schlecht fühlen wenn man gesagt bekommt man solle Kritische Kommentare löschen. Seh ich immer öfter, auch das Astroturfing von Moderatoren um Meinungen zu ändern.

      3. mich erinnert das an „stolz der toten“ von kenzaburo oe. manch ein job fühlt sich, wenn man ihn täglich tut, anders an als wenn man ihn sich gelegentlich vorstellt.

        gutes buch über einen studentenjob – und nicht viel länger als eine woche netzpolitik.org-artikel.

        .~.

      4. Preisfrage: Lohnt es sich noch, für ein offenes Netz zu kämpfen, wenn man dasselbe zu einer Sammlung toter Plakatwände mit angeschlossener Shoppingmeile degradiert, weil man die eigene Spezies nicht auszuhalten vermag?

  2. Ich glaube ja, dass den Leuten so langsam auffällt wieviel Unsinn ihnen in den Leitmedien erzählt wird. Einige reagieren sich dann im Forum/Kommentar ab, mache wollen schlicht randalieren und der Troll setzt dann mit einem gekonnten Kommentar wieder alles in Flammen.

    Hab seit dem Usenet auf die eine oder andere Art öffentliche Foren moderiert und mir ist speziell aufgefallen, dass Foren immer dann spektakulär den Bach runter gingen, wenn die Nutzer das Vertrauen in das Forum (oder die Moderation) verloren hatten.
    Die Mehrheit der stillen Mitleser schwindet dann und die Schreihälse werden immer ‚lauter‘. Wenn das hier auch so ist, sollte die Tagesschau ihre Kommentarfunktion dicht machen.

    Alles in allem glaube ich aber, dass sich die Leitmedien das selber eingebrockt haben. Was sie gerade an Flamewar abbekommen ist nur ein geringer Teil des Zorns, die die Leute spüren.
    Ich wünschte ja, dieser Zorn würde sich dann in konstruktive Aktionen für etwas niederschlagen; aber im Grunde genommen, wollen sich die meisten einfach nur auskotzen und dann weiter so leben wie bisher. XD

    1. Mir fällt die immer größer werdende Kluft zwischen Journalist und Leser auf allen möglichen Seiten auf. Von Politik bis zu Technologie.

      Mag an vielen dingen schuld sein, zum einen das sich der Leser nicht mehr mit Schreibern identifizieren kann, da Schreiber mehr für ihre Kollegen schreiben.
      Zum anderen Liest man auch Aggressivere Töne in den Artikeln, das spiegelt sich auch in den Kommentaren wieder. „Wie man in den Wald hineinruft…“

  3. Die Menschen sind durch den dauernden Kriegszustand seit 2001, die Hartzer Reformen und die Dauer-Wirtschaftskrise halt genervt. Anpassungsdepression. Ich kann das nachempfinden. Ich halte mich auch nur deshalb zurück, weil das virtuelle verbale Austicken halt nun mal kontraproduktiv ist, es fördert nur die Ziele der Überwacher.

    Wenn unsere „Eliten“(tm) ein friedliches Volk haben wollen, dann sollen sie ihm halt Frieden geben und es nicht ständig weiter stressen. Wer Wind sät, der erntet halt Sturm, oder auch actio = reactio.

  4. Vielleicht funktionieren Kommentarspalten ab einer gewissen Publikumsgröße und -breite nicht mehr und man muss einfach nur den richtigen Zeitpunkt finden, zu dem man sie schließen muss.

    1. Wobei aus Gründen der Arbeitserleichterung und Meinungseinfalt ein Zeitpunkt „Kommentargrösse = NULL“ sehr empfehlenswert ist. Wie bspw. zu DDR-Zeiten. Da hiess das Wandzeitung und die hatte das alleinige Ziel, die darauf veröffentlichte Mitteilungen zuverlässig direkt der vollständigen Ignoranz der Vorbeieilenden zuzuführen.

      1. Ich meine, die Auseinandersetzung mit Nachrichten verbessert sich, wenn man sie direkt kommentieren kann.
        Meinst du, die Auseinandersetzung mit Nachrichten findet barrierelos statt, wenn man sie nicht direkt kommentieren kann?

      2. Nicht ganz sicher, was du mit barrierelos meinst, aber da nur ein Bruchteil der Leser kommentiert, ich aber nicht davon ausgehe, dass die Nichtkommentierenden die Nachrichten ignorieren, sehe ich nicht ein grundsätzlich ein Problem damit, nicht direkt unter dem Artikel kommentieren zu können. Zumal sich ja auch generische Kommunikationskanäle, wie das persönliche Umfeld, Blogs, Foren oder Social Media als Kommentar-„Outlets“ anbieten.

      3. Hi André,
        was ich so unschön finde ist der Habitus: „Meinung posten? – Dann geh doch zu : Facebook“.
        Barriere:
        Findet die Diskussion zum Thema dort überhaupt statt? Ich habe dort keinen Account. Ich will dort keinen Account. Ich mag Facebook nicht.
        Result:
        Kein Kommentar.

  5. Man hat sich und die anderen für klüger und ausgeglichener gehalten. Das war aber nur so, weil man den Leuten nicht in den Kopf und ins Herz gucken konnte. Durch die Verschriftlichung des täglich Ausgesprochenen (und still Gedachten) entdecken wir nun, dass da noch ein Weg ist hin zu mehr Ausgeglichenheit, Streitkultur und reflektierter Leidenschaft.

    Aufgabe gerade eine öffentlich-rechtlichen Mediums wäre nun, sich dieser gemeinschaftlichen, sich in jedem Individuum widerspiegelnden Aufgabe zu stellen.

    Stattdessen soll die Chance auf eine breitere bürgerliche Debattenkultur technisch abgeschnitten werden, weil man diesem Bildungsauftrag, den man jahrzehntelang meinte zu erfüllen, nun sehr konkret wird.

    Statt Kommentarspalten abzuschalten, wäre es imho die Aufgabe gerade der Öffentlich-Rechtlichen jenseits der üblichen Panik- und Stimmungsmache gegen das böse, ungezähmte Netz™ hier an einer Verbesserung zu arbeiten – denn schliesslich geht es um eine wichtige Verbesserung der medialen Öffentlichkeit.

  6. Wenn die klassischen Medien Angst vor der Meinungsfreiheit haben, dann wird eben Facebook einspringen. Dort gibt es keine Vorzensur, wie Markus sie vorschlägt. Wir hatten auch nie eine Vorzensur auf der Speakers Corner im Hyde Park, auf der Straße und auf dem Stammtisch. Bei uns darf jeder seine Meinung sagen. Wenn di eMedien das nicht mögen und nur die Pressefreiheit implementieren wollen, dann wird das ihren Niedergang beschleunigen. Wir haben genügend Gesetze um Straftaten zu verfolgen. Nur sollten wir das den Rechtsstaat wie bisher machen lassen und nicht Private Vorzensoren. Soviel Rechtsstaat sollte sein.
    Jens Best hat ja recht: da ist noch Luft, um einen charmanten Umgang miteinander einzuüben. Aber auf der Straße haben wir auch keinen neben uns laufen, der sich unsere Meinung erst flüstern lässt, bevor wir sie offen und öffentlich sagen.
    Und wenn der Flamewar zu deftig wird, gibt es auch immer noch wie schon vor 30 Jahren die Möglichkeit, in den Asbestanzug zu steigen :-)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Flame_%28Netzkultur%29
    „Arguments over the ratification of the United States Constitution were often socially and emotionally heated and intense, with many striking at one another with local newspapers. Also, such interactions have always been part of literary criticism.“
    Das war 1788 :-)
    http://en.wikipedia.org/wiki/Flaming_%28Internet%29

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