Abhören, wo andere Urlaub machen: NSA schneidet Telefongespräche auf den Bahamas mit

The Intercept hat neue NSA-Dokumente veröffentlicht, die zeigen, dass die NSA den gesamten Telefonverkehr auf den Bahamas verdeckt mitschneidet, aufzeichnet und für circa 30 Tage speichert. Die Spähaktion läuft unter dem Namen SOMALGET und ist Teil des MYSTIC-Programmes. MYSTIC war im März an die Öffentlichkeit gebracht worden und bereits damals redete man von zwei Ländern, deren Telefongepräche komplett aufgezeichnet würden, sowie weiteren drei Ländern, bei denen man zumindest die Metadaten komplett erfasse, während es für weitere noch Speicherengpässe gebe.

Als diese drei identifizieren die veröffentlichen Dokumente Mexiko, Kenia – in Zusammenarbeit mit der CIA – und die Phillipinen – in Zusammenarbeit mit Australien. Das zweite komplett abgehörte Land wird aufgrund „spezifischer und glaubwürdiger Bedenken, dass dies zu Gewalt führen könnte“ nicht namentlich erwähnt. Fraglich ist jedoch, ob das Land nicht bereits bekannt ist, denn bereits Ende März wurde von NSA-Vertretern „enthüllt“, dass man den Irak vollständig abhöre, worüber auch The Intercept selbst berichtete. Plausibel ist jedoch, dass der Irak später dazukam – die NSA gestand in einem internen Memo ein, zuerst nur die Hälfte der Gespräche dort aufzeichnen zu können –  und es sich hier um ein anderes Land handelt. Das legen auf die geschwärzten Passsagen der Dokumente nahe, die ganz pragmatisch gesehen zu lang für das Wort „Iraq“ sind, wie zum Beispiel hier:

nsa_bahamas

Die Überwachungsberechtigung, die auf einer Anordnung aus der Reagan-Ära fußt und die das Vorgehen auf den Bahamas als rechtmäßig absegnete, wurde unter dem Mantel der Bekämpfung von Drogenhandel und -schmuggel ausgestellt, in Zusammenarbeit mit der US-Drogenvollzugsbehörde. Dadurch wurden über 350.000 Bahamaer Gegenstand der totalen Kommunikationsüberwachung. Das Terrorismusargument hätte diesmal nicht greifen können, da die Bahamas vom US-Innenministerium im Rahmen eines Berichtes als keine Gefahr deklariert wurden.

Dank des in den Memos gelobten „großen Erfolges“ von SOMALGET und dessen Nutzen für die retrospektive Überwachung von Zielen, derer man sich im Vorfeld noch gar nicht bewusst war, wurde laut Aufzeichnungen aus dem Jahr 2012 erwogen, weitere Länder in die Erfassung mit aufzunehmen. Dabei dürfte die US-Drogenvollzugsbehörde ein nützlicher Partner sein, denn diese ermöglichte mutmaßlich bereits des Öfteren die Einrichtung von Abhörpunkten. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Behörde nannte sie eine Späheinrichtung und einen integralen Part der Geheimdiensteinrichtungen:

Our mandate is not just drugs. We collect intelligence. […] On our reports, there’s drug information and then there’s non-drug information. So countries let us in because they don’t view us, really, as a spy organization.

Auch ein Memo aus dem Jahr 2004 spricht von fruchtbarer Zusammenarbeit, bei der „die Grenzen der zwei Missionen verschwimmen“.

Ein weiterer maßgeblicher Grund, ausgerechnet die Bahamas abzuhören, dürfte jedoch nicht in der Zusammenarbeit mit der Drogenvollzugsbehörde liegen: Die Bahamas sind durch ihre vergleichsweise kleine Bevölkerung einer idealer Spielplatz, um Überwachungssysteme oder -erweiterungen zu testen, da die Dimensionen verhältnismäßig gering sind. Die ließen sich dann auf größere, für die USA relevantere Ziele übertragen. Und da die NSA bereits 2012 erwähnte, ihre Zielnationen aufweiten zu wollen, können wir gespannt sein, ob und wer in der Zwischenzeit noch dazugekommen ist.

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5 Ergänzungen

  1. Weiß man mit welcher Schriftart der Text geschrieben wurde und welche Schriftgröße er hat? Dann könnte man alle englischen Landnamen mal durchprobieren und schauen ob die Länge passt um das geschwärzte Land zu finden :)

    Greetz,
    GHad

      1. Uh ok… Wenn das wirklich da drin steht, dass die einen Full-Take auf die „neutrale“ Schweiz gemacht hätten… Ich glaube da bleibt es besser schwarz :) Das würde definitv zu Gewalt führen…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.