Verkehrsministerium ist auch für Netzneutralität zuständig

Mittlerweile ist klar, welche netzpolitischen Zuständigkeiten das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastrukturen aus dem Wirtschaftsministerium übertragen erhält. Der Organisationserlass der Bundeskanzlerin (BKOrgErl) gibt einen Überblick:

Dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur werden aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Zuständigkeiten übertragen für

1. TK-Wirtschaft, Breitbandstrategie,
2. Telekommunikationsrecht

einschließlich der diesbezüglichen Fachaufsicht über die Bundesnetzagentur. Die Aufsicht über die Bundesnetzagentur im Übrigen verbleibt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Zuständigkeitsübertragung schließt deren europäische und internationale Bezüge sowie die Grundsatz- und Planungsangelegenheiten ein.

Damit wird das Verkehrsministerium zukünftig auch für alle Fragen rund um die Netzneutralität zuständig sein.

In der Bild am Sonntag hat Verkehrsminister Dobrindt Fragen zu seiner Aufgabe und seinen Internetaktivitäten beantwortet. 140 Zeichen auf Twitter reichen ihm nicht aus, die Welt zu erklären und seine Facebook-Fanpage lässt er weiterhin von seinem Büro erledigen. Auf die Frage, wofür er das Internet nutze, gibts die Nicht-Antwort:

Für mich ist das Internet ein gigantisches Projekt als Informations- und Kommunikationszentrum mit schier unerschöpflichem Potenzial.

Unklar ist weiterhin die Frage, woher das Geld für den Breitbandausbau kommt. Dobrindt deutet im Interview an, dass er insgesamt für alle Infrastrukturen fünf Milliarden in den kommenden vier Jahren zur Verfügung hat. Ob das komplett in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt wird oder auch in den Breitbandausbau geht, ist unklar. Allerdings sollte klar sein, dass selbst das alleine für den Breitbandausbau nicht reichen wird. Aber keine Panik, es gibt Plan B:

Beim Ausbau im Breitbandbereich setzen wir aber vor allem auf Anreize für Investoren. Ich will das Netz nicht verstaatlichen, sondern privat betriebene Netze.

Klingt nach mehr Drosselkom wagen. Dazu passt auch die nächste Antwort, die wie aus dem Deutsche Telekom-Lobby-Prospekt auswändig gelernt klingt:

Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt. Nur so kann der Vorsprung in Technologie und Wohlstand gehalten werden.

Netzneutralität wird auch angesprochen:

Wird es künftig eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Netz geben oder sollen alle Daten gleich schnell übertragen werden?

Ich will ein Netz frei von Diskriminierungen. Das betrifft sowohl die Datenströme als auch den Zugang. Es könnte aber sein, dass es in Zukunft für bestimmte medizinische Daten Vorrang-Mechanismen geben muss, zum Beispiel dann, wenn es um Menschenleben geht.

Seit der Drosselkom-Debatte wissen wir ja, dass „frei von Diskriminierungen“ auch heißen kann, dass alle für die Überholspur im Zweiklassen-Netz bezahlen können müssen und das dann in Ordnung ist.

Etwas positiver klingt wenigstens die Antwort auf die Frage zum NSA-Skandal. Dobrindt lässt anklingen, dass zukünftig massiv in IT-Sicherheit investiert werden soll.

Derzeit gibt es kein Sicherheitssystem, das die Vertraulichkeit von Daten zu 100 Prozent garantiert. Das ist untragbar für die Zukunft. Wir müssen wieder Vertraulichkeit im Netz garantieren können und als Deutsche und Europäer unsere digitale Souveränität zurückgewinnen. Dafür werden wir viel Geld ausgeben müssen. Ich erinnere an die große Technologieoffensive der 80er-Jahre von Franz Josef Strauß in der europäischen Luft- und Raumfahrt.

Das findet sich auch so im Koalitionsvertrag wieder. Bleibt zu hoffen, dass das Geld nicht in irgendwelchen komischen Sicherheitsprogrammen landet, die nicht vertrauenswürdig sind sondern dass die Bundesregierung konsequent in Open-Source-Technologien investiert, die nachvollziehbar und damit vertrauenswürdig sind. Die Investitionen werden aber wohl im Wirtschaftsministerium und nicht im Verkehrsministerium geplant.

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11 Ergänzungen

  1. Die verhalten positive Bewertung der Antwort von Dobrindt zum NSA-Skandal halte ich nicht für angebracht. Die Formulierung zur IT-Sicherheit – insbesondere „Wir müssen wieder (…) als Deutsche und Europäer unsere digitale Souveränität zurückgewinnen.“ – klingt für mich nach #schlandnet. Das wäre dann also, wie bei der Antwort zur Netzneutralität – eine Wiederholung des Standpunktes der Telekom.

  2. Ich finde „Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt.“ sehr interessant: Der Witz am Internet ist doch, dass die „Intelligenz“ nicht im Netz selbst sondern an den Rändern sitzt. Das Netz enthält nur so viel Intelligenz, dass die Pakete richtig geroutet werden können. Die Forderung nach dem „intelligentesten Netz der Welt“ klingt für mich daher nach Abschaffung der Netzneutralität u.a.

    1. Für mich klingt es nach einer gesetzlichen Festlegung der Netzneutralität. Ein „intelligentes Netz“ würde nämlich nicht, wie manche Provider das machen, P2P-Traffic drosseln, sondern ihn im technischen „Idealfall“ sogar bevorzugen.

      Ist natürlich in diesem Fall Unsinn, Dobrindt wird lieber drosseln lassen.

  3. An der Bemerkung zu medizinischen Daten merkt man ja schon, dass der Mann keine Ahnung hat und nur populistischen Unsinn von sich gibt. Stattet die Bevölkerung einfach mit ordentlichem DSL aus und schon braucht man keine Diskriminierung mehr. In Städten mit durchschnittlicher Infrastruktur macht der Vorschlag ja sowieso keinen Sinn, weil Krankenhäuser ja meist schon direkt am lokalen Netz hängen und daher entsprechend hohe Brandbreiten zur Verfügung haben.
    Auf dem Land wird der Arzt gar nicht erst versuchen ein HD-Video zu verschicken.

    Ich bin kein Experte, aber macht es wirklich einen Unterschied, ob eine Mail mit Patientendaten 0,0002 Sekunden früher ankommt, weil sie mit Blaulicht unterwegs war?

    1. Na, das spielt sicherlich auf das Telemedizinbeispiel an, dass seit Jahren herangezogen wird, wenn man „quality of service“ rechtfertigen will. Sprich wenn ein Chirurg auf Kontinent A einen Operationsroboter auf Kontinent B bedient, muss sein Netzverkehr priorisiert werden.

      Aus meiner Sicht ist es ein Kunstfehler jemanden über das öffentliche Internet zu operieren. Viel Spass bei den Prozessen.

  4. Ich schlage vor den Typen anzuschreiben – naja oder seinen Verwalter halt aber ihn zu bitten das wirklich an den Verkehrsminister heran zu tragen. Sprich dass in Open Source investiert werden soll weil 1. kostenlos 2. sicherer 3. oft benutzerfreundlicher und 4. oft besser

    Traut euch ruhig das bringt ne Menge die Leute oder Behörden direkt anzuschreiben

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