Unseriöse Geschäftspraktiken: Bundestag bringt Gesetz auf den Weg, das nichts an der Abmahn-Industrie ändert (Update)

Die Abmahn-Industrie gegen Filesharing im Internet soll auch weiterhin nicht wirksam eingeschränkt werden. Das beschließt der Deutsche Bundestag gerade in erster Lesung. Der Gesetzentwurf sollte eigentlich den zunehmenden Missbrauch von Abmahnungen bekämpfen – jetzt wurde ein ohnehin untauglicher Gesetzestext noch einmal verschlimmert.

Nach der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ diskutiert der Deutsche Bundestag in diesem Moment über „Unseriöse Geschäftspraktiken“. Gemeint ist unter anderem die Abmahn-Industrie gegen Filesharer. Die beschreibt die Bundesregierung so:

Diesen Praktiken ist gemeinsam, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, obwohl sie selbst entweder keine oder nur vergleichsweise geringfügige Rechtsverstöße begehen, erhebliche Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen müssen oder zumindest der Gefahr solcher Verluste ausgesetzt sind. Dies hat das Rechtsempfinden einiger Bürgerinnen und Bürger erheblich gestört.

Ursprünglich kündigte die schwarz-gelbe Regierung an, die „Abmahnabzocke“ wirksam zu deckeln. Doch schon den ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung kritisierte der Digitale Gesellschaft e. V. als „völlig am Problem vorbei gehend“.

Diesen unzureichenden Entwurf wollte Kulturstaatsminister Bernd Neumann sogar nochmal verschlimmbessern, da „man gerne noch ein 2-Strikes Warnmodell einbauen möchte.“ Damit hat sich Neumann in den Koalitionsabstmimungen glücklicherweise nicht durchsetzen können, die Abmahngrenze hat er aber endgültig unwirksam gemacht. So heißt es im Gesetzentwurf:

§ 49 Urheberrechtsstreitsachen

(1) In einer Urheberrechtsstreitsache beträgt der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch 1 000 Euro, wenn der Beklagte

  1. eine natürliche Person ist, die urheberechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechte geschützte Leistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
  2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist;

es sei denn, dieser Wert ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig.

Der Anfang klingt zwar noch ganz gut, spielt aber bei „besonderen Umständen des Einzelfalles“ keine Rolle. Und diese „besonderen Umstände“ hat die Rechtsprechung, besonders der Bundesgerichtshof, immer wieder als Regel statt als Ausnahme verwendet.

Im Referentenentwurf war diese Ausnahme so konkret noch nicht drin, und der Streitwert noch auf 500 statt 1.000 Euro begrenzt. Damit hat Kulturstaatsminister Neumann also in den Nachverhandlungen den ohnehin schon schlechten Entwurf endgültig leer laufen lassen. Die Abmahn-Industrie bleibt unangetastet.

Die Grünen haben einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht. Dieser will keine Ausnahmen für eine wirksame Streitwertbegrenzung erlauben, den fliegenden Gerichtsstand bekämpfen und Auskünfte von Providern nur erlauben, wenn eine Rechtsverletzung im geschäftlichen Verkehr zugrunde liegt.

Wie die Mehrheiten aber sind, wird der Bundestag in einigen Minuten den Entwurf der Bundesregierung in erster Lesung annehmen und den der Grünen ablehnen. Damit geht der Entwurf in die Ausschüsse, der federführende Rechtsausschuss könnte schon am 15. Mai eine Anhörung dazu durchführen. Die endgültige Verabschiedung des Gesetzes soll dann noch rechtzeitig vor der Sommerpause passieren.

Damit lässt die schwarz-gelbe Bundesregierung erneut eine großspurige Ankündigung im Sande verlaufen. Wieder haben sich Lobby-Interessen gegen die Interessen von Internet-Nutzer/innen durchgesetzt. Schade, vor allem da der Gesetzentwurf mit begrüßenswerten Absichten gestartet ist und auch unseriöse Geschäftspraktiken in anderen Bereichen thematisiert.

Update: Halina Wawzyniak weist darauf hin, dass auch die Linkspartei einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der am 15. Mai ebenfalls diskutiert wird.

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4 Ergänzungen

  1. das hört sich in der einleitung so an, dass jemand wirklich etwas anderes erwartet hätte.

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