Twitter kauft MoPub und Online-Werbung weiß auf einmal richtig viel

square-mopubKurz vor der Bekanntgabe des Börsengangs hatte Twitter eine vielleicht viel entscheidendere Nachricht auf dem Blog veröffentlicht – die Übernahme von mopub für rund 350 Millionen USD. Das vor drei Jahren gegründete Unternehmen lässt sich am besten als Handelsplattform für Online-Werbung auf iOS und Android Geräten beschreiben. Durch die Akquisition könnte es Twitter in Zukunft möglich sein wahrlich „personalisierte“ Werbung zu verkaufen und dafür entsprechend Geld zu verlangen. Als eines von wenigen Unternehmen im Netz kann Twitter seine Nutzer über alle Endgeräte identifizieren und verfolgen: Man nutzt Twitter am Handy, Tablet, Laptop oder PC. Da Twitter-Buttons mittlerweile ähnlich häufig anzutreffen sind wie Facebooks Like-Buttons und jeder Button Twitter darüber informiert, dass ein Twitter-Nutzer gerade auf der Seite ist, erlangt das Unternehmen mittlerweile ein sehr lückenloses Bild über die Interessen, Vorlieben und Eigenschaften – kurz, das digitale Leben – seiner Nutzer. Für ein Unternehmen das sich rein durch Werbung finanziert ist dieses Wissen eine Goldgrube – die Frage ist nur, wie man die Informationen über die Nutzer in Geld Gold verwandelt. Genau hier kommt mopub ins Spiel.

Bisher nutzt Twitter diese Daten kaum und setzt vor allem auf drei simple Werbemittel. Zum einen wären da Promoted Tweets, die von jedem erkauft werden können und im Feed bestimmter Nutzer auftauchen. Dann gibt es noch die Möglichkeit sich einen Platz in den Twitter Trends zu erkaufen – Promoted Trends. Der Preis variiert hier je Land – um für einen Tag in den USA auf der Top Trends Liste zu stehen, muss man etwa 200.000USD an Twitter zahlen. Die dritte Möglichkeit ist, sich einen Platz in der Liste von Accounts zu erkaufen, die Twitter dem Nutzer zum Verfolgen vorschlägt. Letztlich gibt es dann noch Twitter Amplify – eine Kooperation zwischen Fernsehsendern und Twitter. All diese Werbemaßnahmen sind simpel und relativ ungenau.

Wie kann es also sein, dass Antonio Garcia (Entwickler von Facebook Exchange oder FBX – Facebooks Re-Targeting Marktplatz) davon spricht, dass Twitter durch den Einkauf von mopub nun den „heiligen Gral“ der Online-Werbung in den Händen hält? Wir hatten schon erwähnt, dass Twitter als eines von wenigen Unternehmen Identitäten über verschiedene Endgeräte verfolgen kann. Nehmen wir an, man liest einen Testbericht über das neuste Samsung Smartphone auf seinem Laptop. Dann ist man unterwegs und sucht mit dem eigenen Handy nach mehr Infos und schaut in Online-Shops wie viel das neue Samsung Smartphone kosten würde. Abends liegt man auf der Couch und spielt mit dem Tablet Angry Birds. Samsung wäre bereit viel Geld dafür zu bezahlen um genau in diesem Moment im Werbebanner in Angry Birds aufzutauchen. Twitter hat all diese Daten, da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man auf all diesen Endgeräten Twitter benutzt – vorausgesetzt man nutzt es überhaupt. Dank MoPub kann dieses Wissen nun in Echtzeit (Real-Time Bidding) gehandelt werden.

Es geht nicht darum, dass zukünftig mehr Werbung in Twitter-Feeds eingeblendet werden wird. Sondern dass Twitter eines der wenigen Unternehmen ist, dass Nutzer im gesamten Netz und über alle Endgeräte tracken kann. Mit MoPub kann es diese Fähigkeit bzw. dieses Wissen nun zu Geld machen, indem es MoPubs Marktplatz mit Nutzer-Daten speist. Dadurch kann Werbung gezielter (bisher) auf mobilen Endgeräten eingeblendet werden und dadurch sind die werbenden Unternehmen bereit mehr für die Werbung zu bezahlen, da sie mehr Umsatz generiert. Durch Twitter werden bei MoPub entscheidende Lücken geschlossen, da im Falle eines Twitter-Nutzers nun jegliche Online-Aktivitäten zielsicher mit einer bestimmten Person verknüpft werden können – ganz gleich, welches Endgerät die Person benutzt. Das kann kein anderes Unternehmen. Ob das nun der heilige Gral ist, oder einfach ein nächster, wichtiger Schritt für Online-Werbung, sei dahingestellt.

Doing that, they have within reach that heretofore unattainable Holy Grail of marketers: a permanent, stable, and immutable key that identifies everybody online, on every device, all the time.

Wikipedia beschreibt Real-Time Bidding folgendermaßen:

A user heads to a page on a website (the „publisher“), causing it to start loading. In the same instant the website („publisher“) sends out a “bid request” to thousands of potential advertisers saying, “We’ve got this user who is 30, Indian, male and based in New Jersey, US, and recently searched for return air tickets to Delhi, opening a page on our site. How much are you willing to bid for being the only ad on this page?” Within about 100 milliseconds the publisher receives bids from different advertisers, which in turn analyzes the group to determine both the highest bidder and the brands being advertised. The winner is alerted by the publisher and allowed to place its ad on the page.

Twitter kann den potenziellen Käufern nun exakt sagen, um wen es sich handelt – ganz gleich welches Endgerät derjenige benutzt. Dadurch gibt es keine „Lücke“ mehr, da man denselben Nutzer immer wieder identifizieren kann, somit mehr über ihn weiß und somit mehr für die Werbung verlangen kann. Google hatte übrigens gerade dieses Frühjahr Open Bidder in die Beta-Phase geschickt – ein fully customizable toolkit for building real-time bidding applications.

Vor allem wegen des geplanten Börsengangs von Twitter gab es natürlich die wildesten Prognosen, wie viel Umsatz Twitter nun mit Werbung allein dieses Jahr generieren wird – hier findet man alles zwischen 600 Millionen bis rund 900 Millionen USD. Viel wichtiger scheint jedoch die Frage, ob diese Art von Online-Werbung (aus Sicht des Nutzers) überhaupt erstrebenswert ist. Twitter erhebt ja nicht plötzlich mehr Daten, sondern hat einfach einen Weg gefunden, die bisherigen Daten besser zu Geld zu machen – was Grundlage und Ziel jedes „kostenlosen“ Online-Dienstes darstellt. Wie auch Josh Harkinson von MotherJones anmerkt wird es viele Twitter-Nutzer sicher nicht stören, da Twitter eher als öffentliche Plattform statt privatem sozialen Netzwerk verstanden wird, und man wird sehr wahrscheinlich ‚Nein‘ zum Tracking sagen können. Gleichzeitig besteht immer die Chance, dass diese Daten missbraucht werden, dass die Datenbank kompromittiert wird, dass sich die Geschäftsphilosophie von Twitter ändert. Wie genau sind wir bereit durchleuchtet zu werden, um weiterhin „kostenlos“ Inhalte und Dienste im Netz zu genießen? Twitter und MoPub scheinen sich sicher zu sein, dass da noch viel Luft nach oben ist. (MoPub kooperiert auch mit Pacecast, die Standortbezogene Werbung ermöglichen)

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4 Ergänzungen

  1. Die Aussage, dass kein andere Unternehmen die User über alle Plattformen hinweg tracken kann ist falsch. Mindestens Google und Facebook können das ebenso, auch wenn die Zahl der ständig eingeloggten User bei Google sicher noch nicht so hoch ist wie bei den beiden anderen – aber man arbeitet ja fleißig daran, das zu beheben, in dem man für immer mehr Google Services den Google+ Account zur Voraussetzung macht. Vor einiger Zeit geschah das mit Bewertungen im Play Store, nun kommt YouTube dran.

    Google macht das ja jetzt schon mit der personalisierten Werbung vor, wenn ich mir im Web eine Badewanne ansehe, bekomme ich später selbst auf Tech-Blog ständig Werbung für genau dieses Produkt. Twitter zieht hier einfach nur nach, ist keinesfalls Vorreiter.

  2. Wenn es sich so entwickeln sollte und das Tracking nicht ausschaltbar ist, dann würde es für mich heißen: Tschüß, Twitter!
    Abwarten..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.