Troikatreffen der Justiz- und Innenminister der EU und USA: Überwachungsskandal ist Nebensache, alles Prima

Gestern Abend haben sich die Justiz- und Innenminister der EU und der USA in Washington getroffen. Zur Reisegruppe gehörten die beiden EU-Kommissare Malmström (Innen) und Reding (Justiz) sowie die Vertreter für Justiz und Inneres der litauischen Ratspräsidentschaft und der kommenden griechischen Ratspräsidentschaft. Die Vertreter der EU freuten sich über ein konstruktives und produktives Treffen, viele Themen wurden angesprochen. Das Top-Thema scheinen nun Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu sein, wie in Großbritannien mitlerweile auch. Der Überwachungsskandal spielt nur eine untergeordnet Rolle. Man fragt sich, in welcher Realität die Delegation eigentlich lebt.

Zur Erinnerung: Die USA überwachen massenhaft mit Hilfe der Briten alle Bürger der EU und zapfen sogar mit Wanzen die EU-Institutionen an. Im EU-Parlament wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der den Skandal aufarbeiten will. Auch die EU Kommission will sich an der Aufklärung beteiligen, allerdings auf eine ganz spezielle Art: Eine transatlantische Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, über die rein gar nichts bekannt ist. Es ist noch nicht einmal bekannt, wer in dieser Gruppe an der Aufklärung arbeitet, denn das könnte die internationalen Beziehungen beschädigen.

Bei dem Treffen am gestrigen Abend hat sich diese Verschleierungstaktik und Verharmlosung der EU Kommission und der Ratspräsidentschaft fortgesetzt. Die wichtigsten Themen, die bei dem Treffen thematisiert wurden waren:

…the problem of sexual abuse of children online; coordinating work on counter-terrorism and security issues; countering violent extremism; expanding cooperation in criminal matters; joint efforts in the areas of cybercrime and cybersecurity; and mobility, migration and border issues. In addition, we discussed the rights of victims of crime, the rights of persons with disabilities, and the prosecution of hate crimes.

Das sind sicher alles wichtige Themen, die auch besprochen werden müssen, doch erscheint nicht klar, warum nicht zu Beginn der Überwachungsskandal auf der Agenda stand.

Erst im dritten Absatz der Pressemitteilung findet sich ein Hinweis auf den Überwachungsskandal. Als man das Thema Datenschutz und Themen bezüglich der Aktivitäten der U.S. Geheimdienste angesprochen hat, ist man wohl auf beiden Seiten das Atlantiks zu der revolutionären Erkenntnis gelangt, dass jene Aktivitäten zu „bedauerlichen Spannungen“ geführt haben. Um das Problemchen zu lösen, so die Erkenntnis, muss nun wieder Vertrauen in die Kooperation hergestellt werden, denn die Bürger gehören geschützt – fragt sich nur vor wem oder was. Um sicher zu gehen, dass auch keine neuen Missverständnisse im spannungsgeladenen Miteinander auftreten wurde auch gleich versichert, dass die EU und die USA Verbündete sind. Das sich Verbündete untereinander so verhalten scheint völlig normal zu sein, den Kritik regnete es keine. Im Gegenteil, die bisherige Praxis wird sogar noch legitimiert:

Since 9/11 and subsequent terrorist attacks in Europe, the EU and U.S. have stepped up cooperation, including in the areas of police and criminal justice. Sharing relevant information, including personal data, while ensuring a high level of protection, is an essential element of this cooperation, and it must continue.

Die Äußerung überrascht zwar nicht unbedingt, denn aus Sicht der EU-Kommission ist ja etwa das SWIFT und das Fluggastdaten-Abkommen auch noch immer eine feine Sache. Das jedoch jegliche ernsthafte Kritik an der Datenabsaugung der USA außerhalb dieser Abkommen vollständig fehlt, ist nicht nachvollziehbar.

Aber: Die EU hat trotzdem eine Lösung parat, wie künftig die Daten der EU Bürger besser geschützt werden sollen: Es braucht ein Rahmenabkommen für den Austausch personenbezogener Daten mit den USA. Chapeau! Seit 2010 versucht die EU-Kommission ein derartiges Abkommen auf den Weg zu bringen, aber die Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantiks wollen einfach nicht. Bis Mitte 2014 soll das Abkommen endlich stehen, ähnliche verheißungsvolle Ansagen gab es schon einige.

Das ganze Drama des Ausfluges der europäischen Reisegruppe zeigt sich in einem letzten massiven Aufbäumen gegen die Praxis der US-Geheimdienste und der frohen Hoffnung, dass sich bald doch endlich hoffentlich vielleicht alles zum Guten wendet:

The EU welcomes that the U.S. is considering adopting additional safeguards in the intelligence context that also would benefit EU citizens.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

10 Ergänzungen

  1. Aber natürlich war implizit der Überwachungsskandal auf der Tagesordnung. Steht doch da klar und deutlich lesbar, in dem von Euch zitierten Absatz:

    coordinating work on counter-terrorism and security issues; countering violent extremism; expanding cooperation in criminal matters; joint efforts in the areas of cybercrime and cybersecurity;

    Deutlicher kann man das doch nicht sagen, dass man weiter gedenkt, die Daten zu nutzen. Übrigens dürften gerade die Briten kein Interesse haben, diese Aktivitäten offenzulegen. Oder die Deutschen. Oder die Franzosen.

    1. die deutschen an erster stelle. gysi hat gestern 4 punkte aufgezählt im bundestag. dem ist nichts hinzuzufügen

  2. weil es genauso feige a….löcher sind wie unsere „regierung“, die unsere bürgerrechte schützen soll. zum teufel jagen das gesamte pack.

  3. Es sollte doch mittlerweile zweifelsfrei sein, daß die Politiker (Ausnahmen bestätigen die Regel) weltweit die Überwachung der Bürger wollen. Anders kann man das Agieren/Lavieren der Politiker gar nicht mehr erklären. Einzig bin ich mir noch nicht über deren Denkweise und Motivation im klaren. Ist das Eigenschutz aus Angst der politischen Kaste, vom Volk mal überrannt zu werden? Oder versteigern sie sich wirklich dahinein, daß der vermeindliche Schutz vor Terror den Verlust der Bürgerrechte rechtfertigt, daß Überwachung von sog. demokratischen Staaten nicht zu vergleichen sei mit der von nicht-demokratischen, daß es eine „gute“ und eine „schlechte“ Überwachung gäbe?

  4. Zu dem ganzen Thema fällt mir spontan nur noch „Ami go home“ ein.

    Wird mal Zeit den Leuten die Tür hinaus zu zeigen. Unsere Bonzen können gleich mit abschieben. Die EU ist nur ein chaotischer Verwaltungsverein. Hauptgeschäftszweig: Schulden und Kredite für US Banken.

    Falls sich einer fragt wieso alle Kuschen.
    Sollte auch nur ein Land dem Molloch parolie bieten tauchen sogleich ein paar Erzradikale auf und jagen wieder ein paar Züge oder Flieger in die Luft oder nehmen Geiseln in einem Theater od. was auch immer. Natürlich Schläferzellen und so. Ohne jegliche Mithilfe finanziert, ausgebildet und eingeschleust.

    Diesen Terrorpessimismus nimmt euch doch niemand mehr ab, ihr Pappnasen.

    1. der eigentliche aufreger ist, dass sie wissen dass wir es wissen und trotzdem solche schauspiele wie gestern im bundestag abliefern. egal, was man rauspalavert, hauptsache die pension ist gesichert. der dumme überwachte michel bezahlt ja und wählt sogar noch die schnüffelbande.

    1. ja. hab mich gestern schier kaputtlachen können, wenn es nich tso traurig wär. demo gegen überwachung in berlin: teilnehmerzahl: ca. 250, demo gegen PKK-verbot: 5.000, fragen?

  5. Ich hatte es , damals unter anderem Pseudonym, immer schon geschrieben wie der Hase läuft, aber selbst jetzt interessiert es immer noch kaum jemand.
    Die Bestätigung ist für mich dieses Wahlergebnis.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.