Special Operations Division der DEA: Big Data im Kampf gegen Drogen

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Quelle: Mark Wilson/AP Photo

In einem Exklusivreport berichtete die Nachrichtenagentur Reuters heute über die ‚besondere‘ Nutzung von Geheimdienstinformationen der Special Operations Division (SOD) der US Amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA). Die Mitarbeiter der SOD setzen sich aus zwei Dutzend unterschiedlichen Behörden zusammen, u.a. NSA, FBI, CIA und Homeland Security. Die SOD versorgt die DEA-Mitarbeiter mit Informationen aus Abhöraktionen der NSA im Ausland, Informationen von ausländischen Informanten und Hinweise aus der hauseigenen DICE Datenbank, die Metadaten zu Internet- und Mobiltelefonkommunikation aus alten DEA-Ermittlungsverfahren enthält – etwa 1 Milliarde Datensätze.

Im Alltag läuft es dann in etwa so ab, dass ein Polizist oder DEA-Agent einen Tipp durch die SOD bekommt, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einen LKW nach Drogen zu durchsuchen.

You’d be told only, ‘Be at a certain truck stop at a certain time and look for a certain vehicle.‘ And so we’d alert the state police to find an excuse to stop that vehicle, and then have a drug dog search it.

Wenn in dem Truck dann etwas gefunden wurde und es zu einem Ermittlungsverfahren kommt, darf die DEA allerdings nicht erwähnen, dass der Truck überhaupt nur wegen eines Tipps der SOD überprüft wurde. Lediglich im Budgetplan der DEA findet die SOD eine kurze Erwähnung – geschätzte 127Mio USD mit Hunderten Angestellten. Das bedeutet effektiv, dass die Ermittler den Ermittlungsverlauf „rekonstruieren“ müssen, damit es vor Gericht plausibel aussieht. Und genau hier ist der kritische Punkt erreicht: Die DEA erhält geheime Tipps der SOD, welche wiederum Kooperationen mit sämtlichen Behörden hat. Vor Gericht und gegenüber der Strafverteidigung wird allerdings nichts davon erwähnt, sondern ein Ermittlungsverlauf gezeigt, der die SOD nicht enthält.

„Remember that the utilization of SOD cannot be revealed or discussed in any investigative function,“ a document presented to agents reads. The document specifically directs agents to omit the SOD’s involvement from investigative reports, affidavits, discussions with prosecutors and courtroom testimony. Agents are instructed to then use „normal investigative techniques to recreate the information provided by SOD.“

Der größte Streitpunkt ist, ob dieses Vorgehen – auf geheimen Tipps der SOD basierende Ermittlungsverfahren zu „rekonstruieren“  – verfassungswidrig ist oder nicht. Die Meinungen die im Reuters Report dargestellt werden sind hier sehr vielfältig. Manche sagen, dass die „Rekonstruktion“ von Beweisen ein uraltes polizeiliches Mittel ist und die anderen vergleichen es eher mit Geldwäsche.

It’s just like laundering money – you work it backwards to make it clean. (Finn Selander, ehemaliger DEA Agent)

Parallel construction is a law enforcement technique we use every day. It’s decades old, a bedrock concept. (DEA Mitarbeiter)

You can’t game the system. You can’t create this subterfuge. These are drug crimes, not national security cases. If you don’t draw the line here, where do you draw it? (ehemaliger US Staatsanwalt Henry E. Hockeimer Jr.)

It’s a balancing act, and they’ve doing it this way for years, Do I think it’s a good way to do it? No, because now that I’m a defense lawyer, I see how difficult it is to challenge. (ehemaliger US Staatsanwalt Robert Spelke)

Obwohl sich die Special Operations Division des DEA aus Mitarbeitern der verschiedensten Behörden, u.a. CIA, FBI und NSA zusammensetzt, stellt sie ein völlig eigenes Programm bzw. Einheit dar. Somit obliegen die Abhör- und Ermittlungsaktivitäten mittels Prism, XKeyscore oder Boundless Informant der NSA (zumindest in der Theorie) der Aufsicht durch den  FISA Court – dies gilt jedoch nicht für die Ermittlungen der SOD. Anscheinend wurden zwar die Abgeordneten des Kongresses über die „Aktivitäten und Erfolge“ des SOD unterrichtet, allerdings ist unklar inwieweit diese über das Vorgehen und vor allem die „Tipps“ des SOD Bescheid wissen.

A DEA spokesman said members of Congress „have been briefed over the years about SOD programs and successes.“ This includes a 2011 letter to the Senate describing the DICE database. But the spokesman said he didn’t know whether lawmakers have been briefed on how tips are being used in domestic criminal cases.

Die TIME hatte schon vor etwa zwei Jahren über die umstrittenen Vorgehens- und Ermittlungsweisen des SOD und DEA berichtet. Laut TIME basiert alles auf der Überzeugung, dass Terroristen und Rauschgift- oder Waffenhändler zum beiderseitigen Vorteil zusammenarbeiten und es somit wichtig ist, dass Geheimdienst und DEA zusammenarbeiten können.

The DEA’s focus is drug trafficking and we are not going looking for terrorists, that’s not our job. Our job is to make sure that we are recognizing the connections between drugs and terrorism, and we’re going to do the best that we can. (Derek Maltz, Special Agent der SOD)

Die SOD und DEA Ermittler sind natürlich von DICE (der eigenen Datenbank) und den Möglichkeiten begeistert.

About 10,000 federal, state and local law enforcement agents have access to the DICE database, records show. They can query it to try to link otherwise disparate clues. Recently, one of the DEA officials said, DICE linked a man who tried to smuggle $100,000 over the U.S. southwest border to a major drug case on the East Coast.

Letztlich scheint es auch bei der SOD und DEA um ein Abwägen zu gehen: Wie viel Freiraum gewährt man den Behörden, um effektiv gegen Drogen- und Waffenhandel vorzugehen. Und ab wann muss man sich als freiheitlicher Rechtsstaat eingestehen, dass man Informationen nicht erhebt oder gar verwendet, weil dies die Freiheit der Bürger zu sehr einschränken würde? Im Falle der SOD werden anscheinend extrem viele Freiheiten gewährt – alles dem ehrenwerten Ziel des Kampfes gegen Drogen zugute!?

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3 Ergänzungen

  1. *ami flagge hieß* … alles für ein guten zweck, wir sind die helden!

    und vom fisa court, bekommen wir die rechte, die sich übers gesetz stellen.

    bei soviel guten, müsst ihr einfach ja sagen, zur totalen überwachung…

    moment, wo ist die kneifzange für meine hose…*such*

  2. Diese Verflechtungen, Zwischeneinheiten und Vertuschungen (Rekonstruktion) erinnern mich stark an das Milieu des organisierten Verbrechen. Letztlich dient diese Konstruktion doch dazu, die Daten der Totalüberwachung, die eigentlich Restriktionen unterliegen (Kampf gegen den Terror) ohne Kontrollinstanz für alles verwenden zu können. Und um das Ganze im nachhinein begründen zu können, konstruiert man notfalls noch eine Verbindung („Die Drogenschmuggler arbeiten mit den Terroristen zusammen“).
    Ich kann nicht behaupten, dass ich überrascht bin (leider), aber dieses Vorgehen ist rechtsstaatlich und demokratisch sehr sehr bedenklich.

  3. Erste Anzeichen gibt es doch auch in Deutschland. Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum. Das eignet sich auch ideal zum Datenabgleich auf dem kleinen Dienstweg. Der Zweck heiligt eben doch die Mittel.

    Und damit nicht genug, dann gibt es noch die anderen Zentren, die das Trennungsgebot des Grundgesetz unterlaufe: Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration und Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Wem fällt noch eins ein?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.