Philipp Rösler: FDP hat ACTA verhindert

Auf dem 3-Königstreffen der FDP hat Pateivorsitzender Philipp Rösler heute die Erfolge der Partei aufgezählt. Etwas verwundert hat mich die Aussage, dass die FDP ACTA verhindert hätte. Das hatte ich leicht anders in Erinnerung und zum Glück ist ACTA einer der bestdokumentierten parlamentarischen Prozesse in diesem Blog.

Im Februar hat Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger die Unterschrift unter ACTA erstmal auf nach der Abstimmung des Europaparlaments verschoben. Vorher gab es keine Bedenken gegen ACTA, das Bundeskabinett hatte sogar Ende 2011 auf Vorschlag des BMJ ACTA zugestimmt. Insofern kann man davon ausgehen, dass dieses Aussetzen vor allem ein taktisches Agieren war, um den schwarzen Peter der Entscheidung dem Europaparlament zuzuspielen und nicht in der heißen Phase der Proteste unterschreiben zu müssen. Wenngleich dieses Manöver nochmal zusätzliche mediale Aufmerksamkeit und damit zusätzliche Werbeeffekte für die Großdemonstrationen im 11. Februar gebracht haben. Aber ob das so Teil der Strategie war?

Wo wir beim Europaparlament sind: Da sitzen auch deutsche FDP-Abgeordnete drin. Zwölf sind es an der Zahl und nun könnte man davon ausgehen, dass die wenigstens geschlossen gegen ACTA gestimmt hätten, damit die Aussage stimmt. Aber auch das Wahlverhalten ist gut dokumentiert und es gab von den zwölf ganze zehn Enthaltungen. Nun konnte man bei der Abstimmung auch davon ausgehen, dass eine Enthaltung eher ein taktisches Manöver ist, wenn man eigentlich ACTA gut findet, aber aufgrund des öffentlichen Drucks und der öffentlichen Meinung jetzt aus opportunistischen Gründen nicht dafür stimmen kann. Weil sonst hätte man auch einfach dagegen stimmen können wie der überwältigende Teil des Europaparlaments. Das haben von deutscher FDP-Seite aber nur Alexander Alvaro und Jürgen Creutzmann getan. Das sind 16,7% Ablehnung, während 83,3% der deutschen Liberalen nicht der Meinung waren, dass ACTA Geschichte sein sollte. Insofern kann man bei der Aussage von Rössler bestenfalls diplomatisch von Schönfärberei sprechen.

Oder wie es der Twitter-Nutzer @suntsu kommentierte:

Gut daß #Roesler der #fdp sagt daß sie #acta verhindert haben. Die wusste das nämlich bisher nicht – genau wie der Rest der Menschheit

(Im Gesamt-EP gab es 70,1% Nein-Stimmen bei 24,2% Enthaltungen und nur 5,7% Ja-Stimmen).

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21 Ergänzungen

  1. Es kann und darf nur taktisch sein! Niemals nicht gibt es auch interne Kämpfe um Positionen! Kein FDPler ist doch gegen ACTA! Enthaltung ist Zustimmung! …

  2. Gut dass sie ihm irgendwann das Mikrophon abgeschaltet haben, sonst hätte Rösler bald auch noch das Internet erfunden…

  3. Man darf es gerne auch laut sagen: Die Piratenpartei war mit Abstand die einzige Partei, die sich aktiv gegen ACTA engagiert hatte und auch Demonstrationen veranstaltete. Im Saarland klinkten sich unmittelbar vor der Landtagswahl Grüne, Linke, JuSos und JuLis ein. Während des Demozuges wollte ich von einem Jungliberalen, der emsig Flyer verteilte, wissen, ob er mir die Abkürzung für ACTA und die Bedeutung erklären könne. Das schaffte er genauso wenig wie Vertreter der GRÜNEN oder LINKEN. Auf der nächsten Demo, nach der Landtagswahl blieb übrigens die Piratenpartei die einzige Partei, die Demos organisierte und mitgestaltete…

    1. Du hast alle gefragt? Wirklich? Ausnahmslos jeder der Grünen, der Linke und FDP wusste nicht, was ACTA bedeutet? Wie sah es denn bei den Piraten aus? Von denen wusste natürlich jeder die Bedeutung von ACTA, gelle?
      Achja, typischer Post, um die Piraten wieder mal in besseres Licht zu stellen.

  4. Man darf doch nicht so tun, als sei das Abkommen auf der Ebene normaler Parteipolitik gelegen gewesen, wo es Befürworter und Gegner gibt.

    Wichtig ist nicht wer wie abstimmt, sondern wer sich wie einsetzt. Wer sich einsetzt wird möglicherweise sein Gewicht in Kompromisse werfen, und es nicht nötig haben seine 300% bei der finalen Abstimmung zu dokumentieren als Opportunist der Macht.

    Ich möchte hier Thomas Brück klar widersprechen. Das ist falsch, das ist ineffektive Arbeit auf dem Propagandalayer. Was man braucht ist einen Abgeordneter, der eine kritische „technische“ Frage stellt, der auf einen Hebel drückt. Ob nun alle in der Partei im Chor mitsingen ist ineffektiv, vor allem, wenn alle zwar fleißig singen, aber keiner der Zugang hat auf den Hebel drückt. Diese ganze Demonstrationskultur hat was von einem Regentanz, man versammelt sich, und dann „passiert was“. Wie das aber genau funktioniert, das interessiert kaum jemanden.

    1. Bitte? Abstimmung ist nicht wichtig?

      Also, nach meinem Verständnis werden Menschen in ein Parlament gewählt (über den Weg Liste/Person könnten wir mal nachdenken), die alle eine eigene Stimme haben. Man kann anhand der Partei vielleicht bestimmte Präferenzen annehmen, aber das war es dann auch schon.
      Die Idee sollte sein, dass x-mal gesunder Menschenverstand einen Vorschlag prüft und für gut befindet oder nicht.

      Soweit ich weiß, werden nicht einer Partei durch Wahlen ein „Stimmgewicht“ zugeteilt, denn das würde ja bedeutete, dass nur einer oder wenige sich Gedanken machen und deren Mist mit dem Stimmgewicht durchgewunken wird.

      Und in dem Kontext begrüße ich jede Abstimmung und insbesondere Abgeordnete, die ihren eigenen Verstand auch verwenden. Diese rückgratlosen „Stimmvervielfacher“, die eine offizielle Meinung abnicken oder eben sich enthalten, gehören bei nächster Gelegenheit abgewählt. Geht das nicht (weil Liste), dann eben die ganze Fraktion.

      1. @Martin: Ich verstehe schon den Punkt von Andre, aber die Frage bleibt in Bezug auf die Aussage Rösslers: Wie hoch war der Anteil der deutschen Liberalen am Stellen von strategisch wichtigen technischen Fragen, die zur Ablehnung geführt haben?

      2. Am Ende war die Frage ob man Zustimmung des Parlaments gleich verweigert oder erst auf die Klärung durch den EuGH wartet, die von der Kommission angerufen wurde. Es wäre vielleicht gut gewesen hier einen höchstrichterlichen Spruch zu haben im Hinblick auf nachfolgende Abkommen. Mit der Verweigerung der Zustimmung ist auch die Anrufung des EuGH gegenstandslos.

        Im übrigen ein ziemlicher Affront gegen die Kommission nicht auf den EuGH zu warten. Der zuständige Kommissar Karel De Gucht (BE) gehört zu Open VLD, der Partei Verhofstadts, Mitglied der ALDE Gruppe, das sind die Liberalen im Europaparlament. Die andere taktische Überlegung war der Wahlkampf. Die wollten natürlich nicht ACTA durch die Verzögerung zum Wahlkampfthema für die Europawahlen machen, sondern das Dossier schnell vom Tisch.

        Richtig ist, dass sich Leutheusser-Schnarrenberger eingesetzt hat, was in der Koalition im Bund sicherlich nicht einfach war. Richtig ist auch, das in der ALDE Gruppe Top-Parlamentarier sind, die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Die Grüne Fraktion hat sich sehr engagiert, aber einzelne Parlamentarier haben sehr wichtige Beiträge geleistet.

        Parlamente sind nicht nur Abstimmungsorgane. Im Bundestag gibt es einen ganz massiven Fraktionszwang (den das GG gar nicht vorsieht). Im Europaparlament kaum. Das Parlament ist extrem balkanisiert. Dort kann ein einzelner engagierter Abgeordneter den ganzen Troß hinter sich her ziehen. Parlamentarier laden Politiker vor, stellen unangenehme Fragen, entwickeln Resolutionen.

        Z.B. Verfahrendregeln

        Artikel 117 : Anfragen zur schriftlichen Beantwortung 1. Jedes Mitglied kann gemäß den in einer Anlage zur Geschäftsordnung festgelegten Leitlinien an den Präsidenten des Europäischen Rates, den Rat, die Kommission oder die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Anfragen zur schriftlichen Beantwortung richten. Der Inhalt der Anfragen liegt in der alleinigen Verantwortung der Fragesteller.

        Jeder Abgeordneter kann Fragen stellen, aber nicht jeder tut es, und wenn, dann kann es ein „Softball“ sein oder „technisches Voodoo“.
        Im Bundestag sind Anfragen eine große Sache, im Europaparlament eher Brot und Butter. Es kommt darauf an, wie gut und scharf die formuliert sind. Hier was von MEP Alvaro (FDP). Not bad…

  5. Philipp Rösler erklärt die Welt. Herrlich! Der Mann sollte sich vielleicht eher als Märchenonkel versuchen. Denke da hat er das meiste Talent für.

  6. Der arme Frosch ™ ist doch schon gekocht und gegessen.

    Ansonsten finde ich seine Aussagen über ACTA und die FDP Beteiligung „nicht zustimmungsfähig“.

    Hoffe von der Leyen geht irgendwann auch noch mal weg — die hat uns ja immerhin quasi vor den Netzsperren und so.

  7. WIR haben ACTA vehindert!
    Die Netzgemeinde und die angergierten Bürger die um ihre Rechte zu bewahren auf die Straße gegangen sind und ganz sicher nicht die FDP.
    Als Frau Schnarrenberger das erste mal etwas gegen ACTA gesagt hat, war doch schon das ganze Netz am brodeln!

  8. ihr nasen!

    ACTA ist in deutschland bereits realisiert. die deutschen gesetze zum urheberrecht haben schon seit jahrzehnten die anforderungen von ACTA erfüllt.

    nicht jeden scheiß glauben, der bruno kramm aus seiner platte quillt.

  9. Auf der AntiActa-Demo letztes Frühjahr z.B. in Dortmund war auch keine FDP vertreten. Grüne, Linksjugend und Piraten waren hingegen sehr wohl erkennbar Unterstützer und Teilnehmer der Demo. Typisch FDP halt, abstrakt im Festsaal von Freiheit zu schwafeln ist ja auch komfortabler, als sie auf der Straße zu erkämpfen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.