PEN-Studie zur Selbstzensur durch Massenüberwachung

Der amerikanische Zweig der Schriftstellervereinigung PEN hat eine Umfrage veröffentlicht, in der 520 amerikanische Autoren befragt wurden, ob sie seit Aufkommen des Überwachungsskandals Selbstzensur betrieben hätten.

 

96 bzw. 97 % gaben an, besorgt bis sehr besorgt darüber zu sein, dass die Regierung von Journalisten verlangt, ihre Quellen aufzudecken und dass die Rede- und Pressefreiheit in Nicht-US-Ländern eingeschränkt wird.

Nur 18% halten es für plausibel, dass die Regierung primär an den Daten von Nicht-Amerikanern interessiert sei und 92% glauben, dass ihre Daten in den Händen der Regierung potentiell anfällig für Missbrauch sind. In etwa die Hälfte der Schriftsteller konnte sich vorstellen, selbst zum Gegenstand von Telefon- und Internetüberwachung geworden zu sein.

Je rund 20% der Befragten haben sich als Konsequenz daraus auch tatsächlich eingeschränkt. Am größten war dabei die Gruppe derjenigen (26%), die ihr Verhalten im Kontext von Social Media verändert haben und beispielsweise nicht mehr über bestimmte Themen twittern. Andere Antworten umfassten die Vermeidung bestimmter Themen in den Werken der Autoren, in privaten Telefon- und Mailkonversationen oder selbst der Verzicht auf Onlinerecherchen zu verdächtigen Themen.

Auffallend ist, dass Autoren unter 50 Jahren sich in der Theorie weniger besorgt gaben als ihre älteren Kollegen und auch weniger intensiv die Nachrichten zu den Überwachungsskandalen verfolgen, sich aber dennoch mehr einschränken, was ihre Schreib-, Recherche- und Kommunikationsaktivitäten angeht. Ein erhöhtes Maß an Selbstzensur findet sich auch bei denjenigen, die regelmäßigen Kontakt mit Personen außerhalb der USA haben.

Abgesehen von der Selbstzensur des Einzelnen, die in der Umfrage beleuchtet wurde, sollte man auch die größere Dimension nicht aus den Augen verlieren. Das „freiwillige“ Abschalten von Diensten wie dem Mailanbieter Lavabit oder Plattformen wie dem Blog Groklaw, der sich mit Themen rund um Freie Software beschäftigte, ist genauso eine Ausprägung von Zensur.

Zuletzt wurde in der Studie auch nach dem Einsatz von Mitteln gefragt, um sich selbst vor Überwachung zu schützen – beispielsweise durch Verschlüsselung oder den Wechsel zu anderen Internetdienstleistern. Nur 13% gaben an, Maßnahmen in dieser Hinsicht ergriffen zu haben. Es ist erschreckend, dass dieser Anteil kleiner ist als der derjenigen, die ihre Redefreiheit präventiv einschränken. Auch dieser Aspekt sollte, neben der stattfindenden Debatte zu den Auswirkungen des NSA-Skandals im Allgemeinen, dringend zum Gegenstand der Diskussion gemacht werden.

Wie kann man den Missstand beheben, dass man sich lieber einen Maulkorb verpasst anstatt sich aktiv zu schützen? Liegt es an der Uninformiertheit, dem mangelnden Vertrauen in Schutzmaßnahmen oder der oft beklagten Nutzer(un)freundlichkeit von Verschlüsselungssoftware und ähnlichem? Ein paar Eindrücke bietet dieser interessante Spiegelartikel, in dem Leser aufgefordert wurden, ihre Erfahrungen und Meinungen zum Verschlüsseln zu teilen. Die Antworten sind hier kurz zusammengefasst und sprechen primär von Frustration, aber dem prinzipiellen Willen, zu Verschlüsseln und die Technik zu verstehen. Es liegt an „uns“ mit gutem Beispiel voranzugehen und es nicht bei der Installation oder dem Download von GnuPG, TOR und Co. zu belassen, sondern es auch zu benutzen und jeden beharrlich in der Nutzung zu bestärken.

 

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15 Ergänzungen

  1. Selbstzensur ist halt einfacher als verschlüsseln. Vor allem, wenn man seinen Bekanntenkreis noch überzeugen muss. Bei mir ist exakt niemand willens, seine Kommunikation mit mir zu verschlüsseln (zu kompliziert, habe nichts zu verbergen, …). Ich nehme an, bei den meisten Teilnehmern der Befragung wird’s ähnlich aussehen.

    1. Es ist häufig ein zeitlicher Faktor. Ich würde auf Nachrichtenseiten zum Beispiel viel mehr kommentieren, wenn ich nicht jedes mal wieder einen „anonymen Account“ kreieren müsste, nur um einmal einen Artikel einer Regionalzeitung zu kommentieren. DAS ist für mich die ärgerliche Eigenzensur. Häufig ist es so, dass ich bei Recherchen über irgendeinen Unsinn stoße, den ich gern als diesen entlarven würde, aber es schlicht zu viel Zeit kostet. Einfach losschreiben ist halt nicht (mehr).

      1. Da kannst du dich bei den ganzen Spammern und Trollen bedanken. Denke das die Redaktionen darauf keine Lust haben. Das Forum der Piraten wurde ja auch geflutet mit Trollmist, Spam und anonymen shitstormern die andere verleumdet und beleidigt haben.

        Habe leider selbst zu oft miterlebt wie die Anonymität die Diskussionskultur zerstört.

      2. Das ist mir jetzt zu einfach. Bei Netzpolitik funktioniert das Ganze doch auch ohne Account. Auch gegen eine Sicherheitsfrage habe ich nichts. Es gibt viele Möglichkeiten ohne Mailadresse und „Bestätigungslink“ auszukommen.

        Die Mühe machen sich doch nur PR-Agenturen, die für Meinungsmache auf den Plattformen bezahlt werden…

    2. Das Problem kenne ich. Die Bekannten von mir, die überhaupt nur einen PGP-Key haben, kann Onkel Fritze vom Sägewerk bequem an einer Hand abzählen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Bekanntenkreis überdurchschnittlich technikaffin ist.
      Selber Tor zu benutzen (zumindest für alles, was keine Anmeldung erfordert, oder viel Bandbreite frisst) ist halt lange nicht genug. Die besten Erfahrungen hab‘ ich noch mit OTR-Plugins für Instant Messenger. Die muss man wirklich nur einmal installieren, und wenn beide Teilnehmer es haben, arbeitet es im Hintergrund ohne dass man was merkt. Einziger Nachteil ist, dass sie sich mit instabilen Netzwerken (öffentliches WLAN z.B.) schwer tun; da hat man wesentlich mehr Disconnects.

  2. Wa ist so schlimm daran wenn journalisten ihre Quellen offenlegen müssen ? Geheimnissverrat ist schließlich eine Straftat gegen den Staat, wer da nicht bereit ist auszusagen schützt die Straftäter und macht sich somit selbst schuldig.

    Warum sollten da Journalisten eine Ausnahme machen ? Die Meinungsfreiheit geht eben nur mal soweit wie der Staat und seine Gesetze es uns erlauben. Dem Gesetz müssen wir uns alle Beugen, egal ob das Gesetz sinvoll ist oder nicht, ob wir es verstehen oder nicht. Es ist nunmal einfach so, das sollten wir alle aktzeptieren. Denn ohne bedingungslose Treue zum Gesetz und zum Staat zerbricht die Gesellschaft und die totale Anarchie bricht aus.

    Daraus ergibt sich das der Gesetzestreue Bürger auch nichts vor dem Gesetze zu verbergen hat. Wer etwas zu verbergen hat ist evtl nicht Gesetzestreu, doch selbst dann erschwert diese Person die Ermittlungsarbeiten der Sicherheitsbehörden da er sich z.B. durch Verschlüssellung obwohl er nichts zu verbergen hat nur unnötig verdächtig macht und so staatliche Resourcen bindet. Das sollte nicht sein.

    Wir, alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit und politischen Meinung sind gemeinsam der Staat. Deshalb sollten wir dem Staat auch vertrauen, nur staatsvertrauen schafft das gesellschaftliche vertrauen das die Zivilisation aufrecht erhält und uns vor den Dämonen der Anarchie schützt. Meinungsfreiheit ist wichtig, aber eben ist die Meinung nur dann frei wenn es das Gesetz sagt das die Meinung frei ist. Das Gesetz ist eben nunmal alternativlos als die höchste gesellschaftliche Athorität zu aktzeptieren.

    1. Wenn ich Teil des Staates bin, der Staat seinen Bürgern aber nicht vertraut, warum sollte ich dann meinen Mitbürgern vertrauen? Und warum sollte ich dem Staat vertrauen, wenn er doch gerade aus diesen Mitbürgern besteht, denen er selbst nicht vertraut?

      Oder wenn ich dem Staat voll vertraue, er aber mir mißtraut, müsste ich nicht dann mir selbst auch mißtrauen?

      Ich glaube, ich habe mich eben selbst verwirrt.

    2. Die optimistische Annahme ist, dass hier jemand spricht, der seinen unwilligen Nachbarn überzeugen will, dem aber 1. die Argumente fehlen und der 2. nicht in der Lage ist selbst zu denken.

      Klassisch bildet sich ein Staat in der Tat dadurch, dass die Bürger einen Teil ihrer Macht auf den Staat übertragen, und sich diesem dann mehr oder weniger unterordnen. Die Theorie vom Staat als Leviathan, dem man sich dann bedingungslos unterordnet, wie es Hobbes anno 1651 mit seinem absolutistischen Staatverständnis tat, ist über die Jahrhunderte beständig verfeinert worden. Man hat wohl erkannt, dass ein Staat nie perfekt ist. Das Konzept des zivilen Ungehorsams und der vierten Gewalt hat sich entwickelt. Wir basteln im übrigen ständig an unserem Staatsverständnis herum, z.B. durch die Einführung von neuen Instrumenten der direkten Demokratie.

      Der BWL Student, oder sein unwilliger Nachbar, ebenso wie viele Sicherheitspolitiker, oder solche die ein Feindstrafrecht fordern, all diese Leute sind irgendwo bei Thomas Hobbes stehen geblieben.

    3. Wenn Du – „BWL Student“ nichts zu verbergen hast, warum schreibst du dann unter dem Pseudonym „BWL Student“?

      Deine Wortreiche Argumentation entlarvt sich schon daran als Unsinn.

  3. Die Verbindungsdaten sind meist viel interessanter als der kommunizierte Inhalt. Dieses ewige „dann verschlüsselt halt“ ist wohl eher der Propaganda zuzuordnen, also bitte nicht darauf hereinfallen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.