Neue Datenschutzbeauftragte ohne viel Datenschutz?

Der Deutsche Bundestag beruft heute mit den Stimmen der Großen Koalition die neue Bundesauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: Andrea Vosshoff. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete war von 1998 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages, zuletzt als rechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Recht in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bei der vergangenen Wahl verlor sie ihr Mandat.

Im Moment gibt es eine Diskussion über ihre Qualifikation. Uns war sie bisher nicht aufgefallen und ihr Name taucht auch nicht in unserem Archiv auf. Ihr Abstimmungsverhalten in den vergangenen 15 Jahren liegt komplett auf Linie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, d.h. sie hat regelmäßig Datenschutzeinschränkungen zugestimmt, von Vorratsdatenspeicherung, über Bundestrojaner bis zu den Netzsperren. Dass sie Expertin für Datenschutzfragen sein könnte, zeigt eine Pressemitteilung von ihr aus 2011 zur Vorratsdatenspeicherung:

„Eine schnelle und wirksame gesetzliche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist dringend notwendig. Das Bundeskriminalamt, alle Generalstaatsanwälte und die Generalbundesanwältin, der Deutsche Richterbund, kurz gesagt: alle, die von der Materie etwas verstehen und Verantwortungsbewusstsein für eine funktionierende Strafrechtspflege verspüren, teilen diese Bewertung.

Der/Die Bundesauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sollte eigentlich der Regierung auf die Finger schauen und sie in Datenschutzfragen unabhängig kontrollieren. Wir fragen uns, wie das effektiv möglich sein wird, wenn dieser Posten durch eine Person besetzt wird, die dieselben Positionen und Linien des Bundesinnenministerium vertritt und bisher außer durch Forderungen nach weniger Datenschutz und mehr Überwachung in der öffentlichen Debatte zum Thema nicht aufgefallen ist.

Als ich das erste Mal davon hörte, dass dieser Posten durch Andrea Vosshoff besetzt werden soll und ihren Namen suchte, fragte ich mich für einen Moment: Die SPD kann doch nicht so blöd sein, diesen Posten der CDU/CSU zu überlassen… Aber anscheinend hat die SPD den Wehrbeauftragten bevorzugt und so wird das Amt der Bundesauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit möglicherweise zu einem Versorgungsposten, und die Behörde zu einem Abnickverein für die Bundesregierung. Und das mitten im größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit, wo Aufklärung dringend notwendig ist und die Bundesregierung den Skandal aussitzen will.

Wir hoffen immer noch,d ass Frau Vosshoff in ihre Rolle reinwachsen und die Öffentlichkeit beweisen wird, dass man auch mit dieser Vergangenheit eine unbequeme und unabhängige Stimme pro Datenschutz und Informationsfreiheit sein kann.

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11 Ergänzungen

  1. Wer die Oberaufsicht über die DSB aller öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen innehat, sollte doch mind. die Qualifikation all dieser überschreiten. Insofern sollte doch sinngemäss auch §4f BDSG für die Bundesbeauftragte gelten, der da lautet:

    “Zum Beauftragten für den Datenschutz darf nur bestellt werden, wer die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt. Das Maß der erforderlichen Fachkunde bestimmt sich insbesondere nach dem Umfang der Datenverarbeitung der verantwortlichen Stelle und dem Schutzbedarf der personenbezogenen Daten, die die verantwortliche Stelle erhebt oder verwendet.”

    Weiter sollte auch der Beschluss des Düsseldorfer Kreises sinngemäss anwendbar sein:

    “Grundsätzlich müssen die erforderlichen rechtlichen, technischen sowie organisatorischen Mindestkenntnisse bereits zum Zeitpunkt des Bestellung zum DSB im ausreichenden Maße vorliegen.”

  2. Ich hätte mir hier gerne gestern noch einen Beitrag gewünscht, der die Möglichkeit diskutiert insbesondere SPD-Mitglieder anzuschreiben, da die Bundesbeauftragte heute erst noch gewählt werden muss. Nun ist es leider etwas spät dafür…

      1. Das Zeitargument ist stichhaltig; nichtsdestotrotz: SPD-intern ist die Personalie unter Parlamentariern heiß umstritten. Deswegen wäre dies einen Versuch allemal wert gewesen, schade…

      2. Es muss noch etwas Übergeordnetes in dem offensichtlich ungleich erscheinenden Deal (Datenschutz- vs. Wehrbeauftragter) Berücksichtigung gefunden haben.
        Überdas hinaus gilt leider weiterhin: Die SPD unterschätzt die Zukunftsträchtigkeit des Themas Datenschutz völlig und betrachtet dieses Feld nicht als ihre Kernkompetenz. Das wäre ja nicht das erste Mal…

      3. @Markus:
        Weil der Posten des/der Wehrbeauftragten die Möglichkeit bietet, Ursula von der Leyen (und damit eine von nicht vielen denkbaren künftigen Kanzlerkandidat/innen der Union) zu beschädigen, ohne gleich die Koalitionsdisziplin zu unterlaufen.

  3. Das ist also keine Datenschutzbeauftragte, sondern eine Datennutzbeauftragte. Sollte man jetzt mal klarstellen.

    Klaus

  4. Wehrbeauftragter oder Datenschützer ?

    Eine Antwort aus dem Bauch heraus:
    Was das Image der beiden Positionen angeht, so erscheint mir das des Wehrbeauftragen eher dazu geeignet Pluspunkte zu sammeln in der Öffentlichkeit. Das im Sinne von „mahnend, fürsorglich, Übervater für kämpfenden Soldaten in allen Einsatzgebieten dieser Welt“.

    Wenn man versucht aus der Denkecke der kritisch bewegten Linken oder IT-Experten rauszugehen, könnte aus der Mitte heraus gesehen das Amt des Datenschutzbeauftagten eher wie das eine ewig sauertöpfischen Nörglers aussehen.
    Natürlich ist das Thema wichtig aber bewegt es die Massen in D im Moment, das wohl eher nicht.
    Ausserdem würde von einem SPD-Mann erwartet dass er was tut. Passiert hier nichts wäscht die SPD ihre Hände in Unschuld, denn sie hatte ja weder Posten noch Verantwortung inne.

  5. Datenschutz? Klar schützen wir Daten – vor Transparenz und Informationsfreiheit. Oder wir lassen Akten beim Verfassungsschutz schreddern. Oder Daten zu den TTIP-Verhandlungen – die schützen wir auch. Wir tun wirklich viel für den Datenschutz.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.