„Mr. Friedrich, übernehmen Sie“: Bundesinnenministerium und DLR besiegeln Kooperation zur Satellitenaufklärung

Das zum DLR gehörende Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation beliefert auch die Bundespolizei mit Satellitenbildern.

Das Bundesinnenministerium (BMI) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben vorgestern eine offizielle Kooperationsvereinbarung zur Nutzung von Satellitendaten unterschrieben. Damit sollen die Behörden des BMI „im Einsatzfall“ Zugriff auf „satellitengestützte Kartenprodukte“ erhalten. Gleichzeitig wird das zuvor als Forschungsprojekt betriebene Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) in den „operativen Dienst“ überführt. Das ZKI gehört zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ist zuständig für die Auswertung und Bereitstellung der Satellitenbildkarten. Das Institut, das in seiner Selbstbeschreibung kein Wort über „Fernerkundung“ auch für militärische Zwecke verliert, ist erfahren mit der Kontrolle politischer Proteste: Bereits zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und zum Nato-Gipfel 2009 in Strasbourg hatte das ZKI Polizeien mit Daten aus der Satellitenaufklärung versorgt.

In der offiziellen Pressemitteilung werden als Anwendungsgebiete Überflutungen, Ölfilme auf dem Meer, Hangrutschungen und Gebäudeschäden angeführt. Einen Hinweis auf eine Nutzung auch für polizeiliche Zwecke geben die Einsatzformen „Notfallmanagement nach zivilen Krisen“ oder „Vorbereitung von Großereignissen“.

Doch das Bundeskriminalamt (BKA) setzt längst Bilder aus der Satellitenaufklärung zur „Vorbereitung von Exekutivmaßnahmen“, „Objektaufklärung“ oder der „Aufklärung von Tatorten“ ein. Dies hatte die Bundesregierung kürzlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt. Demnach würden die Satellitenbilder auch zur „Gefährdungs- und Lageeinschätzung im Ausland herangezogen, wenn z. B. die Region aufgrund politischer oder topographischer Gegebenheiten außerhalb staatlicher Kontrolle liegt“. Unter anderem ermittelte das BKA zu Tötungen von Bundeswehrsoldaten. Hierzu wurden militärische Satellitenaufnahmen genutzt, die nach einem Amtshilfeersuchen durch die Bundeswehr überlassen wurden.

Schon 2008 traf sich das BKA mit dem DLR in einem Workshop zur polizeilichen Nutzung von Satellitenaufklärung. Beteiligt waren mehrere Landeskriminalämter, die Bundespolizei und das Bundesministerium des Innern. Neben dem großen Interesse an der Auswertung von Satellitenbildern wünschen sich die Verfolgungsbehörden auch eine Implementierung neuer Möglichkeiten der Navigation mittels GPS. Später lud das Bundesinnenministerium zum „1. Strategie-Forum Chancen und Möglichkeiten der Fernerkundung für die öffentliche Verwaltung“, zu dem neben den Polizeien auch das Verteidigungsministerium, das Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst anreisten.

Der zunehmende Einsatz von Satellitenaufklärung für polizeiliche Zwecke geht auf das EU-Projekt „Global Monitoring of Environment and Security“ (GMES) zurück. An dessen „polizeilichen Vorläuferprojekten“ waren das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das BKA beteiligt. In Forschungsprogrammen hatten die „Anwender“ mit Herstellern und Forschungseinrichtungen spätere Einsatzgebieten ausgelotet. Mitarbeiter des BKA nahmen an zahlreichen GMES-Konferenzen in Rom, Neustrelitz, Ispra (Italien), Madrid und München teil.

Im GMES-Projekt „Management of Operations, Situation Awareness and Intelligence for regional Crises“ (G-MOSAIC) forschte das BKA zum Aufspüren von Drogenanbauflächen. Mit von der Partie waren das Europäische Satellitenzentrum, die Europäische Verteidigungsagentur, der Europäische Auswärtige Dienst, die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX und Einrichtungen der UN. In einem anderen GMES-Vorhaben hatte das BKA Bilder angefordert, um deren Eignung zur Fernerkundung von Schiffen und deren Bewegungen zu prüfen. Als mögliche Einsatzzwecke galten „Schleusungskriminalität und Rauschgifthandel per Wasserfahrzeug“.

Auch die maritime Abteilung der Bundespolizei (BPOL See) unterhält einen bis 2013 gültigen Kooperationsvertrag mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Das DLR übermittelt hierfür Bilder der Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDem-X. Bereits früher hatte die Bundespolizei ebenso wie das BKA am GMES-Projekt „MARItime Security Service“ partizipiert, das auch Daten aus bodengestützten Systemen einbindet. Neben Umweltverschmutzung und illegalisierter Fischerei steht vor allem die Bekämpfung unerwünschter Migration an den Schengen-Außengrenzen im Vordergrund. Der Leiter BPOL See lobt die taktische Überlegenheit durch die Satellitenaufklärung:

Strategisch gesehen sind wir durch die Kooperation in der Lage, mit einer hervorragend aufgestellten Forschungseinrichtung an hochmodernen Technologien mitzuarbeiten. Wir sind von Anfang an mit dabei und können unsere Bedürfnisse formulieren. Wir können beratend und bewertend an der Entwicklung solcher Technologien mitwirken und diese Entwicklungen nach unseren Nutzer-Bedürfnissen beeinflussen. Taktisch gesehen gibt uns das in unserer Arbeit Informationen und Möglichkeiten an die Hand, die wir sonst gar nicht hätten. Schon heute können wir auf Produkte aus der Kooperation zurückgreifen, die es ohne sie gar nicht oder erst in ein paar Jahren gebe. Das ist ein großer Vorteil.

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4 Ergänzungen

  1. „Das Institut, das in seiner Selbstbeschreibung kein Wort über “Fernerkundung” auch für militärische Zwecke verliert, ist erfahren mit der Kontrolle politischer Proteste: Bereits zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und zum Nato-Gipfel 2009 in Strasbourg hatte das ZKI Polizeien mit Daten aus der Satellitenaufklärung versorgt.“

    Wenn das gängig zum Einsatz kommt ist die Demokratie gescheitert. Da sie nicht in der Lage war die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in einen Interessenaustausch zu einem Konsens zu führen.

    „…steht vor allem die Bekämpfung unerwünschter Migration an den Schengen-Außengrenzen im Vordergrund.“

    Wenn das zum Einsatz kommt, hat die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten außenpolitisch versagt. Da sie nicht in der Lage waren, kooperativ die Lebensbedingung in anderen Ländern zu verbessern, welches jeden Grund nehmen würde, aus Notlagen abzuwandern.

    1. Wenn die Binnengrenzen abgebaut werden, dann ist es klar, dass die Außengrenzen solidarisch gestärkt werden müssen. Es darf auch nicht sein, dass Flüchtlinge von Schlepperbanden in den Tod durch Ertrinken geführt werden.

      Das mit der Satellitenaufklärung muss man mehr als eine Rechtfertigungsstory für die Ausgaben ansehen. Preis-Leistung ist da natürlich unterirdisch. Auf der anderen Seite eröffnet das polizeilicher Arbeit bestimmt spannende Möglichkeiten.

      1. „solidarisch gestärkt“ klingt gut.

        was meinen sie damit? ist der von ihnen angesprochene flüchtlingsschutz dabei als gegensatz zu verstehen?

        .~.

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