Ministerien mussten erneut zu Enthüllungen von „Geheimer Krieg“ Stellung nehmen – Keine Ausweisung von US-Spionen

Frank_Rieger_TwitterObwohl es noch keine neue Regierung gibt, hat letzte Woche nach zwei Monaten immerhin mal wieder eine Sitzung des Bundestages stattgefunden (Video). Hierzu gehörte auch die Fragestunde, in der Abgeordnete wöchentlich zwei Fragen beantwortet bekommen. Diesmal ging es viel um die Enthüllungen des Buchs „Geheimer Krieg“ von John Goetz und Christian Fuchs und anderen Journalisten, das letzte Woche mal eben zur Auflösung der geheimdienstlichen Tarnorganisation „Hauptstelle für Befragungswesen“ geführt hat. Auch die Auftragsvergabe an die US-Firma CSC und ihre Tochterunternehmen war vielfach auf der Agenda der Fragenden.

In vielen Fällen gab es wenig Neues. Die angefragten, verschiedenen Ministerien verwiesen auf frühere Antworten, erklärten sich nicht zuständig oder setzen weiter auf das volle Vertrauen in die US-Regierung, vor allem wenn es um Spionage aus deren Botschaften geht.

Hierzu hatte sich auch Katja Keul erkundigt und wissen wollen, wie das Abhören des Merkelphone weiter geahndet würde („Sind wir uns beide darüber einig, dass dies gegen deutsches Recht verstößt?)“. Weitere Abgeordnete hatten sich der Debatte angeschlossen:

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

In der Tat hat die Bundesregierung natürlich auch gegenüber den amerikanischen Regierungsvertretern bis hin zum Präsidenten – das konnten Sie in den Medien verfolgen – ihre Verwunderung zum Ausdruck gebracht.

(Petra Pau [DIE LINKE]: „Verwunderung“!)

Wir arbeiten, wie Sie wissen, an internationalen Datenschutzabkommen. Ich glaube, das ist auch der richtige Weg. Man sollte nicht auf Verunsicherung und hypothetische Behauptungen setzen.

Hierzu gab es eine Zusatzfrage von Heike Hänsel, die wissen wollte wie deutsche Behörden kontrollieren, dass sich ausländische Dienste an das Spionageverbot halten. Auch die Reaktion der US-Botschaft wollte die Abgeordnete erfahren. Staatsministerin Pieper verwies auf „Untersuchungen des Bundesverfassungsschutzes“, alles andere sei geheim und würde im Rahmen der „nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit“ im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) behandelt. Gemeint waren wohl die Überflüge mit Hubschraubern der Bundespolizei, mit denen sich die deutschen Schlapphüte Amtshilfe holten um die Dächer der Botschaften zu überprüfen.

Deutlicher wurde der Staatssekretär des Innenministeriums Ole Schröder in seiner Antwort auf Fragen des Abgeordneten Konstantin von Notz. Es hat demnach bereits vorher Kontrollflüge gegeben:

Im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionageabwehr werden einzelne Liegenschaften bestimmter ausländischer Staaten vom BfV bereits seit längerem routinemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet.

Das für die Spionage zuständige Inlandsgeheimdienst fand tatsächlich „verdeckte Aufbauten“, diese ließen aber „nicht zwangsläufig auf das Vorhandensein von SIGINT-Technik schließen“. Gemeint ist die „Signal Intelligence“, also das Abhören funkgebundener Kommunikation oder anderer elektronischer Signale.

Doch Schröder bestätigt die Annahme, dass im Regierungsviertel abgehört wird, durch seine eigene Menschenkenntnis:

Auf die sich aus der Natur der Sache ergebende erhöhte Gefahr einer Ausspähung mobiler Kommunikation im Regierungsviertel Berlins haben die Sicherheitsbehörden regelmäßig sensibilisierend hingewiesen. Dementsprechend werden einzelne Liegenschaften bestimmter ausländischer Staaten vom Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionageabwehr bereits seit längerem routinemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet.

Trotz gefundener Aufbauten auf den Dächern, trotz der Einsicht dass eine Spionage im Regierungsviertel wahrscheinlich ist ringt sich der Staatssekretär lediglich zur Phrase durch, man nehme „die aktuell gegen die USA und Großbritannien gerichteten Spionagevorwürfe sehr ernst“. Es handele sich höchstens um Einzelfälle:

Die Aktivitäten der Nachrichtendienste der verbündeten Staaten unterlagen bislang keiner systematischen, sondern ausschließlich einer anlassbezogenen Beobachtung bzw. Bearbeitung in begründeten Einzelfällen. Wenn sich Anhaltspunkte für eine Spionagetätigkeit befreundeter Staaten ergeben, gehen die Verfassungsschutzbehörden diesen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nach.

Es wäre nicht Schröder, der Staatssekretär von Minister Hanns-Peter Friedrich, wenn das Kontrolldefizit nicht in eine Forderung zur technischen Aufrüstung umgemünzt würde. Wie üblich geht es um „Cyber“:

Die Spionageabwehr wird sich auf diese neuen Herausforderungen einstellen – dies nicht nur in personeller, finanzieller und organisatorischer Hinsicht, sondern gerade auch im Hinblick auf eine notwendige weitere Ertüchtigung, um mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten zu können. Dies gilt insbesondere auch für die Verstärkung der Cyberspionageabwehr.

Wenn wirklich mal DiplomatInnen beim Spionieren erwischt werden, werden sie entsprechend diplomatischen Gepflogenheiten „einbestellt“ und gerügt. Je nach Schwere des Vorwurfs müssen sie das Land verlassen. Dieses Verfahren nennt sich „Stille Ausweisung“. Nach Medienberichten werden auf diese Weise aber nur Spitzeleien aus China, Russland oder Südkorea geahndet. So schrieb die Süddeutsche Zeitung vor zwei Wochen:

In den vergangenen vier Jahren wurden einige Agenten zur Ausreise gedrängt: 2009 reiste ein Nachrichtendienstler aus, der am chinesischen Generalkonsulat in München eingesetzt war. 2010 musste ein Mitglied des südkoreanischen Sicherheitsdienstes NIS gehen, der in Berlin akkreditiert war. 2011 traf es zwei Geheimdienstler, die an der russischen Botschaft gearbeitet hatten. 2012 gab es die stille Ausweisung eines an der russischen Botschaft eingesetzten Offiziers, weil er heimlich versucht haben soll, trotz Ausfuhrverbots militärisch nutzbares Material zu beschaffen. Amerikanische oder britische Agenten fallen so gut wie nie auf. Die letzte stille Ausweisung von US-Agenten in Deutschland liegt 14 Jahre zurück.

Andrej Hunko wollte daher wissen, wie sich die Zahl „Stiller Ausweisungen“ im Verhältnis zu anderen Ländern, insbeson­dere Russland und China, darstellt. Staatsministerin Cornelia Pieper gab sich wortkarg. „Stille Ausweisungen“ existieren demnach, werden gegen ausländischer Dienste verhängt wenn diese hierzulande beim Spionieren ertappt werden, müssen aber geheim bleiben:

Die Bundesregierung führt keine Statistiken über Persona-non-grata-Erklärungen. Zuletzt wurde im Juni 2012 ein Diplomat ausgewiesen. „Stille Ausweisungen“ sind im Wiener Übereinkommen über Diplomatische Beziehungen nicht vorgesehen. Sie betreffen Absprachen zwischen Nachrichtendiensten, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht öffentlich gemacht werden können.

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5 Ergänzungen

  1. Krass was da alles so Geheim bleiben muss. Das ist eine komplette Parallelwelt. Und was sind denn diese „nachvollziehbaren Gründe“? Das ist auch nur eine Behauptung. Es gibt keine nicht mal nicht-nachvollziehbare.

  2. Wie war das denn bei Botschafter Murphy, der persönlich zugegeben hat, gegen den vorherigen Koalitionsvertrag spioniert zu haben, ein Mitarbeiter von Westerwelle musste gehen…

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