Merkels Fähnchen im Wind

Staatsphilosophisch hat Kanzlerin Merkel in der Betrachtung der Mittel, die der Staat zur Überwachung nutzen sollte, eine bemerkenswerte Wende vollzogen – zumindest in ihrer Rhetorik.

So sagte sie 2008 im niedersächsischen Wahlkampf in Osnabrück:

Wir werden nicht zulassen, dass technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt – dafür aber die Täter, Verbrecher und Terroristen es nutzen.“

Im Kontext der nun bekannt gewordenen Geheimdienst-Skandale sagte sie auf der gestrigen Sommer-Pressekonferenz:

„Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden. Es muss immer die Frage der Verhältnismäßigkeit beantwortet werden. Also in welchem Verhältnis zur Gefahr stehen die Mittel, die wir wählen – auch und gerade mit Blick auf die Grundrechte in unserem Grundgesetz.“

Wir danken Jan, der uns auf diese Dissonanz aufmerksam gemacht hat und sie Rahmen eines kleinen Videos zusammengeschnitten hat:

Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

12 Ergänzungen

  1. Ja nu, Merkel ist ein Polit-Profi und hat deshalb per Definition kein Problem damit, bei Bedarf die Meinung zu ändern. Das ist sozusagen ihre Aufgabe. Denn die Mehrheit von uns findet Polit-Profis toll, wie die Wahlergebnisse immer wieder zeigen.

    Wer diese Leute widerlich findet, soll bitte ausschließlich Aussenseiter, oder aber gar nicht wählen.

  2. Ein eher schwaches Argumten, schade.

    Unsere Bundeskanzlerin bietet soviel Angriffsfläche, weil sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, nicht transparent ist und auch nicht den Eindruck macht, sich für unsere Grundrechte einsetzen zu wollen.

    Stattdessen wird ihr vorgehalten, dass sie ihre Meinung geändert hat zu 2008. Das ist 5 (!) Jahre her und es ist doch völlig legitim, dass sie einen Irrtum erkennt und nicht an Positionen festhält, die sie vor langer Zeit einmal richtig gefunden hat. Wenn sie das letzte Woche gesagt hätte, wäre das etwas anderes. Aber man sollte jedem Menschen, auch dem politischen Gegner, zugestehen, sich entwickeln zu können.

    1. Hi Felix,

      eigentlich gebe ich Dir Recht. Man kann seine Meinung ändern und sich weiterentwickeln.
      Der Punkt greift hier aber nicht, da ich nach der Art der Gesetze die diese Regierung beschlossen hat (BKA-Gesetz, Bestandsdatenauskunft, weiterhin Wille zur Vorratsdatenspeicherung, Wille zum Bundestrojaner) sehen kann, dass die Regierung genau auf dem Kurs von der Aussage von 2008 ist.
      Dass Merkel jetzt das Gegenteil sagt, ist nur hohles Gerede um möglichst wenig Prozente bei der Wahl zu verlieren.

  3. “Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden. Es muss immer die Frage der Verhältnismäßigkeit beantwortet werden. Also in welchem Verhältnis zur Gefahr stehen die Mittel, die wir wählen – auch und gerade mit Blick auf die Grundrechte in unserem Grundgesetz.”
    ________________

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bnd-und-bfv-setzen-in-deutschland-nsa-spaehprogramm-xkeyscore-ein-a-912196.html

  4. „Politik ohne Angst, Politik mit Mut – das ist heute erneut gefragt. Dann wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit. Unsere Werte müssen sich im Zeitalter von Globalisierung und Wissensgesellschaft behaupten. Und wenn sie sich behaupten sollen, dann müssen wir bereit sein, die Weichen richtig zu stellen. Auch da sind wieder Widerstände zu überwinden.“

    –Rede am 16.06.2005 zum 60-jährigen Bestehen der CDU—

  5. Naja, da war die Erklärung zu Fukushima besser, da hat sie sich in zwei aufeinander folgenden Sätzen widersprochen.

  6. Spähsoftware also auch in DE. SPon über das Programm XKeyscore:

    „Monatlich hat die NSA Zugriff auf rund 500 Millionen Datensätze aus Deutschland – davon wurden im Dezember 2012 etwa 180 Millionen von „Xkeyscore“ erfasst.
    (…)
    Darin ist vom „Eifer“ des BND-Präsidenten Gerhard Schindler die Rede. „Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen“

    Hört sich für mich nach routinierter Full Take Strategie an und ist illegal. Ich fürchte, es wurde auf deutschem Boden deutsches Recht gebrochen. Wer glaubt, dass das Merkel nicht wusste, ist dumm. Aber was jetzt? Die rot-grüne Opposition ist selbst zu befangen, um die Wende zu bringen.
    Unsere Verfassung und Rechte werden ignoriert und verhöhnt. Der Alptraum wird mit einer Wohlfühl-Rede lächelnd abgetan. Eine Kanzlerin und ein Bundespräsident, die mit der Stasi gross geworden sind. So schlecht hätte sich das niemand ausdenken können. Wo sind wir eigentlich?

  7. Oh, da hat jemand mein Bild vom 16.7. gesehen! ;-)

    [img]http://i41.tinypic.com/vd1xef.jpg[/img]

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.