Lücke im Datenschutz-System? Facebook darf machen, was es will?

Das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum in Schleswig-Holstein wollte gegen Facebook vorgehen, weil deren Klarnamenspflicht gegen das deutsche Telemediengesetz verstösst und keine Pseudonyme zulässt. Aber das Verwaltungsgericht Schleswig erklärte: Deutsche Datenschutzbehörden sind für Facebook gar nicht zuständig, weil die doch in Irland sitzen. In Deutschland sitzen doch nur Vertrieb und Marketing, sowie die Lobbyisten. Klingt doch logisch!?

Nach der Europäischen Datenschutzrichtlinie und dem Bundesdatenschutzgesetz finde das deutsche Recht keine Anwendung, sofern die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union stattfinde. Dies sei hier der Fall: Die Facebook Ltd. Ireland erfülle mit dem dort vorhandenen Personal und den dortigen Einrichtungen alle Voraussetzungen einer Niederlassung in diesem Sinne mit der Folge, dass ausschließlich irisches Datenschutzrecht Anwendung finde. Die Facebook Germany GmbH hingegen sei ausschließlich im Bereich der Anzeigenaquise und des Marketing tätig. Daher sei sowohl die Anordnung der Entsperrung als auch die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig.

Irland hat kein besonders großes Interesse daran, dass es mehr Datenschutz gibt, da bei denen die ganzen Datenverarbeitenden US-Unternehmen durch EU-Niederlassungen Jobs schaffen, weil man dort kaum Steuern zahlen muss – und deshalb eine für EU-Verhältnisse laxe Datenschutzaufsicht geschenkt bekommt.

Das ULD wird die Beschlüsse des Verwaltungsgericht Schleswig vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht anfechten und Beschwerde einlegen.

Der Leiter des ULD Thilo Weichert kommentiert die Beschlüsse: „Die Entscheidungen sind mehr als verblüffend und gehen in der Argumentation über das Vorbringen von Facebook hinaus, das die Nichtanwendbarkeit des deutschen Datenschutzrechtes damit begründete, Facebook Inc. in den USA sei nur der Auftragsdatenverarbeiter der Facebook Ireland Ltd. Sie sind in sich widersprüchlich, wenn sie die fehlende rechtliche Relevanz von Facebook Germany damit erklären, dass dort keine Daten verarbeitet würden, zugleich aber das Unternehmen in Irland für zuständig erklären, obwohl dort auch keine Daten verarbeitet werden.

Eine historische Chance, endlich mal die Datenschutzschlupflöcher in der EU zu stopfen und für alle den Datenschutz zu erhöhen, bietet aktuell die EU-Datenschutzreform, denn mit dieser gelten in jedem Mitgliedsstaat die gleichen Datenschutzgesetze. Der Sitz des Unternehmens spielt dann keine Rolle mehr. Allerdings gibt es da soviele Lobbyisten, die ein Interesse daran haben, dass es weniger Datenschutz für alle gibt. Daher: Wenn Dir Datenschutz am Herzen liegt und Du etwas für den Erhalt und Ausbau unserer Privatsphäre unternehmen willst, dann werde jetzt aktiv. Kontaktiere unsere 99 deutschen (oder die paar österreichischen) EU-Abgeordnete, rund 1/7 des EU-Parlaments spricht deutsch!


Hier findest Du alle relevanten Informationen
, die man benötigt, um einer Abgeordneten oder einem Abgeordneten eine Mail, einen Brief oder ein Fax zu schicken. Man kann die sogar anrufen! Wenn sich nicht ausreichend Bürger bei denen melden, dann glauben die nur den Positionen der Industrielobbyisten, die bei denen ständig vor der Tür stehen. Weil scheint ja sonst niemanden zu interessieren!11

Über zu wenig Datenschutz kannst Du später immer noch jammern, wenn nichts passiert. Aber später könnte zu spät sein, um selbst noch Einfluss auf eine bessere EU-Gesetzgebung zu nehmen.

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5 Ergänzungen

  1. Zunächst mal muss man feststellen, dass das Gericht erst mal Herrn Weichert erklärt hat, wie Datenschutz in Europa funktioniert: nach der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 ist Weichert nicht zuständig bei Facebook Irland. Das hätte Herr Weichert wissen können. Was sollen wir aber davon halten, dass unsere Datenschützer nicht mal die Wirkungsweise der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 kennen. Sollen wir denen dann vertrauen beim Neubau einer Datenschutzverordnung?

    Wenn das Telemediengesetz anwendbar wäre, wäre es auch strittig, dass bei Facebook ein Pseudonym-Verbot verboten wäre.

    Wenn Herr Weichert nicht nur seiner Facebook-Phobie fröhnen würde, sondern sich auch um Datenschutz kümmern würde, hätte er das Pseudonymverbot nach TMG an der FAZ und Xing verproben können. Beide Sitz in Deutschland und nach EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 BDSG und TMG anwendbar. Aber darum ging es Herrn Weichert offenbar nicht. So hat er wieder mal einen effektiven Datenschutz mit seinen Facebook-Festspielen verhindert.

    Das Facebook-Bashing verhindert echten Datenschutz.

  2. Nur, damit ich es verstehe: Der Herr Weichert, der sich so auf Facebook versteift, hat von einem Gericht eine Klatsche eingefangen. Das ist der selbe Herr Weichert, der sich mindestens nicht öffentlich darum gekümmert hat, als Krankenakten psychisch Kranker offen im Internet rumlagen. Oder hat Weichert sich dazu geäußert, was er veranlasst hat, dass solche Fälle sich nicht wiederholen? Ich hab ihn immer nur in Sachen Facebook reden gehört. Aber, klar, psychisch Kranke können ja auch selbst bestimmen, wer ihre Krankenakten wie verwaltet.

    Sorry, Weichert kann ich einfach nicht ernst nehmen.

  3. Ich bin ja auch dafür, dass Unternehmen immer mehr Rechte zugesprochen bekommen und der einfache Bürger (besonders im Internet) noch mehr zensiert und mit Filtern vor bösen Inhalten geschützt wird. Wo kämen wir da hin, wenn sich plötzlich jeder privat ansehen könnte, was er wollte? Überhaupt so kritische Seiten wie diese hier sind ja auch schrecklich, das weicht ja von der Meinung der Regierungsparteien ab, Pfui!

    Sarcasm – Know the difference :)

  4. Auch Rechtsanwalt Stadler hält Weicherts Vorgehen für rechtswidrig, wenn auch aus anderen Gründen als das Verwaltungsgericht.
    http://www.internet-law.de/2013/02/klarnamenpflicht-uld-unterliegt-facebook-vorlaufig-beim-verwaltungsgericht.html

    Man fragt sich, wie bei solch einer Meinungsvielfalt unter Juristen man den Mut schöpfen kann, dass der Entwurf des DS-VO der EU eine gute Sache sein könne. Ich vermute, das wird nichts mit der DS-VO mangels klarer, umsetzbarer Vorstellungen. Insbesondere auch dem juristischen Hickhack in Deutschland. Die sollten lieber noch mal in die Denkerstube und sich sortieren als verbalradikal den politischen Gegner nieder zumachen.

  5. Und im Übrigen sind in Facebook natürlich Fantasienamen möglich! In Xing kann auch der Nachname abgekürzt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.