Leistungsschutzrecht im Bundestag: „Der Gesetzesentwurf wird einhellig von deutschen Urheberrechtlern zu Recht abgelehnt“

Das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist systemwidrig und erzeugt erhebliche Probleme. Das ist das Fazit eines Sachverständigen für den Rechtsausschuss des Bundestages. Damit das Gesetz schnell verabschiedet werden kann, soll das auch die einzige Anhörung bleiben. Die Begründung der Bundesregierung: Immerhin sitzen ja die Lobbyisten mit am Tisch.

Am Mittwoch, den 30. Januar 2013 veranstaltet der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Jetzt ist die erste Stellungnahme eines Sachverständigen online, von Prof. Dr. Gerald Spindler. Der Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Multimedia- und Telekommunikationsrecht übt grundsätzliche Kritik:

Die Einführung eines solchen nur für eine bestimmte Veröffentlichungsform (Internet) und nur für eine bestimmte Gruppe von Nutzern (Suchmaschinen und verwandte Dienste) ist systemwidrig, behandelt Urheber gegenüber Presseverlegern ungleich und erzeugt auch im Detail erhebliche Probleme.


Der Verfasser hat am Positionspapier vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, der Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) mitgewirkt, das im November zu dem Fazit kam:

Gesamthaft betrachtet scheint der Regierungsentwurf nicht durchdacht. Er lässt sich auch durch kein sachliches Argument rechtfertigen. Dass er überhaupt vorgelegt wurde, erstaunt schon aufgrund der Tatsache, dass bereits in einer Anhörung des Bundesministeriums der Justiz vom 28. Juni 2010 ein solches Schutzrecht praktisch einhellig abgelehnt wurde. Dahinter stehen selbst die Presseverleger nicht geschlossen.

Es fehlt damit jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden.

Trotz dieser scharfen Kritik von Wissenschaft und Wirtschaft soll das Gesetz möglichst schnell verabschiedet werden. So plant die Regierungskoalition, dass die Anhörung in zwei Wochen die einzige Anhörung im Deutschen Bundestag bleibt. Einwänden der Opposition, dass man in einer Sitzung nicht alle Aspekte umfassend beleuchten könnte, erteilt die Regierung eine Absage. In einem Brief der medienpolitischen Sprecher von CDU und FDP, den wir an dieser Stelle veröffentlichen, heißt es:

Unter den von der Koalition für die Anhörung des Rechtsausschusses benannten Sachverständigen befinden sich unserer Kenntnis nach mit Herrn Christoph Keese vom Axel Springer Verlag, Herrn Benno Pöppelmann vom Deutschen Journalistenverband und einem weiteren Verlagsvertreter nicht weniger als drei Sachverständige, die in ausgezeichneter Weise dazu geeignet sind, die medienrechtlichen und medienwirtschaftlichen Konsequenzen sowohl für die Verlage als auch für Journalisten und Publizisten zu beleuchten.

Die Verlags-Lobbyisten sitzen ja mit am Tisch, also kann der Deutsche Bundestag das Gesetz auch im Schnelldurchgang verabschieden. Wahrscheinlich ist der Plan, schon im Februar über das Leistungsschutzrecht abzustimmen, also noch vor einer eventuellen Änderung im Bundesrat nach der Landtagswahl in Niedersachsen.

Google freut sich unterdessen über seine Kampagne „Verteidige Dein Netz“. Fast hunderttausend Menschen unterstützen laut Google ihre Kampagne. In den Abgeordnetenbüros hält sich der Ansturm aber wohl in Grenzen. Wenn sich schon die breite Masse nicht dagegen auflehnt, könnte man ja wenigstens auf die Experten hören. Und von denen ist so ziemlich jeder dagegen.

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17 Ergänzungen

  1. Ich beschäftige mich jetzt im Detail juristisch mit dem LSR seit 3 Jahren und hab für diesen ganzen Prozess und das Umfallen der Parlamentarier fast keine Worte mehr. Ich kann netzpolitik.org gar nicht anerkennend genug dafür danken, der nagenden Geduld der Lobbyisten diesen Enthusiasmus und diese Energie entgegenzubringen.

  2. „Wenn sich schon die breite Masse nicht dagegen auflehnt,…“

    Die „breite Masse“ hat schlicht keine Ahnung was da kommen soll, und von etwaigen Konsequenzen für freie Blogger schon gar nicht.

    Und selbst WENN, das Verhalten der Bundesregierung zeigt doch deutlich, dass man auf das normale demokratische Prozedere „scheißt“.
    Die Meinung der Masse spielt schon lange keine Rolle mehr. Wie man an diesem Gesetz wieder mal schön sehen kann, entweder sind die Regierungsmitglieder „doof wie Schifferscheiße“ oder alle gekauft. Wie sonst soll man dieses Verhalten begründen?

  3. Keese ist heute abend bei Maybrit Illner zum Thema Rundfunkbeitrag. Was er da wohl zum Besten zu geben hat. Springer und RTL sind ja die gleiche Bertelsmann-Brut. Ich spüre jetzt schon meinen Blutdruck steigen.

  4. weil auch die Piraten gegen dieses Leistungsschutzrecht sind, werden sie von der Presse nur noch schlecht dargestellt, letztes Beispiel war im Spiegel der Beitrag „Sexismus in der Piratenpartei“.
    Ist das ausser mir noch keinem aufgefallen?

    1. Wie jetzt, meinst du diesen Sexismus-Beitrag, für den sie extra 3½ Monate alte (und zugegebenermaßen dümmliche) Tweets aus der Rumpelkammer geholt haben, weil die jetzt im Wahlkampf halt nützlicher sind als vor einem Vierteljahr. So als keinen Stupser mit dem Näschen ins Scheißhäufchen für alle, die noch glaubten, dass der Spiegel etwas anderes als eine reine Propagandaschleuder mit einer klaren politischen Agenda ist. Das sollte der Spiegel viel öfter machen. Damit die Insolvenzverwalter auch in Hamburg etwas zu tun bekommen.

  5. Die eine Häfte von mir hofft, dass das LSR nicht kommt, die andere Hälfte hingegen hofft, dass es kommt, und die Verlage damit so richtig schön baden gehen. Im besten Fall weigert sich Google dann einfach, etwas zu zahlen, schmeißt alle Verlagsseiten aus ihrem Index und nimmt nur die wieder auf, die Google bestätigen, kein Geld zu verlangen. Kartellrechtlich ist das ja wohl, entgegen den Behauptungen einiger Verlage, auch kein Problem, wie Thomas Stadler schon mal erläutert hat ( http://www.internet-law.de/2012/11/wie-geht-es-mit-dem-leistungsschutzrecht-weiter.html )

    Schlau wäre es von Google natürlich noch, wenn sie die Einträge nicht einfach kommentarlos entfernen würden, sondern stattdessen jeden entsprechenden Eintrag mit einem Feld a la

    „Diesen Artikel können wir dir auf Grund des Leistungschutzrechtes hier nicht anzeigen. Das tut uns leid.“

    wie sie es bereits bei Youtube mit der Gema machen. Spätestens dann würde auch die breite Masse aufmerksam werden.

    1. In der Tat. Ich begreife auch nicht mal ansatzweise die Arroganz und offenkundige Inkompetenz von Verlagen und Politiker, die genau gesehen haben was das exakt gleiche Vorgehen von Verlagen in Belgien gebracht hat.
      Wie dumm muss man sein, zu glauben hier würde es anders laufen? Oder…, man verläßt sich auf entsprechende Richter. Denn dass immer häufiger Urteile gefällt werden, deren Grundlagen man vergeblich in unseren Gesetzen findet, fällt auch dem dümmsten Hannes auf.
      Aber ich bete jedes mal zu den Mächten des Universums wenn ich von diesem unsäglichem Schwachsinn höre, dass Google den Pfeifen hier genau so den Marsch bläst.

      1. Ich begreife auch nicht mal ansatzweise die Arroganz und offenkundige Inkompetenz von Verlagen und Politiker, die genau gesehen haben was das exakt gleiche Vorgehen von Verlagen in Belgien gebracht hat.

        Die Verlage sind hier nicht dumm sondern gerissen genug, drauf zu hoffen, dass der Politik gute Presse weiterhin wichtig ist. Schmeißt Google die Verlage raus, wird die Kampagne über den ach so bösen Monopolisten erst mal richtig durchstarten und man bittet dann einfach um das nächste Gesetz oder einen bailout. Wieso auch nicht?

        Die weltfremden und unlogischen Begründungen zur Notwendigkeit des LSR haben schließlich auch nichts verhindert.

  6. Zur breiten Masse: Die weiß in der Tat simpel einfach nichts davon.
    Ich würde fast wetten, geht man auf die Straße und fragt die Leute mal, was sie vom geplanten LSR halten, dann schauen dich 7 davon nur doof an, einer will die Leute mit den netten, weißen, verkehrt herum geknüpften Jacken für dich rufen, einer hat den Begriff vielleicht schonmal gehört, weiß aber damit nichts an zu fangen und der 10. ist, vielleicht, mehr oder minder informiert.
    Netzpolitische Themen wie dieses kommen, trotz Aktionen wie die von Google, leider viel zu selten in der breiten Öffentlichkeit an und ich erlebe auch nach wie vor oft genug Leute, denen dieses „Internet“ und die Dinge die damit zu tun haben, schlicht egal ist.

  7. Bisher lebten die Pilze auf der Wiese und auf Bäumen und konnten gut zusammenleben, da auch der Baum profitierte! Jetzt geben die Pilze nichts mehr dem Baum ab und wollen trotzdem am Baum weiterleben! Also ich als Baum seh dann den Pilz als Parasit an und versuch ihn zu bekämpfen! Nur da tut sich ein Baum schwer, wenn er die Förster mit ihren Spritzmittel nicht auf seiner Seite hat :(

    Legende:
    Pilz = Presseverlag
    Baum = Google
    LSR = Parasitismus
    Förster = Bundesregierung

  8. Es läuft wie immer ab. Alle Experten sagen „Nein“ und die Abgeordneten sagen „Ja“. Da frage ich mich, warum überhaupt noch Experten befragt werden. Ich dachte ja immer, dass Experten nur deswegen zu Wort kommen, weil die Abgeordneten nicht alles wissen können. Die Experten geben einen Ratschlag und die Abgeordneten sollen diesen dann in ihrer Entscheidungsfindung abwägen. Dass dann aber alle (aus der Regierung) auf das gleiche Ergebnis kommen, kann einfach nicht sein.

    Das ist dann einfach nur eine Farce. Schafft doch diese Anhörungen ab. Die Politiker scheinen doch sowieso alles besser zu wissen.

  9. Das LSR wird. Kommen. Wurde bei schwartz-gelb bestellt und bezahlt und nun muss geliefert werden – basta!

    Kann man ja später immer noch zurücknehmen lassen durch die Qualitätsbeauftrgaten in Karlsruhe ;-)

    Argumente kann man sich beim LSR sparen – ist bloß eine Glaubensfrage – nachzulsesen beim Hofprediger der AS AG in der Bundesregierung (nicht zu vergessen die Klaeden-Klaeden-Connection).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.