Laut Snowden wappnet sich Al-Qaeda gegen den Drohnenkrieg – Mit Laserpointern und Modellflugzeugen?

Simulation des DLR vor dem Flug einer "Heron" im spanischen zivilen Luftraum
Simulation des DLR vor dem Flug einer „Heron“ im spanischen zivilen Luftraum
Simulation des DLR vor dem Flug einer "Heron" im spanischen zivilen Luftraum
Simulation des DLR vor dem Flug einer „Heron“ im spanischen zivilen Luftraum

Die Washington Post berichtet über Dokumente aus dem Füllhorn des Whistleblowers Edward Snowden, wonach Al-Qaeda sich gegen Einsätze von US-Kampfdrohnen zur Wehr setzen will. Mehrere „Experten“ seien damit befasst, entsprechende Techniken zu entwickeln. Zwar spricht die WP von „abschießen“ („shoot down“). Die genannten Beispiele sind aber eher belanglos, ähnliche Aussagen finden sich auch in linken Internetportalen oder auf Diskussionsforen zu fliegenden Kameras: Die Rede ist von Störsendern, um die Steuerung per GPS oder Infrarot zu verwirren. Al-Qaeda überlege demnach auch, selbst ferngesteuerte Modellflugzeuge in die Luft zu schicken, um Drohnenangriffe früher zu erkennen.

Die Zeitung verweist auf ein Papier der US-Luftwaffe, das vor ähnlichen Gefahren bereits 2011 gewarnt hatte. Dort heißt es z.B.:

  • Small, simple GPS noise jammers can be easily constructed and employed by an unsophisticated adversary and would be effective over a limited RPA operating area.
  • GPS repeaters are also available for corrupting navigation capabilities of RPAs. Cyber threats represent a major challenge for future RPA operations. Cyber attacks can affect both on-board and ground systems, and exploits may range from asymmetric CNO attacks to highly sophisticated electronic systems and software attacks.

Tatsächlich ist es technisch möglich, GPS-Signale zu verfälschen und Drohnen dadurch vom Kurs abzubringen. Das türkische Militar habe laut WP 2010 ein Mitglied von Al-Quaeda festgenommen, das geplant habe kleine NATO-Drohnen zum Absturz zu bringen. Um welchen Typ es sich dabei handelte meldet die Zeitung nicht – im Falle eines Quadrokopters gelang dies mittlerweile sogar Kindern.

Aber auch kommerzielle Satellitenverbindungen (SATCOM-Links) könnten gestört werden, um Drohnen vom Kurs abzubringen oder übertragene Daten unbrauchbar zu machen. Davor wird auch in dem US-Papier gewarnt. Jedoch dürfte sich die Luftwaffe kaum auf zugekaufte Bandbreiten verlassen, wenn es um die Steuerung der Drohnen geht, sondern hierfür vielmehr eigene Kapazitäten nutzen.

Probleme bereitet auch immer noch die unverschlüsselte Übetragung von Daten, wie es 2009 vom Wall Street Journal berichtet wurde.
Damals war es Aufständischen wohl möglich, Videodaten abzugreifen und hierfür eine einfache Software (SkyGrabber von der russischen Firma SkySoftware) zu nutzen. Das US-Militär versprach, die Sache aus der Welt schaffen, dies würde aber mehrere Jahre dauern. Im oben zitierten US-Papier heißt es aber, diese offene Versendung würde sogar militärisch benötigt:

Operational needs may require the use of unencrypted data links to provide broadcast services to ground troops without security clearances. Eavesdropping on these links is a known exploit that is available to adversaries for extremely low cost.

Neues zur Spionage beim DLR in Bremen?

Interessant wäre, wenn die Bundesregierung nochmal Neues zum Spionagefall in Bremen herausrücken würde, der sich scheinbar ebenfalls um eine Störung von Militärdrohnen drehte. Laut dem Nachrichtenmagazin FOCUS hatte die Polizei im April einen Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen festgenommen, der demnach „geheime Studien über Steuerung und Navigation von Drohnen“ einsehen konnte.

Das DLR ist in Dutzende Forschungen eingebunden und kooperiert hierfür mit seinen Pendants in Spanien, Italien, den Niederlanden und Frankreich. Viele Gelder für entsprechende Projekte kommen aus der EU, Ergebnisse können sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden. Im Frühjahr fand nach vorherigen Simulationen durch das DLR erstmals ein Flug einer „Heron“-Drohne im spanischen zivilen Luftraum statt.

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen, das geschädigte Unternehmen aber bislang nicht offiziell benannt. Auch zu den Auftraggebern der angeblichen Spionage wird wenig verlautbart. Der FOCUS schrieb, es handele sich „nach Erkenntnissen der Ermittler“ um den pakistanischen Geheimdienst ISI.

Die Bundesregierung ließ mitteilen, gegen den Beschuldigten werde wegen des „Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 des Strafgesetzbuches (StGB) ermittelt“. Demnach befinde er sich in Untersuchungshaft „in einer Justizvollzugsanstalt in der Bundesrepublik Deutschland“. Weitere Angaben bleiben geheim.

Es liegt aber nahe, dass es um pikante Details aus einem der größten deutschen Sicherheitsforschungsprojekte geht. Denn das DLR Bremen ist im Verbund mit sieben anderen DLR-Instituten im selbst geleiteten Vorhaben „Forschung und Entwicklung für die Maritime Sicherheit und entsprechende Echtzeitdienste“ beteiligt. Dort bringt das Institut seine Erfahrungen aus dem EU-Projekt zur Steuerung der israelischen „Heron“-Drohnen ein, die auch in Afghanistan geflogen werden. Zu den weiteren Partnern gehören die EADS-Ableger ASTRIUM und Cassidian sowie die Deutsche Flugsicherung (DFS).

Pullach übernimmt

Laut DLR sei eine enge Kooperation mit dem Bremer Netzwerk „MARISSA“ angestrebt, einem Technologiecluster von Sicherheits- und Rüstungsunternehmen. Als zukünftige Endnutzer gelten z.B. das Technische Hilfswerk und die Bundespolizei. Auf eine parlamentarische Nachfrage antwortete die Bundesregierung allerdings, die Spionage habe sich nicht bei MARISSA ereignet.

Die Angelegenheit beschäftigt nun den Bundesnachrichtendienst (BND): Ein „von pakistanischer Seite initiierter Kontakt“ mit dem BND sei mit dem Verweis auf die zuständige Behörde, also die Bundesanwaltschaft, beantwortet worden.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

3 Ergänzungen

  1. Und was für Rückschlüsse lassen sich nun aus diesem Spionage-Krimi ziehen?
    Brauchen wir noch mehr, noch effektivere, noch GEHEIMERE Dronen?

  2. Und ganz nebenbei bekommt man das Knowhow, wie man mit kleinen Modellflugzeugen richtig schöne perfide Anschläge durchführen kann.
    Das wäre früher oder später sicher von selbst passiert, durch die Bedrohung durch Drohnen bekommt das Ganze allerdings den Charakter einer intensiven Forschungsarbeit.
    Was dann bei uns wieder zur Kriminalisierung einer ganzen Hobbygruppe führen wird.

    Soviel zum Thema Risikofolgenabschätzung. Wir lernen, sie lernen und das spiralförmig.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.