Kommentar: EU-Kommission will Zweiklassen-Netz

Die EU-Kommissarin Neelie Kroes hat heute einen Verordnungsentwurf zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes in der Telekommunikation vorgestellt.

neelieFalls Brüssel endlich das Blocken und Drosseln verbieten würde, wäre das richtig und längst überfällig. Ob dieses Versprechen auch wirklich eingelöst wird, ist mit dem derzeitigen Entwurf leider noch nicht absehbar. Aber das würde auch bei weitem nicht ausreichen, um die Netzneutralität zu sichern. Denn das ist die alte Debatte um Netzneutralität: Telekommunikationsunternehmen blocken Dienste und Protokolle, um die eigenen Geschäftsinteressen zu schützen und Konkurrenten zu behindern. Das zeigt sich vor allem bei uns im mobilen Internet, wenn in vielen Tarifen im Kleingedruckten Instant-Messaging, VoIP und/oder P2P verboten ist.

Doch die Debatte ist längst eine andere. Die Telekommunikationsunternehmen sind der Meinung, dass es wirtschaftlich sinnvoller für sie ist, wenn sie Services wie Skype nicht mehr blocken, sondern Durchleitungsgebühren dafür verlangen. Das geht noch besser, wenn man dafür eine privilegierte Überholspur zur Verfügung stellt, denn dann ist eine Win-Win-Situation erreicht. Bereits etablierte Player wie Skype oder aber YouTube können es sich leisten, auf einer schnellen Überholspur zu ihren Nutzern zu kommen. Sie zahlen dafür gerne eine Mautgebühr, weil neue Wettbewerber dafür schlechtere Zugangschancen haben. Das stärkt bestehende Machtverhältnisse im Netz und verhindert Innovation durch neue Player und Technologien.
Darüber hinaus werden Telekommunikationsunternehmen auch immer mehr selbst zu Inhalteanbietern. Die Deutsche Telekom hat T-Entertain und bei T-Mobile kommt das Partnerunternehmen Spotify bevorzugt zu den Nutzern durch, alle anderen werden benachteiligt.

Das hat massive Auswirkungen auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Große Player kommen auf die Überholspuren und werden von Drosselungen ausgenommen – unsere Blogs und Podcasts aber z.B. nicht. Wenn bestimmte Inhalte gegen Geld priorisiert werden, werden alle anderen Inhalte automatisch diskriminiert.

Große Unternehmen können es sich leisten, mit vielen unterschiedlichen Internetprovidern solche individuellen Verträge auszuhandeln. Und von anderen Medienformen wie Kabelfernsehen wissen wir, dass größere Player günstigere Tarife bezahlen als die Kleinen. Denn wenn Google nicht mehr bei der Deutschen Telekom vertreten ist, ist für die Mehrheit der Kunden das Netz weniger wert. Wenn unser Blog dort nicht mehr vertreten ist, interessiert das nur unsere Leser.

Das schafft das Zweiklassen-Netz.

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10 Ergänzungen

  1. Ein Zweiklassen-Netz würde empfindlich mein Senden und Empfangen stören !
    Das ist inakzeptabel

    Menschenrechte:
    Artikel 19:

    Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

    Klagen? Und die olle Tante des Amtes entheben?

  2. Ursache und Wirkung: Daten-Flat so billig wie möglich, telefonieren kostenlos (Skype), chatten kostenlos (Whatsapp), alles möglichst kostenlos … Google, Facebook & Co zeigen, dass man das Geld woanders holen muss als beim Endnutzer – welchen Schluss sollten die Netzbetreiber denn daraus ziehen?

    Es fasse sich jeder an die eigene Nase und überprüfe sein Verhalten!

    1. Ich denke, das geht am Kern des Problems vorbei. Solange sich die Anbieter auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – nämlich einen Zugang anbieten – ist es unproblematisch. Sobald aber eigene Inhalte dazukommen, wie z.B. Entertain und Co., schafft der Anbieter sich selbst einen Interessenkonflikt. Um die eigenen nicht unerheblichen Investitionen zu schützen, werden Mitanbieter gleicher oder ähnlicher Inhalte eben ausgebremst.

      1. Niho hat völlig Recht! Auch im Kerngeschäft will keiner zahlen. Die Deutsche Telekom Technik GmbH soll Milliaden in die Infrastruktur investieren, aber alle dürfen mit reguliert billigen Preisen die Kunden abfischen. Wer (die Lobby) hat, der kann! Aber auch unser Konsumentenverhalten zählt. Zahlen sich die 12 Millionen in Sicherheit investierten Gelder der Telekom als deutscher Anbieter aus oder gehen wir lieber zu einem billigen global Player? NSA / GCHQ Schnüffelprogramm, gehackter Router, geklaute Kundendaten, Steuerskandal … alles keine Gründe für einen Anbieterwechsel.

  3. Player = Spieler (Zocker) ??
    Was gefällt euch denn an eurer Muttersprache nicht?
    Sie ist viel differenzierter und präziser als das Neandertal-englisch.
    Alternativ schlage ich „Mitbewerber, Wettbewerber, Neueinsteiger oder Konkurrenten“ vor.
    Zum Thema.
    Wer das Geld hat, der bestimmt die regeln des Marktes.
    So ist unser kapitalistisches System nun einmal ausgelegt.
    Wer daran nachhaltig etwas ändern will, muss zuerst dieses System beseitigen und ein Neues etablieren.
    Viel Glück!

  4. Leute,

    ich arbeite bei nem Anbieter. ALSO: Personalkosten, Energiekosten (meiner hat 100% Ökostrom) und Technik sind unsere Kostentreiber. Also müsste alles bei uns immer teurer werden. Nein, wird alles immer billiger. Was sollen wir tun? Atomstrom und alle Arbeitsplätze ins Ausland verlagern damit ihr für 2,95 Euro so viel surfen könnt wie ihr wollt in Topp Qualität? Oder das System beseitigen? Tickt ihr noch richtig? Ihr beseitigt euch und die Gesellschaft von der ihr immer nehmt auf Dauer nur selbst. Und dabei lasst ihr euch von euren Billigheimer Whatsapp Googles und Co ausspionieren – Hauptsache KOSTENLOS ODER TOPP BILLIG :-))) hahaha!

    1. Da glaubst Du schön was Du glauben sollst. Aber das ist den Managern deines Unternehmens egal denn die bekommen weiterhin die dicke knete. Früher hat man mal gearbeitet um zusammen ein Ziel zu erreichen und davon allen Beteiligten etwas abgegeben nur der Kopf der Unternehmung hat einen größeren Anteil bekommen. Aber das Zauberwort heißt GIER! Es ist normal geworden den Leuten ihren gerechten Teil vom Kuchen legal weg zu nehmen und wer dagegen was sagt hat keine Ahnung oder wird eingesperrt! Widerstand!

  5. Genau das ist der nächster Schachzug. Wenn die Erpressung über die Drosselung nicht funktioniert, wird einfach generell behindert, gedrosselt etc. und DANN bietet man „Premium“-Dienste an. „Premium“ heisst in diesem Fall einfach normales Internet ohne Handbremse – so wie heutzutage.

    Den Anbietern wie Drosselkom & Co. geht es gut. Es gibt genug Liquidität, Dividende, Marktstellung etc. Der Wertverlust ihrer Aktien ist nicht durch den „gierigen Kunden“ enstanden sondern durch eigene fatale Fehler und genau das sollen wir nun alle bezahlen – NEIN!

  6. Bei der ganzen Debatte sollten wir berücksichtigen, dass ca. 5% der Top user ca. 80% der Netzkapazität belegen nicht nur in D, in anderen Ländern ist das ähnlich.

    Man könnte natürlich die Netzinfrastruktur wieder in öffentliche Hände geben und die sollen für Netzneutralität sorgen, Dienste bleiben privatisiert.

    Aber auch die öffentliche Hand muss den wachsenden Anforderungen gerecht werden und die Infrastruktur ausbauen. Und wir ALLE zahlen das mit höheren Steuern, sicherlich auch nicht recht.

    Bedarfsgerechte Kapazität ja, blocken aus Eigeninteresse nein, aber Subvention von ein paar Nerds durch die Allgemeinheit erst recht nicht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.