Internetüberwachung: Worauf die Bundesregierung nicht öffentlich antworten will

Oder: Keine Antwort ist auch eine Antwort

115 Fragen hatte die SPD am 26.7.2013 an die Bundesregierung in Form einer Kleinen Anfrage gestellt. Zum „Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen mit den US-Nachrichtendiensten (BT-Drucksache 17/14456 – Anfragetext als pdf)

Der SPD Abgeordnete Thomas Oppermann hat die 50-seitige Antwort unlängst als Scan (pdf) im Netz veröffentlicht. Im Dokumentensystem des Bundestags liegt die Antwort noch nicht vor. Hier eine per Schrifterkennung (OCR) ausgelesene Version (rtf).

Siehe dazu auch „Regierung hält ‚Full take‘ für legitim“ auf golem.de und hier bei netzpolitik.org „115 Fragen und kaum Antworten“.

27 Fragen beantwortete die Bundesregierung nur teilweise oder gar nicht öffentlich:

Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Fragen 3, 10, 16, 26 bis 30, 31, 34 bis 36, 38, 42 bis 44, 46, 47, 49, 55, 61, 63, 65, 76, 79, 85 und 96 aus Geheimhaltungsgründen ganz oder teilweise nicht in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil beantwortet werden können.“ (S. 3)

Auf den folgenden Seiten (S.3- 5) werden langatmig Begründungen für die Geheimhaltungen angeführt. Die sollte jeder, der sich an Bürokratenprosa ergötzen kann, lesen. Ganze kurze Fassung: Das ist geheim, weil und damit es geheim ist. Etwas länger gefasst, werden folgende Gründe angeführt:

  • „wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig“
  • „Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes im Hinblick auf die künftige Auftragserfüllung besonders schutzbedürftig„
  • ließe „Rückschlüsse auf die Aufklärungsschwerpunkte zu“
  • „vorausgesetzte Vertraulichkeit der Zusammenarbeit ist die Geschäftsgrundlage für jede Kooperation unter Nachrichtendiensten
  • „aus Gründen des Staatswohls ganz oder teilweise geheimhaltungsbedürftig.“

Welche Antworten nicht oder nicht komplett der Allgemeinheit zugänglich sind, wird hier im Folgenden aufgelistet. Die (Teil-)Antworten unterliegen einer von vier möglichen Geheimhaltungsstufen: Verwendung finden die niedrigste Verschlusssache: „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“, die nächst höhere Stufe „VS – VERTRAULICH“ und die zweithöchste Stufe „GEHEIM“.

Durch die Verwendung einer OCR-Software können die Textausschnitte Fehler enthalten.

Frage 3:
Weiche Kenntnisse hat die Bundesregierung zwischenzeitlich zu PRISM, TEMPORA
und vergleichbaren Programmen? [Antwort & VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH ]

Frage 10:
Welche Gespräche gab es seit Anfang des Jahres zwischen den Spitzen der Bundesministerien, BND, BfV oder BSI einerseits und NSA andererseits und wenn ja: Wass waren die Ergebnisse? War PRISM Gegenstand der Gespräche? Waren die Mitglieder der Bundesregierung über diese Gespräche informiert? Und wenn ja. inwieweit? [Antwort & GEHEIM]

Frage 16:
Welche Hinweise hat die Bundesregierung darauf, ob und inwieweit deutsche oder europäische staatliche Institutionen oder diplomatische Vertretungen Ziel von US-Spähmaßnahmen oder Ähnlichem waren? Inwieweit wurde die deutsche und europäische Regierungskommunikation sowie die Parlamentskommunikation überwacht? Konnten die Ergebnisse der Gespräche der Bundesregierung dieses ausschließen? [Antwort  & GEHEIM]

Frage 26:
Wie wurde die Einhaltung der Zusicherung der amerikanischen Regierurg bzw. der NSA aus dem Jahr 1999, der zufolge Bad Aibling „weder gegen deutsche Interessen noch gegen deutsches Recht gerichtet’1 und eine „Weitergabe von Informationen an US‘ Konzerne“ ausgeschlossen ist, durch die Bundesregierung überwacht? [VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH]

Frage 27:
Gab es Konsultationen mit der NSA bezüglich der Zusicherung? [VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH]

Frage 28:
Hat die Bundesregierung den Justizminister Eric Holder bzw. den Vizepräsidenten Joe
Biden auf die Zusicherung hingewiesen? [VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH]

Frage 29:
Wenn ja, wie stehen nach Auffassung der Bundesregierung die Amerikaner zu der
Vereinbarung? [VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH]

Frage 30:
War dem Bundeskanzleramt die Zusicherung überhaupt bekannt? [VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH]

Frage 31
Welche Überwachungsstationen in Deutschland werden nach Einschätzung der Bundesregierung von der NSA bis heute genutzt/mit genutzt? [Antwort & GEHEIM]

Frage 34:
Wie viele Anschläge sind durch PRISM in Deutschland verhindert worden? [Antwort & GEHEIM]

Frage 35:
Um welche Vorgänge hat es sich hierbei jeweils gehandelt? [Antwort & GEHEIM]

Frage 36:
Welche deutschen Behörden waren beteiligt? [Antwort & GEHEIM]

Frage 38:Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, dass der Regierungssprecher Seibert in der Regierungskonferenz am 17. Juli erläutert hat, dass das in Afghanistan genutzte Programm .PRfSIvT nicht mit dem bekannten Programm „PRISIVT des NSA identisch sei und es sich statt dessen um ein NATO/ISAF-Programm handele, und der Tatsache, dass das ßundesministerium der Verteidigung danach eingeräumt hat, die Programme seien doch identisch? [Antwort und VS-VERTRAULICH]

Frage 42:
In welchem Umfang stellen die USA (bitte nach Diensten aufschlüsseln) welchen deutschen Diensten Daten zur Verfügung? [Antwort & GEHEIM]

Frage 43:
In welchem Umfang stellt Deutschland (bitte aufschlüsseln nach Diensten) welchen amerikanischen und britischen Sicherheitsbehörden (bitte aufschlüsseln) Daten in welchem Umfang zur Verfügung? [Antwort & GEHEIM]

Frage 44:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, dass die USA über Kommunikationsdaten verfügt, die in Krisensituationen, beispielsweise bei Entführungen, abgefragt werden könnten? [Antwort & GEHEIM]

Frage 46:
Kann es nach Einschätzung der Bundesregierung sein, dass die USA deutschen Diensten neben Einzelmeldungen auch vorgefilterte Metadaten zur Analyse übermitteln? [GEHEIM]

Frage 47:
Zu welchem anderen Zweck werden sonst die von den USA zur Verfügung gestellten
Analysetools nach Einschätzung der Bundesregierung benötigt? [GEHEIM]

Frage 49:
Um welche Datenvolumina handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung ggf.? [GEHEIM]

Frage 55:
Werden die Ergebnisse der deutschen Analysen (egal ob aus US-Analysetools oder
anderweitig) an die USA rückübermittelt? [Antwort + GEHEIM]

Frage 61:
Welchem Ziel dienten die Treffen und Schufungen zwischen der NSA und dem BND
bzw. dem BfV? [Antwort + GEHEIM]

Frage 63:
Was ist nach Einschätzung der Bundesregierung darunter zu verstehen, dass die NSA den BND und das BSI als „Schlüsselpartner“ bezeichnet? Wie trägt das BSI zur Zusammenarbeit mit der NSA bei? [Antwort + VS-VERTRAULICH]

Frage 65:
War der Erhalt von „XKeyscore1′ an Bedingungen geknüpft? [GEHEIM]

Frage 76:
Wie funktioniert „XKeyscore“? [Antwort & GEHEIM]

Frage 79:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, ob und welchem Umfang auch Kommunikationsinhalte durch „XKeyscore“ rückwirkend bzw. in Echtzeit erhoben werden können. [GEHEIM]

Frage 85:
Welche Datensätze haben die deutschen Nachrichtendienste zwischen 2010 und 2012
an US-Geheimdienste übermittelt? [Antwort & GEHEIM]

Frage 96:
Weiche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Kummunikationsinfra-struktur insgesamt, insbesondere aber die kritischen Infrastrukturen gegen derartige Ausspähungen zu schützen? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Vertraulichkeit der Regierungskommunikation, der diplomatischen Vertretungen oder anderer öffentlicher Einrichtungen auf Bundesebene zu schützen? [Antwort & GEHEIM]

Fragen insgesamt: 115.

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13 Ergänzungen

  1. verarsche hoch 5. wer hat was anderes erwartet. das ausspionieren meiner mails ist schließlich (GEHEIM & Topsecret & Verschlusssache). Man sollte sie alle zum Teufel jagen diese verlogene Bande.

  2. Frage 49:
    Um welche Datenvolumina handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung ggf.? [GEHEIM]

    Soso. Das Datenvolumen ist also geheim. Also duerften das weitaus mehr als ein paar KB fuer „die wenigen Faelle“ sein.

  3. Wie viele Anschläge sind durch PRISM in Deutschland verhindert worden?

    Ich habe noch eine vage Erinnerung, dass unser Innenminister nach seiner USA-Reise erwähnt hat, wie viele Anschläge auf deutschem Boden (mit Hilfe der NSA) verhindert wurden. Diese Zahl konnte man als Antwort auf diese Frage nicht wiederholen?
    Sehr suspekt das Ganze!

    1. Man kann davon ausgehen, dass Friedrich keine Ahnung hat oder bewusst lügt. Zuerst waren es meine ich 7 verhinderte Anschläge, dann waren es 2 und dann meinte er, man könnte es nicht genau sagen ob und wie viele es waren.

      1. Die Jungs können offenbar nicht einmal zählen oder aber sie sind so verwirrt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, einen verhinderten Anschlag als einen solchen zu identifizieren. Die Lachnummer schlechthin!

  4. Möglicherweise eine blöde, aber ernstgemeinte Frage: gibt es eigentlich eine Möglichkeit, als normaler Bürger Einsicht in Verschlusssachen zu bekommen, ohne dass man (a) als MdB im Parlamentarischen Kontrollgremium sitzt oder (b) Beamter beim jeweiligen Nachrichtendienst wird?

    1. Versuchen Sie es zur Abwechslung doch mit modischen Koffern und dem dazu passenden Inhalt. Sie wissen schon: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ Diese Variante soll laut Hörensagen immer wieder zu erfreulichen Resultaten geführt haben. Nehmen Sie aber bitte Abstand von Drohungen und Schikanen gegenüber dem näheren Familienumfeld des zu Befragenden. Auf diese Verfahren haben sich nämlich die Sicherheitsbehörden(TM) in „weiser Voraussicht“ bereits vor geraumer Zeit ein Patent gesichert.

  5. Weiß jemand ob es möglich ist aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes gegen die „nicht-Herausgabe“ von Informationen zu klagen?

    MfG
    Optimits

  6. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, weiß der Volksmund. Und seit der Antike: „Ein Lügner muß ein gutes Gedächtnis haben“. Auch jenseits massiver Gehirnwäsche vergessen Völker so schnell nichts. Die Spezialdemokraten sind Spezialisten für Anbiederung und Verrat seit dem 1. Weltkrieg. Die eigentliche Frage an jede Regierung müßte doch lauten: Seid Ihr eine deutsche Regierung oder die Lakaien einer feindlichen Macht, die Ihr auf unserem Territorium mästet? Seit wann duldet ein souveräner Staat feindliche Truppen, die hier spionieren können, wie es ihnen paßt? Denen das Wasser, den Strom abstellen, die Flugrechte, jegliche Logistik entziehen, dem deutschen Hilfspersonal die Arbeitserlaubnis auf den Stützpunkten verweigern, ist die einzige Sprache, die das Pack versteht. Sie mit den eigenen Waffen schlagen. Denn seit wann haben die USA sich je an Verträge gehalten? Sie haben jeden Vertrag gebrochen. Auch die Vereinbarungen der 2+4-Verträge, auf dem Territorium der Ex-DDR keine NATO-Truppen zu stationieren, Flugplätze für Kriegseinsätze zu nutzen. Der Abzug aller Besatzungstruppen ist nach dem Völkerrecht nach der Wiedervereinigung überfällig. Die SPD-Empörung über die Lauschpraktiken ist geheuchelt, Spiegelfechterei, Geschwätz. Niemand glaubt der SPD-Führung Unwissenheit über Interna des 11.9.2001. Die Lügenkampagne hat sie längst eingeholt. Ihr Außenminister Steinmeier
    hat kaltschnäuzig deutsche Staatsbürger im US-KZ Guantanamo schmoren lassen, US-Folterflüge über Ramstein gebilligt, sich ohne Grund am US-Terrorkrieg in Afghanistan beteiligt. Diese Lügner vertreten
    schon lange nicht mehr deutsche Interessen.

  7. Allerdings sieht das nach einem Schmierentheater der mittleren Parteiebene aus, da die Abhörmaßnahmen auch zu Zeiten einer SPD-Regierung stattfanden und somit diese Fragerei aus Sicht der SPD überflüssig wäre.
    Aber es ist ja demnächst Bundestagswahl…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.