Internet-Zensur in Russland weitet sich aus: Politische Gegner, Mein Kampf, Glücksspiel, Bestechung und Cartoons

In Russland werden immer mehr Webseiten zensiert, wie aus einer Auflistung im Februar gesperrter Seiten hervorgeht. Das zugrundeliegende Gesetz sollte nur Kinderpornografie, Drogenkonsum und Suizid-Anleitungen sperren, doch es betrifft immer harmlosere Inhalte. Auch westliche Internet-Firmen kooperieren mit der russischen Zensurbehörde.

Am 1. November 2012 berichteten wir, dass in Russland ein neues Gesetz zur Internet-Zensur in Kraft getreten ist. Und auch wenn wir damals kommentiert haben: „Es ist alles eingetreten, wovor wir immer gewarnt haben, sogar noch schlimmer“: Es geht immer noch schlimmer.

Andrei Soldatov, der russische Journalist, der die Internet-Zensur maßgeblich recherchiert und darüber publiziert, hat eine neue Liste von Inhalten veröffentlicht, die im Februar zensiert wurden. Rein zahlenmäßig sind jetzt Glücksspiel-Seiten und Online-Casinos der Spitzenreiter mit mehr als 75 beantragten Seiten-Sperren. Dicht gefolgt von Drogen, mit 72 Seiten, etwa Seiten zu Hanfsamen. Ein weiterer Schwerpunkt bleibt „Extremismus“ mit mehr als 50 Seiten, darunter Adolf Hitlers schwer lesbare Schmähschrift „Mein Kampf“.

Der russische Weblog-Anbieter LiveJournal sperrte im Februar den Account von Mikhail Yakovlev, dem Oppositionsführer in Russlands siebtgrößter Stadt Omsk. Ihm wurde zwar mitgeteilt, dass seine Seite in die Liste der verbotenen Seiten aufgenommen wurde, jedoch nicht, warum. Yakovlev selbst vermutet als Grund entweder seine Kritik an einem Oblast-Gouverneur oder seine liberale Position über weiche Drogen.

Beliebt sind auch Webseiten mit Tipps zu Bestechung, von denen im Februar gleich mehrere der Zensurbehörde vorgelegt wurden. Eine Webseite mit falschen Uni-Abschlüssen trifft das selbe Schicksal.

Der bekannte Designer und Blogger Artemy Lebedev hatte auf seinem Blog das Cartoon-Musik-Video Dumb Ways to Die verbloggt. Dieser Blog-Beitrag wurde auch gesperrt – weil das Video angeblich Suizid fördere.

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Laut Wikipedia war auch das YouTube-Video von Russland aus gesperrt. Gegenüber der New York Times gibt sich Google als Zensur-Gegner. Im Falle eines Halloween-Videos, das zeigt wie man mit Schminke das Aufschneiden von Pulsadern imitieren kann, klagt YouTube gegen die Zensur-Anordnung.

Andere Firmen zeigen nicht so viel Einsatz. Facebook hat vergangenen Freitag die Gruppe „Club Suicid“ gesperrt, die von der russischen Zensurbehörde Roskomnadzor gemeldet wurde. In einem Statement sagte Facebook, dass man auch landes-spezifische Sperren einrichtet, vor allem in Deutschland und Frankreich (gegen Holocaust-Leugnung) und in der Türkei (gegen Diffamierung von Staatsgründer Atatürk).

Auch Twitter hat im März begonnen, einzelne Tweets in Russland zu löschen (wie auch in Deutschland): Zwei wegen dem „vermuteten Versuch mit illegalen Drogen zu handeln“ und drei wegen der „Förderung von Selbstmordgedanken“, darunter einer von @sult:

Friends, commit suicide, it’s fun. I tried, and I loved it, I will do it again tomorrow.

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14 Ergänzungen

  1. „Der russische Weblog-Anbieter LiveJournal sperrte im Februar den Account von Mikhail Yakovlev, dem Oppositionsführer in Russlands siebtgrößter Stadt siebtgrößte Stadt.“
    Die Stadt heißt Omsk.

  2. Zensur ?

    „Viel Lärm um nichts“ So müsste die Überschrift heißen.

    Welche politischen Seiten wurden gesperrt ? Mein Kampf ???

    Erst mal bitte richtige beweise sammeln und dann große Überschriften klopfen !!

    Wenn der Russische Staat gegen Kinderpornografie, Drogenkonsum und Suizid-Anleitungen kämpft so hat er meine volle Unterstützung.

    Danke

    Mfg aus Kaiserslauetrn

      1. Davon abgesehen, wird es auf jeden Fall nicht dabei bleiben. Die Sperren werden nach und nach immer weiter ausgedehnt. Im Artikel heißt es ja so schön „Das zugrundeliegende Gesetz sollte nur Kinderpornografie, Drogenkonsum und Suizid-Anleitungen sperren“. Das zeigt erstmal auf, wo die Reise hingeht. Und solche Intelligenzbolzen, die sagen „wenn es gegen das Thema x geht, bin ich dafür“, oder das altbekannte „Wer nichts zu verbergen hat, würde auch nie auf diese Webseiten gehen“, forcieren das ja noch.

        Irgendwann fällt einem dieser Beamtenschädel vielleicht noch ein, dass es viel zu gefährlich ist, wenn jeder im Internet den Sender spielen kann, weswegen aus dem Internet ein TV 2.0 gemacht wird. Grusliger Gedanke.

    1. @wolf

      „zensur?“ -> ja, es wird zensiert!!! Nur weil es in deinem Interesse ist, ist es nicht weniger Zensur wie vorher!!

      Also stellt sich jetzt die Frage, ob man für ein freies Internet ist oder eben wie auf Fernsehbasis einem alles vorgegeben wird!

      Damals hätten Leute wie du argumentiert: Ist ja gut, dass schwulenfreundliche Seiten gesperrt werden, weiß ja jeder, dass sowas ganz schlimm für die Jugend ist!! Denkt denn keiner an die Kinder??

      Wieviel Geschichtsunterricht braucht du, um zu wissen, dass es nicht dabei bleiben wird? Wieviel Geschichtsunterricht brauchst du, um festzustellen, dass es Russland einzig um einen starken Zensur/Überwachungsapparat geht (Vorbild China)! Schau mal die Leaks zu den gesperrten Seiten in anderen Ländern an und sag mir, wo es funktioniert bzw. nur bei „schlimmen Seiten“ geblieben ist?

      Derzeit ist es noch im Interesse der Mehrheit, aber reden wir in 5 Jahren weiter…

  3. Der Autor versucht es als Politische Zensur zu verkaufen aber die Gibt es in Russland so nicht !! Falls dem Autor die Zensur von Kinderpornografie, Drogenkonsum und Suizid-Anleitungen nicht genehm sind so sollte es auch so schreiben !!!!

  4. „Im wurde zwar mitgeteilt, dass seine Seite in die Liste der verbotenen Seiten aufgenommen wurde, jedoch nicht, warum.“
    * ihm

  5. Also bzgl. der Kritik ggü. diesem Artikel hier muss ich Wolf schon recht geben. Dieser stumpfsinnig russlandkritische Artikel ist ein sehr gutes Beispiel, was dieses Blog eigentlich täglich zu kritisieren behauptet.

    Dass der Aufbau einer Infrastruktur zur Informationsfilterung in einem Land, in dem noch länger eine instabile Rechtsdurchsetzung herrscht, eine Gefahr darstellt, ist wahr. Doch liegt dadurch noch lange kein Grund vor, sich auf das Niveau eines Boulevardblattes abzusteigen. Man hätte sich doch zumindest bemühen können konsequenterweise die Statistik zu den Festnahmen im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornographie mit anzugeben, um das typische Argument gegen die einfache Zensur von Kinderpornographie zu bekräftigen.

  6. @ Hans

    @wolf

    „“zensur?” -> ja, es wird zensiert!!! Nur weil es in deinem Interesse ist, ist es nicht weniger Zensur wie vorher!!“

    So eine Art Zensur gibt es in Italien, Frankreich, USA, Schweiz und natürlich bei uns in Deutschland !!! (Bei uns ist die Politische Zensur viel mehr ausgeprägt als in Russland)

    „Damals hätten Leute wie du argumentiert:“

    Leute wie ich ???

    Ist ja gut, dass schwulenfreundliche Seiten gesperrt werden, weiß ja jeder, dass sowas ganz schlimm für die Jugend ist!! Denkt denn keiner an die Kinder??

    Wurden in Russland „schwulenfreundliche“ Seiten gesperrt ? Ich kenne keine !!! Sie ?

    „Wieviel Geschichtsunterricht braucht du, um zu wissen, dass es nicht dabei bleiben wird? Wieviel Geschichtsunterricht brauchst du, um festzustellen, dass es Russland einzig um einen starken Zensur/Überwachungsapparat geht“

    Im Gegensatz zu Ihnen bin ich über die Medien in Russland sehr gut Informiert. In russischen Medien herscht viel mehr Meinungsvielfalt als bei uns. Es gibt nicht immer nur eine „Richtung“ wie bei uns
    z.B: Iran, Nordkorea, Syrien, „Klimaerwärmung“ usw…

    „(Vorbild China)!“

    Ich kann Ihnen nicht sagen wie streng es in China zensiert wird aber ich bin zu 100% davon überzeugt das es in China noch nie so viel Information und Meinungen gab wie heute. China wird von Jahr zu Jahr freier im Gegensatz zu uns. Soll jetzt kein vergleich sein (China hat noch einen langen Weg)

    „Derzeit ist es noch im Interesse der Mehrheit, aber reden wir in 5 Jahren weiter…“

    ok

  7. Wir dürfen eins nicht außer Acht lassen: Nach den Shitstorm-Berichten werden auch hierzulande Stimmen lauter, die eine Zensur für denkbar halten… Nicht dass wir nachher im Glashaus sitzen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.