Initiativbericht: Europaparlament schlägt Pornographie-Verbote in Medien vor

EU-Politiker fordern ein „Verbot aller Arten von Pornographie in den Medien“. Das geht aus einem Bericht über den Abbau von Geschlechterstereotypen hervor, über den das Europäische Parlament nächsten Dienstag abstimmen will. Ein Verbot von Pornografie im Internet ist unwahrscheinlich, trotzdem wäre ein solcher Beschluss ein falsches Signal.

Am Dienstag behandelt das Europäische Parlament einen „Bericht über den Abbau von Geschlechterstereotypen in der EU“. Leider versteckt sich in diesem wichtigen Vorhaben ein gefährliches Detail.

In Absatz 17 heißt es:

Das Europäische Parlament […] fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, auf ihre Entschließung vom 16. September 1997 zur Diskriminierung von Frauen in der Werbung, die ein Verbot aller Arten von Pornographie in den Medien sowie von Werbung für Sextourismus fordert, konkrete Maßnahmen folgen zu lassen.

Weder der Initiativbericht noch die Entschließung definieren dabei, was genau unter „Medien“ (oder „Pornographie“) zu verstehen ist. Konnte man 1997 Parlamentariern noch zugestehen, das Internet nicht als „Medium“ wahrzunehmen, sollte im Jahr 2013 klar sein, dass auch das Internet darunter fällt. Und ein Verbot von Pornografie im Internet ist eher so semi-intelligent.

Ein weiterer Kritikpunkt findet sich in Artikel 14:

Das Europäische Parlament […] fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den betreffenden Interessengruppen eine Charta zu erarbeiten, zu der eine Einladung zum Beitritt an alle Internetdiensteanbieter erfolgen würde.

Das ist mal wieder ein Versuch, die Freiheit im Internet auf dem kurzen Dienstweg mit privaten Firmen durchzusetzen. Die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung haben wir schön öfters kritisiert.

Nun ist das Vorhaben nur ein Initiativbericht, er wird also keine Gesetzeskraft entfalten und ist eher eine Meinungsäußerung des Parlaments. Trotzdem sollten diese Punkte nicht angenommen werden. Laut European Digital Rights untergräbt das Parlament sonst seine eigene Glaubwürdigkeit.

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14 Ergänzungen

  1. Laut European Digital Rights spricht davon untergräbt das Parlament sonst seine eigene Glaubwürdigkeit.

    Euer letzter Satz sieht irgendwie endet in Verwirrung.

  2. Mal gucken was aus Artikel 18 wird.
    „Calls on the EU to conduct research into the links between child pornography and adult pornography […]“
    Nun stellt man sich vor, es wird wirklich untersucht (wie bereits schon in 100en Fachzeitschriftbeitraegen geschehen, aber lieber noch mehr Forschung machen bis man das richtige ergebnis hat) und man kommt zum Ergebnis: no causal relation. Wird das dann auch irgendwo vermerkt (zB im Impact Assessment der KOM)? Ich glaube kaum, denn der wissenschaftsbasierte Ansatz zur Gesetzgebung in der EU ist rein strategisch politisches Instrument um bereits bestehende Positionen zu untermauern, nie um sich vom Gegenteil ueberzeugen lassen oder sich einzugestehen: it s just too complex!!

    1. Mal gucken was aus Artikel 18 wird.
      “Calls on the EU to conduct research into the links between child pornography and adult pornography […]”

      Das halte ich ehrlich gesagt für das größte Problem von allen, oder zumindest nicht minder problematisch als die ganze andere gequirlte Scheiße in diesem Entwurf. Denn damit wird man am Ende durch die Hintertür versuchen, Pornografie wenn man sie nicht verbieten kann so sehr in Misskredit zu bringen, dass es am Ende heißt das nur kranke Perverslinge Pornos (und damit meine ich die völlig legalen Erwachsenen-Pornos) konsumieren.

      Das Papier hätte als ganzes abgelehnt werden müssen. Von hinten bis vorn. Jeder einzelne Absatz da drin offenbart ein Weltbild welches nur schwer vereinbar ist mit einer liberalen toleranten Gesellschaft wie wir sie bisher hatten.

      Und es zeigt, dass es nach wie vor Nachholbedarf gibt bei der Verteidigung sexueller Freiheiten. Die Netzpolitiker, die bereits auf EU-Ebene gut etabliert sind, konnten durchsetzen dass das Online-Porno-Verbot rausfliegt. Aber sexuelle Freiheit hat keine Lobby, und meine Befürchtung ist dass das Bewusstsein für die Gefährdung der sexuellen Freiheit durch puritanische und radikal feministische Lobbies auf EU-Ebene erst dann eintreten wird wenn es schon zu spät ist.

  3. Die schlimmen Dinge finden nämlich immer in diesen Chats statt. Maskierungsverbote vor dem Rechner (z.B. Verbot vonn Sturmhauben) bei Einwahl ins Internet sind auch sehr hilfreich. Auf der Datenautobahn wird natürlich auch eine konsequent durchgreifende Datenautobahnpolizei benötigt. Vergesst bitte nicht die Betreuung von Chaträumen durch polizeilich bestellte Channel-Ops als Freunde und Helfer einzubringen.

    „Pornographie“ ist auch nach deutschem Recht strafbar und geschäftlich alles sittenwidrig. Insofern verstehe ich auch nicht die Aufregung der Isländer. Der Bericht ist nur ein – gääähn – INI-Bericht. Also die Kategorie gelesen, gelacht, gelocht.

    Guckt Euch mal intensiv die Pläne bei NISD an. Das ist ganz wichtig. Da dürfte es sehr gefährlich werden, auch mit der Umsetzung von ähnlichen Vorschlägen!

  4. mit gebührendem ernst: live ist doch eh besser.

    man kann das auch als umständliche wirtschaftsförderung der livedarsteller sehen. das wirkt doch endlich mal der diskriminierung gegenüber den staatlich geförderten theatern entgegen, in denen nicht kopuliert wird. das gute alte erotische cabaret und sicher auch teilbereiche der prostitution werden aufgewertet. die dienstleistungsgesellschaft trotzt dem medienwandel – so was schafft kein leistungsschutzrecht.

    .~.

  5. Da bin ich ja froh, daß das EU-Parlament kein richtiges ist und kein Initiativrecht besitzt. Die Institutionen der EU bleiben halt lobbygesteuerte Haufen mit faschistuiden Tendenzen, gleich welches Mäntelchen sie sich gerade umhängen.

    Klaus

  6. „Abbau von Geschlechterstereotypen“ wäre für mich eher ein Verbot von Photoshop in Glamour-Magazinen, dass wäre aber schwieriger durchzusetzen, als ein Verbot von Pornografie im Internet…

  7. Ich kann bei so etwas nur mit dem Kopf schütteln. Mit der Privatisierung von Wasser und nun mit so etwas macht die EU sich nicht beliebter.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.