Greenwald und Poitras – seltene Einblicke in die Arbeit und den ‚Alltag‘ der Reporter

Laura Poitras
Quelle: Sean Gallup

Peter Maass der New York Times hat einen exzellenten Artikel über die Arbeit und Tätigkeit des Journalisten  Glenn Greenwald und der Reporterin / Dokumentar-Filmemacherin Laura Poitras geschrieben. Greenwald und Poitras wurden von Edward Snowden kontaktiert und arbeiten seitdem eng mit dem Whistleblower zusammen, um gemeinsam den Überwachungsapparat der NSA aufzudecken. Während meistens Snowdens Person im Mittelpunkt steht und man stellenweise das Gefühl hatte, dass sich Journalisten auf ihn fixieren, statt auf sein Thema, gewährt uns Maass Artikel einen unglaublich interessanten Einblick in das Schaffen Greenwalds und Poitras: Warum Snowden beide ausgewählt hatte und die Schwierigkeiten der ersten Kommunikationsversuche. Der Druck der Verantwortung, der auf Poitras und Greenwald lastet. Die Hürden der sicheren Kommunikation, Aufbereitung, Archivierung und Berichterstattung. Die Verschriebenheit beider die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Poitras arbeitet seit einigen Jahren an einer Dokumentar-Trilogie über Post 9/11 Amerika. Dafür drehte sie mehrfach ausgezeichnete Dokumentation über Guantanamo, Abu Gharib und das Leben im Irak. Durch ihr Engagement und kritische Berichterstattung ist sie den US-Behörden ein Dorn im Auge und wurde schon unzählige Male an Flughäfen festgehalten, verhört und untersucht. Als sie vor einigen Jahren in Wien festgehalten wurde, sagte ihr der Polizei-Beamte, dass dies auf Anweisung der USA geschehe, da sie 400/400 auf der Gefährdungsskala hat.

They took my bags and checked them. They asked me what I was doing, and I said I was showing a movie in Sarajevo about the Iraq war. And then I sort of befriended the security guy. I asked what was going on. He said: ‘You’re flagged. You have a threat score that is off the Richter scale. You are at 400 out of 400.’ I said, ‘Is this a scoring system that works throughout all of Europe, or is this an American scoring system?’ He said. ‘No, this is your government that has this and has told us to stop you.’

In 2011 fing Laura Poitras mit den Arbeiten an einem neuen Dokumentarfilm über den US Überwachungsstaat und die NSA an. Da sie hierfür u.a. mit Jacob Applbaum oder William Binney Gespräche führte, aber auch wegen ihrer früheren Erfahrungen mit den US-Geheimdiensten, tut sie mittlerweile alles dafür, sowohl sich als auch ihre Gesprächspartner abzusichern. Mobilfunk wird auf ein Minimum reduziert und Handys nicht zu Interviews mitgebracht. Mails werden verschlüsselt und extrem sensible Daten auf unterschiedlichen rechnern gespeichert.

After she was contacted by Snowden in 2013, she tightened her security yet another notch. In addition to encrypting any sensitive e-mails, she began using different computers for editing film, for communicating and for reading sensitive documents (the one for sensitive documents is air-gapped, meaning it has never been connected to the Internet).

Snowden kontaktierte zunächst Glenn Greenwald per Mail, der diese allerdings ignorierte – u.a. wegen Snowdens gefordertem Level an Kommunikations-Sicherheit. Als sich dann auch Poitras mit Greenwald in Kontakt setzte, um über Snowden und seine Enthüllungen zu sprechen, verstand Greenwald, warum es so wichtig war sichere Kommunikationswege zwischen den dreien aufzubauen.

Which computers I used, how I communicated, how I safeguarded the information, where copies were kept, with whom they were kept, in which places. She has this complete expert level of understanding of how to do a story like this with total technical and operational safety. None of this would have happened with anything near the efficacy and impact it did, had she not been working with me in every sense and really taking the lead in coordinating most of it.

Bis sich Greenwald, Poitras und Snowden dann in Hong Kong trafen, um ein erstes Interview zu drehen und – vor allem – das erste Mal den anderen zu sehen, verging nochmals einige Zeit. Die Anbahnung des Treffens in Hong Kong gleicht einschlägigen Szenen aus Hollywood-Filmen. Es gibt geheime Plätze, Challenge-Response Phrasen und Erkennungsmerkmale.

Snowden had instructed them that once they were in Hong Kong, they were to go at an appointed time to the Kowloon distsrict and stand outside a restaurant that was in a mall connected to the Mira Hotel. There, they were to wait until they saw a man carrying a Rubik’s Cube, then ask him when the restaurant would open. The man would answer their question, but then warn that the food was bad.

Letztlich ist diese Vorsicht aber nicht grundlos, sondern sehr berechtigt.

It’s an incredible emotional experience to be contacted by a complete stranger saying that he was going to risk his life to expose things the public should know. He was putting his life on the line and trusting me with that burden. My experience and relationship to that is something that I want to retain an emotional relation to. I am sympathetic to what he sees as the horror of the world [and] what he imagines could come. I want to communicate that with as much resonance as possible. If I were to sit and do endless cable interviews — all those things alienate me from what I need to stay connected to. It’s not just a scoop. It’s someone’s life.

Maass Artikel lässt den Leser zumindest erahnen, um wie viel es für alle drei – Gleen Greenwald, Laura Poitras und Edward Snowden – wirklich geht. Wie ernst es ihnen ist. Man deckt nicht den größten Überwachungsskandal der Menschheit auf, indem man eine verschlüsselte Mail mit 20.000 Dateien an einen Reporter des Guardian schickt und dann im Moskauer Flughafen auf Reporter wartet. Man vertraut nicht jemandem und setzt seine journalistische Karriere aufs Spiel, wenn man nicht die Tragweite und Auswirkungen abschätzen kann. Maass veranschaulicht, dass es viel mehr von diesen drei Menschen abverlangt, als Artikel zu schreiben, Interviews zu drehen und Dateien zu verschlüsseln. Lesen.

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Eine Ergänzung

  1. Zur Ergänzung: die FAZ hatte auch ein Porträt von Laura, Titel: „Die Kamera als Whistleblower“. Steckt hinter der Paywall. Und Assange hatte gesagt „Our people are filming Snowden“…..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.