Google Transparenzbericht: Deutsche Behörden fragen dreimal so viele Nutzerdaten an wie vor drei Jahren

Deutsche Behörden stellen alle drei Stunden bei Google eine Anfrage nach Nutzerdaten für strafrechtliche Ermittlungen. Das geht aus aktuellen Daten des Transparenzberichts hervor, den der Internet-Gigant regelmäßig veröffentlicht. Bei jeder zweiten Anfrage gibt Google die Daten heraus, die andere Hälfte erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht.

Seit drei Jahren veröffentlicht Google regelmäßig Statistiken über die Entfernung von Inhalten wegen Urheberrecht sowie Anfragen von Behörden und Gerichten zur Herausgabe von Nutzerdaten. Jetzt hat der Konzern die Daten der staatlichen Anfragen für das Jahr 2012 aktualisiert. Für Deutschland ergeben sich folgende Werte:

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Daraus wird deutlich, dass Behörden und Gerichte immer öfters Nutzerdaten anfordern. Waren es im zweiten Halbjahr 2009 noch 458 Anfragen, stieg die Zahl im selben Zeitraum 2012 auf 1.550. Das sind 8,5 Anfragen pro Tag, oder eben alle 2,8 Stunden eine. Die Zahl der angefragten Konten blieb bei etwa 2.000 ungefähr stabil.

Erstaunlich ist, dass der Anteil der Anfragen, denen Google nachkommt, abnimmt. In nur 42 Prozent der Fälle gab Google den Behörden die angefragten Daten vollständig oder teilweise, also ungefähr 630 mal. Im der ersten Jahreshälfte waren es sogar nur 39 Prozent. Eine Anfrage von netzpolitik.org, warum diese Zahl so niedrig ist, hat Google zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht beantwortet. Kennen die Behörden ihre eigenen Gesetze nicht?

In anderen Ländern zeigen sich Parallelen, wie Privacy International berichtet:

Die Staaten der Europäischen Union haben zwischen Juli und Dezember 2012 7.254 Anfragen über 9.240 Benutzer oder Konten gestellt, durchschnittlich über 1.200 Zugriffe pro Monat. Damit stellten die EU-Staaten ein Drittel aller Anfragen von Regierungen weltweit in diesem Zeitraum, und eine hundertprozentige Steigerung in drei Jahren.

Insgesamt haben staatliche Anfragen an Google in den vergangenen drei Jahren um 70% zugenommen.

Auch in den USA haben sich die Anfragen mehr als verdoppelt. Die Anzahl der berechtigten Anfragen nimmt auch dort ab, bleibt mit fast 90 Prozent aber deutlich höher als in Deutschland:

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7 Ergänzungen

  1. 1550 Anfragen vs 2000 Konten. Hat jemand ein Beispiel für solche Anfragen zur Hand und in wie fern die mehrere Nutzerkonten zugleich betreffen?

    Eigentlich ist die Anzahl der angefragten Konten ja viel interessanter, denke ich…

    1. Das wüsste ich auch gerne. Diese Rechnung passt vorne und hinten nicht: „7.254 Anfragen über 9.240 Benutzer“

      1. Naja, das kann ja schon sein. Wenn man mit einer Anfrage 1.000.000 Konten abfragen kann ist es nur su, dass die Anzahl der getätigten oder abgelehnten Anfragen irrelevant ist. Nur die Anzahl der Konten sagt bezüglich Datenschutz wirklich was aus.

        Anscheinend kann man ja mit einer einzigen Anfrage eine volle Rasterfahndung durchziehen.

      2. Sorry, statt „Anscheinend“ solle es „Womöglich“ heissen. Was eine Anfrage eigentlich ist, weiss ich ja nicht.

  2. „Kennen die Behörden ihre eigenen Gesetze nicht?“

    Klingt zwar unglaublich, aber genau das halte ich an vielen Stellen für möglich. Auch für Beamte gilt: Wer blickt bei den ganzen Änderungen, Einsprüchen und Gerichtsurteilen von diversen Verfassungsgerichten noch durch?

    Und diejenigen die sich genau auskennen, denen ist es wohl einfach oft genug egal wie die Rechtslage ist. Das erlebt man mittlerweile ja ständig in Deutschland. Man erinnere sich nur mal an die ganzen Vorfälle in Dresden, und wie die Behörden auf die berechtigten Vorwürfe reagierten.

  3. Im Dienste der Transparenz zumindest wünschbar wäre überdies, dass Google zugleich bekannt geben würde, wie gross denn der jährliche Zuwachs der auf den Google-Servern lagernden Benutzerdaten ist. Der Trend dürfte auch hier stark ansteigend sein…

  4. Die Anzahl der berechtigten Anfragen nimmt auch [in den USA] ab, bleibt mit fast 90 Prozent aber deutlich höher als in Deutschland,“

    Diese Formulierung halte ich für ziemlich ungenau. 88% ist der Anteil der Anfragen, die Googe für berechtigt hält. Ob sie bei Beurteilung durch eine unabhängige Instanz ebenso eingestuft würden, wissen wir nicht.

    Zunächst einmal ist erwähnenswert, dass laut dem verlinkten Artikel 68% der US-Anfragen „üblicherweise ohne Beteligung eines Gerichts“ (subpoena) erfolgen. Es würde mich doch sehr wundern, wenn gerade bei diesen nicht ein relativ großer Anteil tatsächlich unberechtigter Anfragen dabei wäre (also weit über den angegebenen 12% der Gesamtzahl).

    Die Diskrepanz bei dem Anteil der beantworteten Anfragen zwischen den USA und Deutschland (z.B.) kann man auch dahingehend interpretieren, dass Google bei den US-amerikanischen Anfragen weniger genau nachprüft, da die Furcht vor eventuellen Gegenreaktionen der dortigen Behörden größer ist als bei den hiesigen. (Eine Befürchtung, die sich auch nicht unbedingt von der Hand weisen lässt.)

    In diesem Zusammenhang dürfte auch kaum überraschen, dass die Vereinigten Staaten in der Google-Statistik seit Beginn (Juli 2010) in jedem Erfassungszeitraum das Land mit dem höchsten Anteil „berechtigter“ Anfragen sind. Sollen wir daraus nun schließen, dass zufälligerweise gerade im Heimatland von Google die Behörden und Gerichte so viel korrekter und effizienter arbeiten als in allen anderen Ländern? ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.