Fair hergestellte Hardware – ist das möglich?

Abbildung ähnlich. Quelle: horrorpilot.com
Abbildung ähnlich. Quelle: horrorpilot.com
Quelle: horrorpilot.com
Quelle: horrorpilot.com

Sebastian Jekutsch, Mitglied des FIfF und Softwaretester, hielt beim 29c3 einen Vortrag mit dem Titel „Sind faire Computer möglich?“. Während nämlich Green IT vielen bereits ein Begriff ist, wurde die Fragenpalette von Rohstoffgewinung bis hin zur Verschrottung von Elektronik bislang seltener thematisiert. Das könnte daran liegen, dass die Antwort auf Jekutschts Frage ziemlich ernüchternd ist. Faire Computer? Theoretisch möglich, aber sehr schwierig umsetzbar.

Rohstoffgewinnung

Wie in dem von Jekutsch empfohlenen Film ‚Blood in the mobile‚ dargestellt, findet die Gewinnung von z.B. Zinn nicht nur unter schweren Arbeitsbedinungen statt, sondern die Militärs (wie im Falle des Kongo) profitieren davon (PDF; 51). Bei Wolfram, das für den Vibrationsmechanismus von Handys gebraucht wird, sind die Arbeitsbedingungen nicht besser: Vorrangig in Bolivien gewonnen, arbeiten die Arbeiterinnen und Arbeiter in 12-Stunden-Schichten und sind zu jedem Zeitpunkt abhängig von Zwischenhändlern, die immer die günstigsten Arbeitskräfte suchen. In Papua Neuginea werden für die Gewinnung von Gold indigene Völker aus ihren Dörfern vertrieben – das Gold wird in sehr geringen Mengen in den Chips verbaut. Und dies sind nur einige Beispiele für unfaire Bedingungen bei der Rohstoffgewinnung.

Herstellung

Auch hier wählte Jekutsch einige konkrete Beispiele, die die Herstellungsbedingungen verdeutlichen. Das reicht von stupider Tastenreindrücken-Fließband-Arbeit in 12- bis 15-Stunden-Schichten über stundenlanges stehen müssen hin zu stark erhötem Krebsrisiko, einmal durch die Unternehmensreihe.

Unterkunft von ArbeiterInnen, die für Microsoft produzieren. Quelle: Institute for global labour and human rights
Unterkunft von ArbeiterInnen, die für Microsoft produzieren. Quelle: Institute for global labour and human rights

Die Menschen bei diesen Arbeiten durch Maschinen zu ersetzen sei jedoch zu teuer, da Zulieferfirmen eine Produktionsreihe häufig nur wenige Tage oder Wochen herstellen und dann wieder wechseln zu einer neuen – Menschen seien hier flexibler. Foxconn zum Beispiel zahle seinen Arbeiterinnen und Arbeitern zwar mehr als den in China festgesetzten Mindestlohn und sei damit ein recht beliebter Arbeitgeber, jedoch reiche das Gehalt trotzdem kaum, um eine Familie damit zu ernähren. Die Fertigungskosten eines iPhones beispielsweise belaufen sich auf etwa 6€. Der Monatslohn der Angestellten beträgt monatlich 117,18€, davon werden durchschnittlich 58€ für Lebensmittel ausgegeben – für eine Person.

Entsorgung

Auch die Entsorgung von Elektronik stellt ein Problem dar und muss im Zusammenhang mit fairer IT benannt werden. Denn vieles, was zum Beispiel in Europa in Recyclingfirmen landen sollte, wird stattdessen in Länder außerhalb Europas exportiert, etwa nach Ghana. Dort werden Chips, Widerstände usw. einzeln rausgelötet und verkauft. Die Platinen werden verbrannt, sodass einzelne Kupferstücke ausfallen. Das, was an nicht wiederverwenbarem Schrott zurückbleibt, wird in den öffentlichen Raum gekippt. Diese Art der Verarbeitung ist sehr giftig, da die Geräte häufig Blei, Quecksilber und bromierte Flammenschutzmittel enthalten.

Was nun?

Ernüchternd ist: es gibt keine Anbieter wirklich fairer IT. Das liegt zum Einen daran, dass Unternehmen etliche Zulieferer haben, die sie nicht kontrollieren. Im Gegensatz zu fairem Kaffee beinhaltet ein Smartphone mehr als einen Rohstoff, es sind stattdessen allein 10 in der Platine. Jede der Quellen für diese Rohstoffe müsste regelmäßig kontrolliert werden, um faire Arbeitsbedingungen gewährleisten zu können. Hinzu kommt eine globale Lieferkette sowie die totale Industrieabhängigkeit. Wenn wir faire Computer möchten, können wir sie nicht einfach selbst bauen, sondern sind angewiesen auf das offene Ohr derjenigen Unternehmen, die die Mittel dazu haben.

Was bleibt also? Jekutsch sieht einen positiven Trend zu mehr Forderungen nach fairer IT. Möglichkeiten, dies auszubauen, könnten sein, dass angefangen wird bei Einzelteilen. Wie bei dem Projekt Nager IT, das versucht, eine möglichst fair produzierte Maus herzustellen. Auch an diesem Projekt gibt es Kritikpunkte, zum Beispiel die fehlende Zusammenarbeit mit Schwellenländern – jedoch ist es ein Schritt in eine sensibilisierte Richtung. Ebenso das Projekt Fairphone, das unter anderem auf dem Summit of Newthinking vorgestellt wurde. Weiterhin müssten Siegel oder Zertifikate entwickelt werden, die ein Ranking zwischen verschiedenen Anbietern und damit auch den Kundinnen und Kunden eine Wahl ermöglichen. Es braucht weitere Initiativen wie Fairgold und Conflict Free Tin, die versuchen, Siegel zu etablieren, sowie Elektronikhersteller, die diese nutzen. Auch Gesetze seien eine Möglichkeit: In den USA beispielsweise gibt es seit 2010 ein Gesetz, nach dem amerikanische Unternehmen offenlegen müssen, ob sie Rohstoffe aus dem Kongo verwenden. Daraufhin sei zwar laut Jekutsch die Zahl des illegalen Schmuggels gestiegen, jedoch auch Projekte zur Gewinnung konfliktfreien Zinns. In der EU gibt es bisher die Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, die den Export von giftigem Elektroschrott verbietet – die Kontrollen seien jedoch kaum wirksam, sodass dennoch exportiert wird.

Was bleibt also? In der Diskussion nach dem Vortrag wurde vor allem genannt, dass sich die Gesellschaft und damit wir in unserem Konsumverhalten ändern sollten. Geräte reparieren, anstatt neue zu kaufen und darauf achten, dass generell Geräte gekauft werden, bei denen Teile ersetzt werden können. Ansonsten gilt: Informieren und verbreiten! Wenn viele für das Thema sensibilisiert werden, ist bereits viel getan.

Wer sich den vollständigen Vortrag von Sebastian Jekutsch ansehen möchte, kann das hier tun:

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18 Ergänzungen

  1. Da ist wohl noch eine ganze Menge zu machen in diesem Bereich. Ich würde jetzt sagen, der Kunde sollte Druck ausüben, da es aber anscheinend keine Alternativen gibt, fällt das schon einmal weg. Traurig finde ich auch, dass Apple mit seinen IPhones so viel Geld verdient, aber faire Löhne in China anscheinend nicht durchsetzen können.

  2. Sorry, das ist nicht ganz richtig, was hier dargestellt wird.

    Ich habe ein Projekt zur Entwicklung und Fertigung eines Navigationssystemes geleitet, und mich um das Thema bemüht.

    Richtig ist, dass man wenig Einfluss hat, wo die Rohstoffe herkommen. Das liegt daran, dass man bei Herstellung eines Gerätes fertige Komponenten kauft. Aber nicht nur bei diesem Einkauf, sondern vor allem in der eigenen Produktion hat man grössten Einfluss.

    Wir haben damals darauf geachtet, wo wir produzieren, und wie die Arbeitsbedingungen sind. Man muss das nur tun, das ist schon alles. Gleichermaßen gilt das für die Hersteller der Komponenten, von denen man dasselbe fordern muss, zurück in der Kette bis zu den Rohstoffanbietern. Und irgend einer muss mal beginnen, warum nicht mit der Produktion des fertigen Gerätes?

    Also haben wir dort gehandelt, wo wir es konnten. Wenn das viele täten, und darüber redeten, dann wäre viel gewonnen.

    Ich kann auch gerne mal den Preisunterschied zwischen „wir produzieren in China und haben de facto keinen Einfluss“ und „wir produzieren in Europa und sind persönlich vor Ort“ nennen:

    Es handelte sich bei unserem Projekt um ziemlich genau US$1 pro Gerät.

    1. Vielen Dank für deine Perspektive! Wieso Jekutschs Bilanz eher ernüchternd ausfiel, liegt imho daran, dass er aus KundInnen-Sicht berichtet hat. Und was ich als Kundin machen kann, ist eben leider nicht viel, wenn es nicht mal eine wirkliche Auswahl von fairer IT gibt, die ich unterstützen kann. Und so bleibt dann nur, diejenigen Projekte zu unterstützen, die in dieser Richtung arbeiten und eben Informationsarbeit. Aus EntwicklerInnen-Sicht bieten sich da gewiss mehr Möglichkeiten.

  3. klar, wir kaufen jetzt alle nur noch das fair-handy. 1500 g schwer, monochromes-2-zeilen-display, gross genug, dass man es keinesfalls übersehen kann. wer braucht auch iphones.
    schon vergessen wie unser wohlstand entstanden ist? eben. durch genau die harte arbeit, die angebllich so unfair ist. aber das ist eben schon dtl. länger her, als der historische horizont der autoren reicht. ein grundverständnis wirtschaflicher zusammenhänge erwartet man schon gar nicht mehr.
    welche chance für die breite bevölkerung in ländern wie z.B. china darin liegt (und dort auch als solche gesehen wird) wird völlig ausgeblendet. gute menschen, für die existenzsicherung wohlstandbedingt völlig nebensächlich geworden ist, erklären anderen, für die sorge für tägliche mahlzeiten ein reales thema ist, im dienste der vermeindlich „guten sache“ den verzicht. dekadenter geht es kaum, sorry.

    1. Artikel gelesen? Es geht hauptsächlich darum, dass diese „breite bevölkerung in ländern wie z.B china“ unter fairen Arbeitsbedingungen und zu fairen Löhnen arbeiten sollte. Und das z.B. EuropäerInnen darauf achten sollten, ihren Elektroschrott ordentlich zu entsorgen, damit er nicht exportiert somit gefährlich für andere Menschen wird.

      1. hab ich. was mich stört ist der massstab für „fair“. im vortrag und im artikel wird erwähnt, dass foxcon mehr als den mindestlohn zahlt und ein beliebter arbeitgeber sei – aber nicht als beispiel für fairness. es wird völlig ausgeblendet, dass die situation zwar nach unseren masstäben nicht befriedigend ist, dass aber vielleicht die lösung eher zeit für entsprechende wirtschaftliche entwicklungen sein könnte als irgendwelche von satten mitteleuropäern ersonnenen ideologielastigen konstrukte. mit ist bewusst, dass das grundverständnis wirtschaftlicher zusammenhänge auf dieser website nicht gerade en vogue ist, unter dieser überschrift hätte ich aber schon etwas mehr erwartet.

      2. Nunja, ich habe mit wirtschaftspolitischen Themen nicht allzu viel am Hut, das ist richtig. So wie ich den Vortragenden hier verstanden habe, sagt er, dass zwar über Mindestlohn gezahlt wird, dies jedoch in Anbetracht des durchschnittlichen Betrags, der für Lebensmittel pro Kopf ausgegeben wird, zu wenig ist, um zum Beispiel Kinder davon zu ernähren. Warum sollten sich nicht diejenigen, die von anderer 12 bis 15-Stunden-Schichten profitieren, Gedanken darüber machen dürfen, wie das zu ändern sei, anstatt auf entsprechende wirtschaftliche Entwicklungen zu warten? Welchen Maßstab würdest du für faire Arbeitsbedingungen anlegen?

      3. klar, gedanken sind frei und man darf sie sogar laut und ungefragt äussern. dass andere sie teilen müssen, bedeutet es aber nicht.
        ich würde mich freuen, wenn artikel über fair-it sich nicht darin erschöpften einen wunschzettel gegen das leid dieser welt zu basteln. wenn es einem damit ernst ist, dann muss man die andere seite, dass es da nämlich eine komplexe wirtschaftliche realität gibt, mit einbeziehen.
        diese realität bedeutet unter anderem, dass man eine florierende wirtschaft mit den jobs, die den wohlstand bringen, erstmal haben muss. in china passiert derzeit genau das, nachdem wohlstand vom reissbrett über mehrere generationen gescheitert ist.
        jetzt willst du nicht warten, sondern etwas ändern, obwohl zugegebenermassen wirtschaft nicht so dein paradethema ist? wie soll das gehen? wie bei einem kind, dass am gänseblümchen zieht, damit es schneller wächst?
        vielleicht muss man es vom anderen ende denken? man wird in eine realität geboren, in der es für die mehrheit bei harter arbeit vielleicht gerade so für eine mahlzeit reicht. unter anderem auch deshalb weil ideologen all die jahre zuvor nicht warten, sondern etwas ändern wollten. dann ensteht in der nähe eine fabrik, in der ich ein vielfaches des bisherigen verdienen kann. gleichzeitig kann ich meinen lohn zusätzlich über die arbeitszeit steigern. es ist zu erwarten, dass wenn die fabrik nicht die einzige bleibt, wirtschaftliches wachstum folgt und ich meinen lohn über die jahre ausbauen kann. evtl. kann ich über meine erfahrung sogar andere, bessere jobs bekomen usw. usf.
        was soll daran nicht fair sein? 12 bis 15 stunden? sorry, ich weiss nicht, was du beruflich machst, aber es ist auch in europa eine sehr exklusive minderheit, die nicht überwiegend arbeiten muss, um leben zu können.
        bleibt die tatsache, dass die foxcon-arbeiter nun etwas reicher, aber immer noch arm sind. das mag für uns mitteleuropäer verstörend sein, aber es ist fair. zumindest dann, wenn aus dem kleinen wirtschaftlichen spross über die jahre eine blüte wird, die dann zu höheren löhnen führt usw. einfach mal die lohnentwicklung in europa an ihre anfänge zurückverfolgen.
        ich schätze diese website sehr, ebenso dein und euch aller engagement. um so mehr ärgert mich die ignoranz gegenüber bestimmten themen. netzpolitik geht uns alle an und ist keine solitäre veranstaltung bestimmter milieus. es wäre deshalb schön, wenn ihr hier und da, der realität den vorzug gegenüber der eigenen sozialisation geben würdet.

  4. „Die Produktionskosten eines iPhones beispielsweise belaufen sich auf etwa 6€.“
    Im Focus Artikel steht doch aber „Apples Produktionskosten liegen deutlich niedriger. 134 Euro sollen es sein.“. Wie kommt man da auf 6 Euro?

    1. So weit ich weiß sind bei 134 Euro die Materialkosten mit drin (oder es sind die Materialkosten), die man ja sowieso hätte. 6 Euro bezieht sich dann unabhängig davon auf die Fertigungskosten. Anders macht es auch keinen Sinn, da 134 Euro an Foxconn pro Gerät echt viel wäre, egal wo man produziert.

  5. Golda Meir,

    offensichtlich: Du hast keinerlei langfrist Perspektive für diesen Planeten, für dich zählt einzig und allein das, was du in deinem beschränkten Horizont siehst und sehen willst.

  6. Transparenz herstellen. Man bräuchte eine öffentlich zugängliche Datenbank mit den labor policies aller Unternehmen. Dann könnte man für Produkte einen Score berechnen, der dem Käufer hilft, eine Entscheidung zu fällen. Neben Produktqualität, Features und Preis könnte dies ein weiterer Faktor sein.

  7. haha, bei dem Thema kriegen WiWi-Kasper wie ‚Golda Meir‘ offenbar Schnappatmung. Bitte erzähl uns mehr von unendlichem Wirtschaftswachstum auf einem endlichen Planeten!

    1. na, immerhin scheinst du von dem wachstum in europa so gut leben zu können, dass du dir den luxus leisten kannst, das was dich nährt geringzuschätzen.

      1. ich lebe vom Wirtschaftswachstum? Steile These. Dieses Wachstum ist doch nur durch Raubbau an der Natur und Ausbeutung der dritten Welt möglich. Aber wenn man fest an seine abstrakten „Wirtschafts“-Theorien glaubt ist es halt schwer den Wald vor lauter Bäumen zu sehen.

  8. Ich bin auch über die Produktionskosten gestolpert. Produktionskosten sind laut Focus je nach Modell 134 Euro, 149 Euro, 177 Euro. Mit den 6 Euro sind die Fertigungskosten gemeint. Wollt das nicht korrigieren? Dann passt der Artikel.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.