EU-Kommission fordert mehr zivil-militärische Zusammenarbeit zu Drohnen und hochauflösender Satellitenspionage

EU-Forschungsprojekt "Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe" (DeSIRE)
EU-Forschungsprojekt „Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe“ (DeSIRE)
"Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe" (DeSIRE)
„Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe“ (DeSIRE)

Die EU-Kommission will ein neues „strategisches Konzept“ entwickeln, das „alle Aspekte der militärischen und nichtmilitärischen Sicherheit berücksichtigt“. Eine entsprechende Mitteilung vom 25. Juli listet hierfür einen Aktionsplan mit zahlreichen Maßnahmen auf, die auf den Arbeiten einer 2011 eingerichteten Taskforce „Verteidigung“ beruhen. Auch der Europäische Auswärtige Dienst und die Verteidigungsagentur waren einbezogen. Heraus kam ein Papier mit der unmissverständlichen Forderung, „alle einschlägigen EU-Politiken in den Dienst des Verteidigungssektors zu stellen“:

Die Sicherheitsaufgaben, vor denen wir heute stehen, sind zahlreich, komplex, miteinander verflochten und schwer vorhersehbar: Auf regionaler Ebene entstandene Krisen können gewaltsam ausgetragen werden, innovative Technologien können neue Anfälligkeits- und Bedrohungsszenarien mit sich bringen, Umweltveränderungen und die Verknappung natürlicher Rohstoffe politische und militärische Konflikte auslösen. Zugleich breiten sich viele Bedrohungen und Gefahren auch leicht über die Staatsgrenzen aus und verwischen die herkömmliche Trennlinie zwischen innerer und äußerer Sicherheit.

Nun soll die „große Bandbreite an zivilen und militärischen Fähigkeiten“ miteinander verzahnt werden. Es geht um sogenannte „Anwendungen mit doppeltem Verwendungszweck“. Die EU hat selbst umfangreiche „Forschungs- und Innovationsprogramme“ für die Bereiche Sicherheit und Raumfahrt entwickelt. Hierzu gehören bereits existierende Elemente zur Überwachung von Grenzen und Meeren, „Krisenmanagement“ und „Cybersicherheit“. Die militärische Forschung wiederum könne „erhebliche Folgewirkungen unter anderem für die Elektronik, die Raumfahrt, die Zivilluftfahrt und die Tiefseeerschließung“ mit sich bringen. Entsprechende Technologien sollen daher in den zivilen Sektor überführt werden.

In der Mitteilung wird die eine „Krise der öffentlichen Haushalte“ beklagt, die zu Kürzungen der Verteidigungsetats führe. Gefordert wird daher die Zusammenlegung ziviler und militärischer Forschungen, da diese ohnehin „zahlreiche technologische, industriepolitische, konzeptionelle und operative Ähnlichkeiten“ aufwiesen.

Einheitliche „Flugtauglichkeitsvorschriften“ für Drohnen

Jedoch profitiert die europäische Rüstungsindustrie bereits jetzt von einem jährlichen Umsatz von rund 96 Milliarden Euro (2012). Laut der Mitteilung seien 400.000 Personen im militärischen Sektor tätig, weitere 960.000 Arbeitsplätze würden indirekt geschaffen. Als Wirtschaftszweig müssten die „Verteidigungsmärkte“ deshalb „unbedingt erhalten bleiben“.

Zugegeben wird auch, dass die Militärs die größten öffentlichen Energieverbraucher in der EU darstellen. Ihre jährlichen Gesamtausgaben allein für Strom belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Die europäischen Armeen sind auch der größte öffentliche Eigentümer von Freiflächen und Infrastrukturen.

Ein besonderes Problem wird bei unterschiedlichen Standards in den Mitgliedstaaten ausgemacht. Daher sollten die Regierungen „Anreize zur Entwicklung europäischer zivilmilitärischer Normen“ schaffen. Die Federführung entsprechender Maßnahmen solle aber bei der NATO bleiben.

Als Beispiel einer „Interoperabilität zwischen nichtmilitärischen und militärischen Fähigkeiten“ wird die Entwicklung von Drohnen und ihre Integration in den zivilen Luftraum genannt. Die EU betreibt als Flaggschiff das Unternehmen „Single European Sky ATM Research“ (SESAR), das den zivilen und militärischen Luftraum vereinheitlichen soll. Die Rede ist von einheitlichen „Flugtauglichkeitsvorschriften“ für Drohnen.

"Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe" (DeSIRE)
„Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe“ (DeSIRE)

Als wichtigste Forschungen fungieren hierzu die Programme DeSIRE und CLOSEYE, in denen die Nutzung militärischer Drohnen im Innern untersucht werden. Einen Tag vor Erscheinen der neuen Mitteilung hatte die EU-Kommission ihre neue „Roadmap“ zur Drohnenpolitik vorgestellt.

Das neue Papier trägt die Handschrift des deutschen Verteidigungsministers Thomas de Maizière, der nach eigener Aussage seit einem Jahr für die neue EADS-Drohne „Future European MALE“ (FEMALE) wirbt. Gespräche führte er mit der Europäischen Verteidigungsagentur, dem Auswärtigen Dienst und der EU-Kommission. Die Anstrengungen haben sich wohl gelohnt: Im Ergebnis kündigte die EU an, Fragen der luftfahrtrechtlichen Zulassung zivil und militärisch genutzter Drohnen zukünftig gemeinsam zu betreiben. De Maizière dringt überdies auf „steuerliche Anreize“ für die Drohnen-Industrie. Auch dies wurde von der Kommission gehört: Vorgeschlagen wird ein „vorkommerzielles Vergabeprogramm“, um Prototypen von Drohnen zu entwickeln und zu testen. Damit könnte EADS in die Entwicklung der FEMALE einsteigen, ohne auf Zusagen zur späteren Abnahme angewiesen zu sein.

„Nächste Generation hochauflösender militärischer und ziviler Beobachtungssatelliten“

Neben Drohnen dreht sich die Mitteilung auch um „Raumfahrttechnologien, Raumfahrtinfrastrukturen und Weltraumdienste“. Die EU entwickelt beispielsweise den Satellitennavigationsdienst Galileo, der als ziviles Vorhaben geführt wird, aber für Militärs durch die Unabhängigkeit von russischen und US-amerikanischen Diensten von zentralem Nutzen ist.

Im Bereich der Satellitenaufklärung betreibt die EU das Programm Copernicus (früher „Global Monitoring for Environment and Security“, GMES). Im Namen der EU werden insgesamt sechs optische und radarbasierte Aufklärungssatelliten ins All befördert. Doch damit nicht genug, nun ist die Rede von einer Generation hochauflösender „EU-Satellitenfähigkeiten“, die im Verbund mit Drohnen agieren sollen:

Da der Bedarf an hochauflösender Bildaufnahme weiterhin wächst, muss zur Vorbereitung auf die nächste Generation hochauflösender militärischer und ziviler Beobachtungssatelliten, mit deren Einsatz etwa 2025 zu rechnen ist, eine Reihe von Technologien erforscht und entwickelt werden, wie etwa hyperspektrale, hochauflösende Satelliten im geostationären Orbit oder moderne ultrahochauflösende Satelliten in Kombination mit neuen Sensorplattformen wie beispielsweise Remotely Piloted Aircraft Systems [der EU-Neusprech für Drohnen].

Gegenwärtige Auswertestationen von Copernicus (GMES)
Gegenwärtige Auswertestationen von Copernicus (GMES)

Die Systeme sollen für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik genutzt werden. Der „Bedarf“ einer neuen, hochauflösenden Satellitenbildgebung erzwingt allerdings die Versorgung mit „kritischen Rohstoffen“. Gemeint sind beispielsweise seltene Erden, die für Produkte digitaler Kommunikation dringend benötigt werden. Die EU-Kommission zu ihrer weiteren Verfügbarkeit nun „gezielte politische Maßnahmen ausarbeiten“.

Laut der Mitteilung soll eine „breitere politische Debatte über die Umsetzung einschlägiger Bestimmungen des Vertrags von Lissabon“ angeregt werden. Damit ergänzt das Papier die Fünfjahrespläne der EU für die Bereiche Justiz und Inneres. Im gegenwärtigen „Stockholmer Programm“, das nächstes Jahr ausläuft und über dessen Nachfolge nun Gespräche beginnen, widmet sich ein eigenes Kapitel der außenpolitischen Dimension innerer Sicherheit.

Das jetzt geplante „strategische Konzept“ ist allerdings um so gefährlicher, da es sich der „inneren und äußeren Sicherheit“ von Seiten der Militärs annähert. Damit könnten Politiken einzelner Mitgliedstaaten ausgehebelt werden, die beispielsweise die Trennung militärischer und nichtmilitärischer Forschung an Universitäten über sogenannte „Zivilklauseln“ vorschreiben.

Dass die Kommission es nicht nur bei der jetzigen Initiative belassen will, macht sie am Ende der Mitteilung deutlich: Die dort „festgelegten Bereiche“ sollen in einen einen „detaillierten Fahrplan mit konkreten Maßnahmen und Zeitvorgaben“ münden.

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3 Ergänzungen

  1. „EU-Kommission fordert mehr zivil-militärische Zusammenarbeit zu Drohnen und hochauflösender Satellitenspionage“
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    finden sich wohl nicht genügend idioten, die für bnd/nsa/etc. arbeiten und den planeten überwachen, inc. sich selbst überwachen….

  2. „… innovative Technologien können neue Anfälligkeits- und Bedrohungsszenarien mit sich bringen, Umweltveränderungen und die Verknappung natürlicher Rohstoffe politische und militärische Konflikte auslösen.“ Das ist doch Verschwörungstheorie „Die ganze Welt ist böse, überall nur Feinde“

    „Auf regionaler Ebene entstandene Krisen können gewaltsam ausgetragen werden …“ „Zugleich breiten sich viele Bedrohungen und Gefahren auch leicht über die Staatsgrenzen aus und verwischen die herkömmliche Trennlinie zwischen innerer und äußerer Sicherheit.“ Damit ist es endgültig klar, alle 500 Millionen Europäer sind als potentielle Feinde anzusehen, sonst könnte es einem ja wie Erdogan oder Mubarak gehen. Na danke. War wohl doch keine so gute Idee das mit diesem Europa. Selbst die USA setzen die Armee nicht im Inneren ein, aus gutem Grund. Der Einsatz der Armee eines EU-Landes innerhalb der EU muss verboten werden!

  3. Die EUZ-Kommission will also den militärisch industriellen Komplex stärken, weil die zunehmend aufbegehrende Bevölkerung den Ertrag der selbst ernannten Eliten gefährdet. Langsam werden die Dinge so klar, dass sie mit keiner noch so rosa Brille mehr übersehen werden können.

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