Entscheidung im Google-Books-Verfahren: Scans und Snippets fallen unter Fair Use [Update]

Nachdem ein umfassender Vergleich, das sogenannte „Google Books Settlement“ (vgl. ein englischer Beitrag dazu auf meinem research blog), abgelehnt und damit ein Volltext-Angebot von digitalisierten Büchern mit Opt-out-Option für Rechteinhaber gescheitert war, wurde es ruhig rund um Google Books. Heute hat jedoch Richter Denny Chin entschieden, dass die zustimmungslose Digitalisierung samt ausschnittsweiser Zugänglichmachung („Snippets“) unter die Fair-Use-Klausel des US-Copyrights fällt (vgl. Bericht bei Gigaom sowie PDF der Entscheidungsbegründung).

Zur Begründung seiner Entscheidung führt Chin die Vielzahl an Vorteilen an („The benefits of the Library Project are many.“), wie zum Beispiel:

  • Google Books sei ein neuer und einfacher Weg um Bücher zu finden
  • Es macht Millionen von Büchern durchsuchbar
  • Google Books habe sich zu einem Forschungswerkzeug entwickelt
  • Es vereinfacht die Überprüfung von Zitaten und Quellenangaben
  • Der Zugang zu Büchern wird erweitert und Bücher werden dadurch dauerhaft verfügbar gehalten

In seiner Prüfung der vier Voraussetzungen von Fair Use verwirft Chin Einwände von Rechteinhabern, dass durch das Snippet-Angebot von Google Books eine kommerzielle Verwertung ihrer Werke beeinträchtigt würde: „Google verkauft seine Scans nicht und die Scans ersetzen die Bücher nicht.“ Zusammenfassend hält Chin fest:

Aus meiner Sicht sind mit Google Books substantielle öffentliche Vorteile verbunden. Es fördert den Fortschritt von Kultur und Wissenschaft, während es gleichzeitig die Rechte von Autoren und anderen Kreativen respektiert und keine negative Folgen für die Rechteinhaber hat. (meine Übersetzung)

Jedenfalls freuen dürfte das Urteil all jene, die häufig mit der Google Buchsuche und den darin angebotenen Snippets arbeiten. Das Verfahren ist aber noch nicht zu Ende, die Autorenvereinigung Author’s Guild hat angekündigt, gegen die Entscheidung zu berufen. Unabhängig davon zeigt sich an Hand des Falls aber wieder einmal die größere Flexibilität des US-Copyrights im Vergleich zum europäischen Urheberrecht.

[Update]

In einer ersten kurzen Stellungnahme kritisiert Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat die Entscheidung und fordert, „dass zum einen die Rechte der Urheber und der Verlage geachtet werden und zum anderen nicht kommerzielle Anbieter diese Inhalte zur Verfügung stellen.“

Etwas ausführlicher setzt sich Matthias Spielkamp in einem Kommentar für irights.info mit der Entscheidung auseinander:

Obwohl nicht endgültig, ist diese Entscheidung ein Meilenstein. Der deutsche Kulturrat tobt bereits, und es ist davon auszugehen, dass sich bald andere, etwa der Börsenverein, die VG Wort und Roland Reuß, anschließen werden. Sie werden wieder die Rechte der Urheber vorschieben, und sie werden wieder falsch liegen.

Einig ist sich Spielkamp aber mit Zimmermann, dass es gemeinnützige Angebote geben sollte, um Googles Buchsuche etwas entgegenzusetzen. Die größte Hürde für gemeinnützige Angebote ist aber just das von Zimmermann beschworene unflexible Urheberrecht in Europa, das auch gemeinnützige Digitalisierungsprojekte verunmöglicht.

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12 Ergänzungen

  1. Zitat von Pamela Samuelsons Artikel:

    Approval of this settlement would establish a new collecting society, the Book Rights Registry (BRR), initially funded by Google with $34.5 million. The BRR will be responsible for allocating $45 million in settlement funds that Google is providing to compensate copyright owners for past uses of their books.

    und

    Google will also be the only service lawfully able to sell orphan books and monetize them through subscriptions. BRR will get 63 per cent of these revenues which it will pay out to authors and publishers registered with it, even as to books in which they hold no rights.

    Ich habe die genaue Funktion dieser BRR noch nicht ganz verstanden. An und für sich ist eine collecting society doch eine Gesellschaft bei der sich Rechteinhaber „eintragen“ damit ihre Rechte verwertet werden.??? Das scheint bei den Orphan Books ja wohl nun nicht der Fall zu sein, insbesondere würde diese Gesellschaft wohl nur dann auszahlen, wenn sich ein Rechteinhaber mehr oder weniger „melden“ würde. Das heisst für mich erstmal, dass es noch andere collecting societies für orphan books geben könnte, da die Rechteinhaber sozusagen die collecting society nicht „mittragen“. Es scheint mir auch nicht klar, dass eine collecting society nicht auch die Rechtevermittlung für andere Verkäufer übernehmen kann, es sei denn, dass dies so in den Statuten dieser collecting society so festgelegt wurde (weil zum Bsp von Google mitgegründet). Wäre interessant hierzu was zu hören.

    1. Erstmal war die BRR nur Teil des Settlements und hat mit dem jüngsten Urteil nichts zu tun.
      Abgesehen davon war das einer der Kritikpunkte, dass die BRR dazu geführt hätte, dass letztlich Einnahmen für verwaiste Werke an andere Rechteinhaber ausgeschüttet worden wären. (Bis zu einem gewissen Grad ist das aber auch allgemein bei Rechten zur Außenseitervertretung für Verwertungsgesellschaften (sog. “Extended Collective Licensing“) regelmäßig der Fall.)

      1. Erstmal war die BRR nur Teil des Settlements und hat mit dem jüngsten Urteil nichts zu tun.

        Ich versuche die Hintergründe besser zu verstehen.

        Und was ich inbesondere bisher verstanden habe ist, dass bei es diesem Urteil wohl zwei Teile gab, nämlich zum einen, dass die Veröffentlichung von Snippets und zum anderen aber auch, dass solch ein flächendeckendes Einscannen an sich als legal angesehen wird, denn allein durch den Umfang, die Firmenstruktur etc. ist da ja doch schon ein gewisser Unterschied zu einer „Privatkopie“ vorhanden. Dh wenn ich das richtig verstanden habe, besitzt Google nun rechtmässig eine vollständige Kopie der Bücher, darf aber nur Teile veröffentlichen.

        Sind die Kosten für das Einscannen eigentlich irgendwann genannt worden? Google ist hier sicher auch in Erwartung eines anderen Ausgangs den Book Settlements in Vorleistung gegangen und muss wahrscheinlich versuchen die Kosten möglichst wieder reinzufahren. Es ist eine interessante Frage, wann die übliche Snippet-Buchsuche diese Kosten amortisiert und spätestens bei dieser Frage kann man auch vermuten, dass Google eventuell auch noch andere Wege der Verwertung finden will/muss. Neben so Sachen wie Sprachverwertung, kann man sich insbesondere vorstellen, dass die ursprünglich angedachte Verwertung jetzt nicht über ein Art Opt-Out, sondern über eine Art Opt-In Verfahren stattfinden könnte, dh dass falls sich Rechteinhaber finden, die Gesamttexte mit einer eventuellen Gewinnbeteiligung veröffentlicht werden könnten. Darüber hinaus kann man über Text und Bilderkennung die Inhalte im Prinzip wahrscheinlich nochmal vergleichsweise schnell zb als ebook wiederaufarbeiten. So kann es durchaus sein, dass Rechteinhaber von Orphanbüchern denen eine Printneuauflage nicht lohnenswert erscheint, dann eventuell auch auf diese Möglichkeiten zurückgreifen wollen und da wäre dann schon wieder die Frage wie die dazugehörigen Verwertungsgesellschaften aussehen/aussehen könnten.

        Abgesehen davon war das einer der Kritikpunkte, dass die BRR dazu geführt hätte, dass letztlich Einnahmen für verwaiste Werke an andere Rechteinhaber ausgeschüttet worden wären.

        Was ist hier mit „anderen Rechteinhabern“ gemeint?

      2. Mit anderen Rechteinhabern sind eben Mitglieder von Verwertungsgesellschaften gemeint, die nicht AutorInnen der verwaisten Werke sind.

        Was die Scannen und Verwertung betrifft: Google hat sich nie auf die Privatkopie berufen, weil es diese Ausnahme so in den USA nicht gibt, sondern immer nur auf Fair Use. Und gegen ein Opt-in-Modell spricht ohnehin wenig, weil dann ja die Rechteinhaber zustimmen müssen.

        Was man nicht unterschätzen darf ist glaube ich noch, dass Google ja die Snippets auch derzeit bereits insofern monetarisiert, als der gesamte Korpus des Materials bereits zur Verbesserung des Suchalgorithmus eingesetzt und in der normalen Google-Suche Anzeigen verkauft werden.

  2. Was die Scannen und Verwertung betrifft: Google hat sich nie auf die Privatkopie berufen, weil es diese Ausnahme so in den USA nicht gibt, sondern immer nur auf Fair Use.

    Aha. Wie auch immer – der Besitz der Kopien scheint jetzt legal zu sein.

    Und gegen ein Opt-in-Modell spricht ohnehin wenig, weil dann ja die Rechteinhaber zustimmen müssen.

    ???
    Mit Opt-Out und Opt-in meinte ich, dass bei dem Book Settlement die Rechteinhaber Googles Deal hätten explizit hätten ablehnen müssen, wenn sie nicht damit einverstanden wären (ein „Opt-out sozusagen) während es jetzt sein kann das die Rechteinhaber sich selbst für einen Deal mit Google interessieren werden. („Opt-in“).

    Was man nicht unterschätzen darf ist glaube ich noch, dass Google ja die Snippets auch derzeit bereits insofern monetarisiert, als der gesamte Korpus des Materials bereits zur Verbesserung des Suchalgorithmus eingesetzt und in der normalen Google-Suche Anzeigen verkauft werden.

    Der Anzeigenverkauf ist das was ich mit „Kostenamortisation bei der Snippet-Buchsuche“ meinte und solche Sachen wie Verbesserung des Suchalgorithmus meinte ich mit „solche Sachen wie Sprachverwertung“. Wobei ich denke, dass der Suchalgorithmus selbst da eher weniger eine Rolle spielt,als so Sachen wie semantische Aufbearbeitung von Sprache (also zb Kontextherstellung, grammatikalische Analyse) und Kundentargetting (zb durch die Suche).

    Mit anderen Rechteinhabern sind eben Mitglieder von Verwertungsgesellschaften gemeint, die nicht AutorInnen der verwaisten Werke sind.

    Ja aber inwiefern sind denn das „Rechteinhaber“?

    1. Dann meinen wir eh bei allem dasselbe. Und Rechteinhaber sind sie nur insoweit, als sie an anderen Werken Rechte und damit Ausschüttungen erhalten. An den verwaisten Werken haben sie per definitionem keine Rechte.

      1. Dann meinen wir eh bei allem dasselbe.

        Na, wenn man sich die obige Diskussion ansieht, dann WAR das zumindest nicht immer so. Und ich bin mir auch nicht ganz sicher ob das jetzt so ist, denn ich habe bis auf die kurze Bemerkung zu „anderen Rechteinhabern“ (deren genaue Rolle mir leider immer noch nicht klar ist) nichts weiter zu der BRR gehört, sondern war eigentlich hauptsächlich damit beschäftigt zu erklären, warum ich denke, dass die Struktur einer von Google initierten Verwertungsgesellschaft (oder ähnlichem), auch wenn sie eventuell so nicht genau wie die BRR gestaltet sein könnte, eine Rolle im Zusammenhang mit dem neuesten Urteil spielen könnte.

      2. Ich schrieb

        dass die Struktur einer von Google initierten Verwertungsgesellschaft (oder ähnlichem), auch wenn sie eventuell so nicht genau wie die BRR gestaltet sein könnte, eine Rolle im Zusammenhang mit dem neuesten Urteil spielen könnte.

        Leonard Dobusch schrieb:

        Aber ohne Settlement gibt es keine BRR. Das hat mit dem Urteil nichts zu tun.

        Wie gesagt, dass muss nicht unbedingt eine Verwertungsgesellschaft im eigentlichen Sinne sein.

        HIerzu stellt sich auch zb die Frage wie das behandelt werden würde falls zb Google die Texte (der Einfachheithalber seien mal nur Bücher ohne Bilder betrachtet) „digitalisiert“ (mit digitalisieren meine ich Worterkennung etc., das ist natürlich keine Digitalisierung im eigentlichen Sinne, aber „semantisch vorbereiten“ könnte eventuell noch weniger erklären, was ich meine) und zb den Bibliotheken (denen diese Bücher gehören) diesen Service zurückverkaufen würde? (dh da könnte man zb auch in alten Büchern eine Schlagwortsuche machen). Würden da eigentlich irgendwelche Rechtefragen auftauchen?

      3. Rolf Degen schlug auf dem Blog irights.info ein weiteres Geschäftsmodell vor, nämlich: Zeitreihenanalyse. Was er da genau im Sinn hat ist mir allerdings nicht klar. Wetteranalysen zb aus dem 18. Jahrhundert wären aber tatsächlich interessant.

        Interessant wäre sicher auch die emotionale Auswertung von Texten, wie zb welche Worte werden im Aufbau eines Spannungsbogens verwendet etc. das könnte sicher hilfreich für Sachen wie emotion prototyping , also simplifiziert ausgedrückt kundenorientiertes Branding welches z.B. von der Firma von Herrn Elliot Hedman angeboten wird. Auf die tatsächlichen Bedürfnisse und auch Empfindlichkeiten von Kunden einzugehen ist nämlich nicht so einfach.

        Ich hätte diesen Vorschlag eigentlich auch gleich bei irights info gemacht, aber da wurde ein Versuch zu kommentieren leider aus irrgendwelchen ominösen Gründen verschluckt. Eventuell gibt es da author fees für die Kommentarzeile? Weiss das jemand?

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