DRM – jetzt auch für Autobatterien

DRMS [Digital-Rights-Management-Systeme] stellen eine technische Sicherheitsmaßnahme dar, um einem Rechteinhaber von Informationsgütern die Möglichkeit zu geben, die Art der Nutzung seines Eigentums durch Nutzer auf Basis einer zuvor getroffenen Nutzungsvereinbarung technisch zu erzwingen.

So beschreibt uns Wikipedia, was man unter der „weitumfassenden Definition“ von digitalem Rechtemanagement versteht. Informationsgüter, darunter verstehen wir herkömmlicherweise Bild-, Ton-, Text oder Videoinhalte, aber auch Software. Da beginnt das Problem – denn Software ist überall.

Zum Beispiel in Autos. Das neue Elektroauto von Renault, Zoe, nutzt diese Tatsache auf perfide Weise, um das Kernstück des Autos fest in der Hand zu behalten. Denn der Kunde kann nur die Autohülle kaufen, während der ‚Treibstofflieferant‘ Akku im Besitz des Herstellers verbleibt und geleast werden muss. Auf der Seite wird mit einem „stets voll funktionsfähigen Akku [über 75% der Maximalkapazität] und einem umweltbewussten Recycling“ geworben.

Es bietet sich aber noch eine ganz andere Möglichkeit: Zahlt der Akku-Mieter seine Rate nicht oder ist der Mietvertrag ausgelaufen, wird die Batterie einfach von der Steuerungssoftware außer Betrieb genommen und lässt sich nicht mehr aufladen. Und das ganz aus der Ferne ohne Zutun des Nutzers. Renault setzt also seine „Rechte“ an einem analogen Produkt mit Hilfe elektronischer Überwachung durch. Allein die Möglichkeit einer solchen Fernabschaltung lässt ahnen, was sonst noch ohne das Zutun des Autobesitzers von den Automobilherstellern ausgelesen werden kann.

Eine Anfrage des Spiegels dazu beantwortete Renault ausweichend:

Unsere Elektrofahrzeuge sind mit einer Telekommunikationseinheit ausgestattet, die uns Information zur kundenseitigen Nutzung der Antriebsbatterie und deren Alterungsprozess liefert.

Welche Informationen das genau sind, verrät die Aussage nicht.

Bisher basieren die Kosten für die Akkumiete des Zoe, die sich zwischen 79 und 165 Euro monatlich belaufen, auf der jährlichen Kilometerleistung und der Vertragslaufzeit. Aber wenn man schon weiß, wann der Fahrer zu schnell über eine Kreuzung gefahren ist, wie gut er die Spur hält oder ob er zu wagemutigen Überholmanövern neigt, bei denen die Abstandssensoren und der Drehzahlmesser Alarm schlagen, kann man diese Information auch gleich nutzen. Wenn nicht für den Akkupreis, dann zumindest zur Ermittlung von Versicherungsbeiträgen.

Das passt gut mit dem neuen S-Drive Tarif der Sparkassen Direktversicherung zusammen, der ab dem 15.11., also morgen, verfügbar ist. Dabei baut man sich eine Überwachungsbox ins Auto, diese misst dann Geschwindigkeit, Brems- und Beschleunigungsverhalten, Fahrten zwischen 23 und 6 Uhr und in der Stadt. Verhält man sich nicht ordnungsgemäß oder fährt man mit erhöhtem Risiko, bekommt man einen Punktabzug, zum Beispeil für jeden Kilometer Nachtfahrt. Hat man in einem Jahr zu viele Minuspunkte gesammelt, gibt es keine Prämie von 5% auf den Jahresbeitrag. Ist man der beste Fahrer eines Quartals, bekommt man den Versicherungsbetrag erlassen. Als Motivation gibt es dann noch eine Fahrtanalyse, automatische Unfallmeldungen und Ortung bei Diebstahl dazu.

Und das alles natürlich unter strengster Einhaltung des Datenschutzes!

Wenn man seine Phantasie noch ein bisschen weiter paranoiden – oder auch nicht? – Ideen eines repressiven Überwachungsstaates hingibt, kommt man schnell bei Szenarien an, in denen ungewollte Ziele nicht mehr angefahren werden dürfen. Das erspart dann die Kontrolle von Umweltzonen, kann aber genauso verhindern, dass Fußballfans mit einschlägigem Hintergrund in Städte reisen, in denen ihr Lieblingsverein am betreffenden Tag gegen den Erzrivalen spielt.

Ein naheliegendes und unkontrollierbares Risiko taucht schon heute da auf, wo man an Sicherheitslücken in der Fern-Stilllegung denkt, mit denen sich ein böswilliger Angreifer Zugriff auf das eigene Auto verschaffen könnte.

Die Free Software Foundation Europe hat einen Blogbeitrag zum Thema veröffentlicht, in dem sie dafür plädiert, die Kontrolle über die eigenen Geräte zurückzufordern. In diesem Fall trifft das sowohl auf Hard- als auch Software zu. Vielleicht kann man dann, in einer Zukunftsutopie, die Rootrechte an seinem Auto wiedererlangen. Und im Fahrzeugschein stünden dann nicht mehr nur Hubraum, Reifengröße und andere technische Angaben, sondern auch das verwendete Betriebssystem…

 

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11 Ergänzungen

  1. Könnte man die nicht über unlauteren Wettbewerb drankriegen? Damit ihr Geschäftsmodell funktioniert, müssen sie ja auch Batterien von Drittanbietern blockieren, und derartige Praktiken wurden bisher regelmäßig für illegal befunden, wenn mal jemand drum geklagt hat (ist allerdings relativ zahnlos; die Druckermafia zahlt auch lieber Strafen als was zu ändern).
    Ein anderer Weg wäre, einen Standard für Batterien von Elektroautos voranzutreiben, damit sie leichter austauschbar sind. Das lässt sich prima mit Umweltschutz (für die Grünen) und freiem Wettbewerb (für die Liberalen) begründen. Hersteller die ihr eigenes Süppchen kochen wollen verschwinden dann flott vom Markt weil sie mit nichts kompatibel sind.

    1. “ die über unlauteren Wettbewerb drankriegen“ entspricht einer Hackermentalität, die m.E. hier völlig verfehlt ist Es geht nicht darum, durch irgendwelche Winkelzüge, seien sie nun juristischer oder programmiermäßiger Art, diese eine Sache geradezurücken, denn was sich hier in ersten Andeutungen abzeichnet, ist erschreckend.

      Stichwort „Internet der Dinge.“ Über kurz oder lang haben, um hier ein bißchen in die Zukunft zu phantasieren, womöglich Consumergeräte überhaupt keine Bedienelemente herkömmlicher Art mehr, sondern stattdessen eine Netzwerkschnittstelle, und das universelle Bedieninterface ist ein Smartphone. Dann muß nur noch zwischen Gerät und diesem Smartphone ein man in the middle des Herstellers zwangseingebaut werden, und die, Entschuldigung, Kacke ist am Dampfen. Wohlklingende Gründe für ein solches Arrangement lassen sich finden: Geringerer Herstellungsaufwand für die Geräte durch Wegfall der herkömmlichen Bedienkomponenten, größere Zuverlässigkeit, da die weggefallenen Teile nicht mehr defekt werden können, der Hersteller kann erkennen, wo die Benutzer im Umgang mit den Geräten Probleme haben, den Benutzern können z.B. je nach ihrer Umgangsweise mit den Geräten Hinweise etwa zum Umweltschutz gegeben werden, die Bedieninterfaces in Software auf dem Smartphone lassen sich individuell anpassen usw.

      Die Frage, die sich stellt, ist, ob man sich, bereits für elementare Abläufe des Alltagslebens, in einen elektronischen Kokon einspinnen lassen will, aus dem man faktisch nicht mehr entkommen kann und der dem eigenen Einfluß völlig entzogen ist (wer den Film „Brazil“ kennt, mag sich an einige Szenen daraus erinnert fühlen). Hier sehe ich ein grundlegendes Problem, das auch entsprechend grundlegend angegangen werden müßte.

      1. Es sieht wie ein Winkelzug aus (und war auch ursprünglich so gedacht). Aber das „unlauterer Wettbewerb“-Argument ist grundsätzlich als Waffe gegen intransparente Technik geeignet, die sich der Kontrolle des Nutzers entzieht. Wieso also noch ein Gesetz machen, wenn wir schon eins haben das genau diese Aufgabe erfüllt, und das man nur durchsetzen müsste? Ob der Drittanbieter eine große Firma oder ein Bastler in seiner Garage ist, macht da keinen Unterschied (außer dass sich der Bastler keinen langen Prozess leisten kann, aber das Problem gibt es bei jedem Gesetz).
        Das einzige was man erzwingen kann sind offene Standards (zumindest wenn der Marktanteil groß genug ist) – aber das ist auch das einzige was man erzwingen muss. Den Rest des Problems können dann Bastler übernehmen, da braucht es keine Juristen mehr.

  2. Die Möglichkeiten Autos per Fernabfrage zu öffnen, zu schließen oder ggf. auch still zu legen, gibt es schon deutlich länger als den Zoe. BMW bietet solch einen Service bsw. schon seit einigen Jahren an. Schlüssel im Auto eingeschlossen? BMW-Hotline anrufen und das Auto wird per Hotline aufgeschlossen.

    Hier gibt es noch ein bisschen fundiertes (wenn auch eher die Versicherungs-Blackbox angehendes) von einem Unfallanalytiker:
    http://willsagen.de/?p=4118

    http://willsagen.de/?p=3728

  3. Liebe Anna,
    Zum Thema „Blackbox in PKW“:
    Vergessen habt ihr, dass die Box incl. Mikro und separater Stromversorgung geliefert wird. D.h. Zündung aus =\ Mikro aus. Weiterhin werden die Daten bei Telefónica in der Cloud gespeichert. Das Bewegungsprofil wird ebenfalls 1/2 Jahr gespeichert.
    Negativ schlägt sich Beschleunigen und starkes Bremsen nieder. Fußgänger auf der Straße? Pech gehabt, wenn gebremst wird gibts Minuspunkte.
    Was dagegen nicht berücksichtigt wird, ist das, das wirklich gefährlich ist. Abstand, telefonieren, drängeln, nicht blinken, Alc.. is ja auch nicht so schlimm, gell?
    Wovon auszugehen ist, ist dass die gewonnenen Daten im Schadensfall genau von der Versicherung betrachtet werden. Und ggf. negativ ausgelegt werden. Also alle die, die sich das Ding freiwillig einbauen lassen kann man wirklich nicht bemitleiden. Aber so wie ich den deutschen Michel kenne, baut er sich auch ne Analsonde der Krankenversicherung ein, wenn man nur 2eur sparen kann.
    Und irgendwann wird es für alternativlos erklärt und keine anderen Tarife mehr angeboten. Toll.
    Gruß..
    //Ric

    1. Danke für die Ergänzungen :] Ich wollte das im Artikel nicht direkt ausführen, da es mir mehr um die Batterie ging. Aber wo wir gerade dabei sind: Dieser Artikel war für mich interessant, da jemand mal getestet hat, wie denn so eine Fahrstilbewertung bei alltäglichen Beschleunigungs- und Bremsvorgängen aussähe.

      1. Liebe Anna,
        Danke für den Link :)
        Vielleicht erstellt Ihr mal einen eigenen Artikel zu dem Thema Blackbox. Inklusive der (wenigen) pro´s und con´s.
        Das ist zu wichtig, als dass es hier untergeht.
        // Ric
        ps: Das Ecall system, also Simkarte im Auto verbaut, soll ja sowieso verpflichtend für Neufahrzeuge kommen (Jahr: müsste ich duckduckgo´en ;) )

    1. Klar, auch ein Elektromotor hat Drehzahlen, laut Wiki gibt es sogar E-Autos mit mehreren Gängen. Aber der Halbsatz bezog sich tatsächlich auch eher auf Autos im Allgemeinen, das war vielleicht missverständlich.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.