Deutsche Telekom ist von Netzüberwachung total überrascht

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, René Obermann, war im Interview der Woche zu Besuch im Deutschlandfunk. Dabei ging es u.a. um die NSA-Überwachung und die Drosselkom-Debatte. Und das ist streckenweise lustig, wahlweise erschreckend, anzuhören, bzw. im Transcript zu lesen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man hier den Chef des größten deutschen Telekommunikationsunternehmens im Interview hat, der offensichtlich keine Ahnung von Überwachung im Netz zu haben scheint und der noch überraschter klingt als unsere Politiker:

Benjamin Hammer: René Obermann, wenn Sie einem Bekannten eine E-Mail von zu Hause aus schicken, nutzen Sie dann eine Verschlüsselung?

René Obermann: Nein.

Hammer: Ist das sicher?

Obermann: Ich kann Ihnen nur sagen, dass es nach meinem bisherigen Kenntnisstand sicher war, beziehungsweise dass die Sicherheit oder Nichtsicherheit nicht richtig transparent ist aus heutiger Sicht, weil – wir haben in den letzten Tagen und Wochen viel Spekulatives gehört. Und ich fände es gut, wir würden mal Transparenz darüber bekommen, was tatsächlich passiert ist. Was angeblich bis heute vorliegt, muss ja irgendwann mal auch erklärt werden. Und auf diese Erklärung sollten wir drängen.

Etwas unentspannt wirkt Obermann bei der Frage, ob die Deutsche Telekom mit Geheimdiensten zusammenarbeitet:

Hammer: Kooperiert die Deutsche Telekom mit Geheimdiensten?

Obermann: Nein – also Moment, Stopp! Wir kooperieren nicht mit ausländischen Geheimdiensten, wir kooperieren im Rahmen des G 10, also der gesetzlichen Grundlagen, der rechtlichen Grundlagen in Deutschland mit unseren Diensten. Das heißt, unter strengen gesetzlichen Auflagen, die wir formal prüfen ob sie erfüllt sind, können die Dienste bestimmte Ermittlungen durchführen und dann auch auf Daten zugreifen. Aber wie gesagt, auf der Grundlage von Recht und Gesetz. Und darauf lege ich großen Wert.

Spannend wäre ja die Klärung der Frage, ob die Deutsche Telekom auch echt nicht mit ausländischen Geheimdiensten zusammen arbeitet, z.B. im Rahmen des Engagements auf dem US-Markt mit T-Mobile. Aber wahrscheinlich ist das wieder so geheim, dass Obermann gar nicht mitbekommt oder mitbekommen will, wie man da im Rahmen von PRISM & Co Verbindungsdaten und weiteres an die NSA weitergibt. Denn Obermann erklärt, dass man nicht daran mitgewirkt habe, zumindest „nach seinem Kenntnisstand“ (Und das ist ja Programm bei PRISM & Co):

Hammer: Und die Telekom hat nach Ihrem Kenntnisstand da nicht aktiv mitgewirkt?

Obermann: Sicher nicht.

Aber beim US-Telekommunikationskonzern Verizon will auch niemand was von der heimlichen Vorratsdatenspeicherung mitbekommen haben.

Als CEO der Telekom scheint Obermann auch etwas von der aktuellen Nachrichtenlagen abgeschnitten zu sein. Von der Meldung, dass die Briten einfach mal mit Tempora die Glasfaserkabel abschnorcheln, hatte er noch nichts gehört:

Hammer: Sie betreiben mit anderen Firmen ein Unterwasserkabel – TAT 14 heißt das – und das führt von Norddeutschland über Großbritannien in die USA. Und wenn es stimmt, was wir lesen, dann konnte der britische Geheimdienst – ein britischer Geheimdienst – die Daten in aller Ruhe im Grunde anzapfen.

Obermann: Wo soll das geschehen sein?

Hammer: In Großbritannien.

Obermann: Also, ich bitte um Nachsicht, dass ich wirklich nur dazu sagen kann, zu dem Bereich sagen kann, den wir kontrollieren und über den wir die Hoheit haben, die physische, die physische Hoheit haben, den wir managen können, und da sind mir keine Zugriffe bekannt.

Großes Kino ist die Antwort auf die Frage „Und trotzdem, wenn ich Sie als Kunde frage, was können Sie tun, um meine Daten zu sichern, dann muss doch auch die Frage gestattet sein: Wie wollen Sie verhindern, dass ein Geheimdienst Ihre Glasfaserkabel irgendwo anzapft?“

Die längere Antwort erklärt lediglich, dass man die Mitarbeiter in Datenschutzaspekten schult und man doch einen Datenschutzbeirat habe (wo u.a. MdBs und ein Vertreter des CCC ab und an mal zum quatschen zusammen kommen).

Zur Drosselkom-Debatte wird er auch noch gefragt. Da ist er deutlich in den Antworten geschulter und sagt eigentlich nichts, was nicht im PR-Leitfaden seiner Kommunikationsabteilung steht: Aufregung sei nicht gerechtfertigt und die Netzneutralitätsdebatte sei lediglich dem Wahlkampf geschuldet.

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8 Ergänzungen

  1. Das wäre auch mal eine schöne Verschwörungstheorie: Vielleicht war das Drosselkom Debakel einfach nur eine Reaktion auf die Anfrage der Geheimdienste? Die können nicht Schritt halten mit dem Datenspeichern und haben angeregt die Datenmengen künstlich zu verknappen :D

  2. Was macht die Qualifikation deutscher Manager in ehemaligen Staatsunternehmen aus?
    Dieser Mensch weiß nicht, was in seinem Laden läuft und wer was macht; er ist nicht einmal darüber orientiert, was aktuell schief läuft und über was diskutiert wird…
    Es ist eine amüsant entlarvende Story über den altbekannten Zustand einer typischen deutschen ‚Behörde‘ und der dafür Verantwortlichen – mehr nicht.
    Trotzdem Danke für selten lautes Schmunzeln meinerseits.

    1. Sie ignorieren die Tatsache, dass Obermann, falls er überhaupt die Fakten kennt (oder kennen will), sich dazu nicht äußern kann, geschweige denn äußern darf. Gerade in den USA und Großbritannien gibt es sogenannte „gag orders“, die es den Unternehmen verbieten sich überhaupt zur Thematik zu äußern. Selbst die Aussage, das ein solcher „gag order“ existiert, ist schon ein Verstoß. Insofern sind seine Aussagen nicht überraschend.

      1. Technisch gesehen: Wenn interessieren irgendwelche „gag orders“ in den USA und Großbritannien? Genau, eig. sollte das niemanden interessieren, denn wir sind ja hier (noch) in Deutschland… Traurig das alles :/

  3. Hinter jedem Vorstand, gibt“s jemanden der dahinter steht. Bekanntlich weiß ja der vordere oft nicht, was der hintere tut. Oder war es die Linke Hand, die nicht weiß wie … egal.

  4. Der Preis für die Etablierung im US-Markt (siehe DHL-Post) ist nun mal die „zusammenarbeit“, da kann man drehen und wenden wie man will.

    1. Ja, aber muss ja nicht zwangsläufig das DE Unternehmen mit eingebunden werden in die Abkommen ;)

  5. Vielleicht sollte die Telekom nun mal umdenken. Denn auenscheinlich belasten ja nicht die Vielsauger die Netze, sondern die Geheimdienste, dir durch die Speicherung das übertragene Datenvolumen anscheinend verdoppeln oder verdreifachen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.