CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne sprechen sich gegen Softwarepatente aus

Tagensordnungspunkt 17 der heutigen Sitzung des Bundestages lautet „Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen“. In einem gemeinsamen Antrag (PDF) von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen fordern sie die Bundesregierung dazu auf, Softwarepatente effektiv zu begrenzen und zu gewährleisten, dass Computerprogramme urheberrechtlich geschützt blei­ben und dieser Schutz nicht durch eine Erteilung von Patenten auf bestimmte Softwarekomponen­ten ausgehebelt werden darf. Die Linke durfte den Antrag nicht unterstützen. Aus dem Büro von Petra Sitte heißt es, er gehe zwar in die richtige Richtung, einige Änderungen wären jedoch notwenig.

Zu Beginn des Antrags wird festgestellt, dass innovative, leistungsfähige und sichere Informationssysteme die unverzichtbare Grundlage der Wissens- und Informationsgesellschaft darstellen. Die Leistungsträger bei der Entwicklung dieser Systeme seien vor allem kleine und mittelständische Softwareentwicklungsunternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich vom Urheberrecht abhänge. Und obwohl das deutsche Patentgesetz wie auch das Europäische Patentübereinkommen Computerprogramme „als solche“ eigentlich vom Patentschutz ausnehmen, wurde praktisch, vor allem vom Europäischen Patentamt, Patente mit Wirkung auf Computerprogramme erteilt:

Bei denen die Patentierung von Lehren zur reinen Datenverarbeitung in einer nur formalen Einkleidung als „technische Verfahren“ oder „technische Vorrichtungen“ erfolgte und Ansprüche auch explizit auf diese Verfahren bzw. Vorrichtungen realisierenden Computerprogramme erhoben werden. Die Anzahl der allein vom EPA erteilten softwarebezogenen Patente liegt nach Schätzungen im hohen fünfstelligen Bereich.


Auch Referenzurteile des Bundesgerichtshofs hätten die Patentfähigkeit softwarebezogener Lehren in weiten Teilen anerkannt, zB das Urteil zur Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten. Dies führe zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für Softwareentwickler eine erhebliche Rechtsunsicherheit:

Die Abstraktheit der Patentansprüche hat zur Folge, dass ein softwarebezogenes Patent alle individuellen Ausführungen der geschützten Problemlösung in konkreten Computerprogrammen erfasst. Computerprogramme, die die geschützte Problemlösung enthalten, dürfen ohne Zustimmung des Patentinhabers nicht mehr gewerblich verwendet werden.

So verlieren die betroffenen Softwareentwickler laut Antrag faktisch die urheberrechtlich vorgesehenen Verwertungsrechte an ihren selbst geschaffenen Computerprogrammen und sind bei der wirtschaftlichen Verwertung unkalkulierbaren Kosten- und Haftungsrisiken ausgesetzt. Auch die Unvereinbarkeit patentbehafteter Bestandteile von Softwarelösungen mit den Lizenzbedingungen der überwiegenden Open Source-Software stelle ein Problem dar. Es ergäben sich aus dieser Situation Monopolisierungstendenzen im Softwaresektor mit „entsprechend negativen Folgen für die Innovationsdynamik und den Arbeitsmarkt“.

Mit dem heutigen Antrag wollen die beteiligten Fraktionen die Forderungen eines interfraktionellen Antrags (Drs. 15/4403, PDF) aus dem Jahr 2005 erneuern und bekräftigen. Auch dort ging es um die Wiederher­stellung der Rechtssicherheit für Softwareentwickler.

Die Forderungen der Antragsteller an die Bundesregierung sind folgende:

  1. zu gewährleisten, dass die wirtschaftlichen Verwertungsrechte des Softwarewerkes im Urheberrecht geschützt bleiben und nicht durch Softwarepatente Dritter leerlaufen
  2. sicherzustellen, dass Softwarelösungen auf dem Gebiet der reinen Datenverarbeitung, der softwarebasierten Wiedergabe von Informationen und von programmgestützten Steuerungsaufgaben ausschließlich urheberrechtlich geschützt werden und dass darüber hinaus kein Patentschutz für abstrakte Lösungen auf diesen Gebieten gewährt wird;
  3. Nutzungs- und Verbotsrechte für softwarebasierte Lösungen weiterhin urheberrechtlich zu regeln;
  4. den patentrechtlichen Schutz auf softwareunterstützbare Lehren zu beschränken, bei denen das Computerprogramm lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt, wie z.B. eine softwarebasierte Waschmaschinensteuerung ein elektromechanisches Programmschaltwerk aus drehbaren Walzen, die Steuerungsschaltkreise für einzelne Waschprogrammschritte aktivieren, ersetzen kann;
  5. das Urheberrecht zu wahren, damit der Softwareentwickler sein Werk auch unter Open Source-Lizenzbedingungen rechtssicher veröffentlichen kann.

Sollte es zu einer Reform des Urheber- oder Patentrechts auf europäischer Ebene kommen, gibt es auch noch ein paar Forderungen: u.a. eine Definition des Begriffs ‚Technik‘ aufzunehmen und durch die Definition sicherzustellen, dass Computerprogramme, Geschäftsmethoden und Algorithmen nicht patentiert werden können. Zudem soll sich die Bundesregierung im Falle einer Reform dafür einsetzen, dass alternative Entwicklungskonzepte wie insbesondere Open Source-Projekte durch patentrechtliche Bestimmungen möglichst nicht beeinträchtigt werden und dass eine unabhängige wissenschaftliche Evaluierung der Entscheidungspraxis der Patentämter, insbesondere des Europäischen Patentamts, ein- und durchgeführt wird.

Im Livestream des Bundestages kann die Sitzung verfolgt werden, TOP 17 wird gegen Abend behandelt werden.

Update
Die erste Lesung wird jedoch nur zu Protokoll gegeben. (Danke, Andre)

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20 Ergänzungen

  1. Mal eine Frage eines juristisch unbeleckten: Was genau sagt das alles jetzt aus? Der Bundestag sagt „Bitte, Bitte, liebe Regierung, tu mal was!“?
    Nun gut, das kann im Endeffekt jeder tun.

    Die Frage ist, was rauskommt. Und ob nicht im Bundestag getrommelt wird (weil Wahljahr), in den EU-Kommisionen und -Einrichtungen werden die Patente dann doch durchgedrückt?

  2. Provokante Frage:
    Die Partei „die Linke“ ist als für Softwarepatente, da sie diesen gemeinsamen Antrag nicht ünterstützt ?

    1. Nein, ich habe auf ein Statement gewartet und es nun eingebaut:

      Die Linke durfte den Antrag nicht unterstützen. Aus dem Büro von Petra Sitte heißt es, er gehe zwar in die richtige Richtung, einige Änderungen wären jedoch notwenig.

      1. Kurzum: Nein!

        Sorry, aber was fur win Müll list „Wir wind dafür, stimmen amber dagegen weil…“? Gab es den nicht mal wine Antwort die nach dem … notch weiterging?

      2. @Bjoern
        Die Linke will wahrscheinlich ein Verbot von Softwarepatenten, diese Koalition aber nur eine effektive Begrenzung (also kein Verbot). Das ist natürlich wieder so halbgar wie beim Leistungsschutzrecht, Bestandsdatenauskunft oder dem Anti-Abmahn-Gesetz, wo am Ende Gerichte entscheiden sollen, was jetzt Recht ist und was nicht.

  3. die Fraktionen sprechen sich nicht „gegen Softwarepatente“ aus, sondern sie wollen Regelungen für Softwarepatente ändern.

    Die Definition, Softwarepatente zuzulassen, falls die Software durch Mechanik oder elektrische Schaltungen ersetzt werden kann, ist sogar noch schlechter als der status quo. Fast jede Steuersoftware lässt sich auch in einem Chip oder in anderen Logikschaltungen (pneumatisch, mechanisch) realisieren.

    Die Forderung hätte „Keine Softwarepatente“ lauten sollen, und nicht „ein wenig Softwarepatente sind auch ok“.

    1. Status quo? Softwarepatente sind real, auch in Deutschland. Das ist kein Status Quo. Effektiv habt ihr damit einer Verbesserung der Situation eine Abfuhr erteilt. Zum k*****.

      1. der status quo schließt Software „als solche“ aus. Auch wenn das Europäische Patentamt sich nicht um EU-Recht kümmert und auch gerne SW-Patente erteilt, ist die geforderte Einschränkung aus dem interfraktionellem Antrag viel weicher als die jetzige Regelung

    2. Die Forderung hätte sein sollen, dass Kommisar Michel Barnier einen Vorschlag vorlegt, um materielles Patentrecht zu harmonisieren und softwarebezogene Erfindungen auszuschliessen.

      1. @andre: ich würde noch 2 Punkte anfügen:
        a) Unitary Patent zurück an den Verhandlungstisch und Softwarepatente ausschließen
        b) Bundesregierung auffordern, eine Überarbeitung der European Patent Convention anzustreben

      2. Das Einheitspatent ist ein Konstruktionsfehler, klar, der Spatz in der Hand nach 80 Jahren Großraumpatentdiskussion. Eine EU-Harmonisierung nationalen materiellen Rechts behebt einen wichtigen Aspekt des Designfehlers. Es fehlt ein Migrationspfad des EPA in die EU Ordnung, und ein Ansatz um die Heterogenität der Patentpraxis in der EU aufzulösen. Die derzeitigen Vorschläge mit dem Einheitspatent stellen darauf ab die EU weitgehend zu entmachten. Das ist durchaus gewollt, eine Abschottung der Institution vor politischer Einflussnahme. Nun ist aber das Problem, dass Patente in viele allgemeinen Bereichen eine große Wichtigkeit haben. Wie will man Patentdurchsetzung-. Wettbewerbs-, Forschungs- und Normierungspolitik auf EU Ebene abstimmen ohne EU Patentrecht im Acquis Communautaire?

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