Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten droht

Die EU-Kommission will dringend eine Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten einführen. Der Rat will die Überwachung sogar auf weitere Verkehrsmittel ausdehnen und erhält dabei Unterstützung vom EU-Anti-Terrorkoordinator. Das Parlament streitet noch, eine Entscheidung steht vor der Tür.

Während die Kommission bereits anfängt Fakten bei der Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten zu schaffen diskutiert man im Rat und im EU-Parlament ob und wie die neuerliche Überwachungsmaßnahme gestaltet werden soll. Im Rat geht es vor allem darum den Kommissionsvorschlag (.pdf) auszuweiten, zum Beispiel auf innereuropäische Flüge. Schon kurz nach der Bekanntgabe der Pläne äußerten sich die Briten und forderten eine entsprechende Ausbau des EU-PNR-Systems. Darüber hinaus forderten sie auch „andere Verkehrsmittel“ zu überwachen. Sollte dies Wirklichkeit werden, droht die Total-Überwachung aller Reisebewegungen.

Total-Überwachung des Reiseverkehrs nimmt Form an

In dem jüngsten internen Ratsarbeitsgruppenprotokoll, welches uns vorliegt, wird deutlich, dass die britische Delegation (GBR) noch immer an diesem Vorhaben festhält:

„GBR führte weiter aus, es müssten passende, verhältnismäßige Maßnahmen entwickelt werden, welche die Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen berücksichtigten. Auch der Landverkehr sei wichtig.“

Unterstützung erhält die britische Delegation im Rat dabei vom EU-Anti-Terrorkoordinator (CTC) Gilles de Kerchove:

„CTC zeigte Verständnis für den GBR-Wunsch nach verstärktem Schutz des Landverkehrs. Er erklärte, er verstehe nicht, wieso man ohne vorherige Gepäckkontrolle in den Thalys einsteigen dürfte.“

Es wird also konkreter: Die Überwachung von Reisenden im Zugverkehr soll zumindest teilweise an die Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr angepasst werden. Auch die Kommission steht dem Vorhaben nicht ablehnend gegenüber. Nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Vorschlags zur Flug-Passagier-Vorratsdatenspeicherung erklärt die Innenkommissarin Malmström auf eine Anfrage des fraktionsfreien EU-Abgeordneten Martin Ehrenhausers: „Die Kommission kann nicht vorhersagen, welche Position sie in der Zukunft im Hinblick auf die Erhebung von Fahrgastdaten für Bahnreisen und deren Verwendung durch die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten einnehmen wird.“

EU-Parlament kann Vorratsdatenwahnsinn stoppen

Selbst wenn sich der britische Delegation und der Anti-Terrorbeauftragte in der aktuellen Debatte um das EU-PNR noch nicht durchsetzten sollten, ist offenkundig, dass die Total-Überwachung des Reiseverkehrs droht. Diesen drastischen und völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre aller Reisenden kann derzeitig nur noch das EU-Parlament aufhalten. Im zuständigen Innenausschuss stehen die Abstimmungen vor der Tür. Sollte es dabei zu einer Ablehnung kommen, stehen die Chancen gut, die Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten zu verhindern. Damit würde man auch, zumindest kurzfristig, die Diskussionen um eine Ausweitung der Maßnahme ersticken. Allerdings gibt es derzeitig sehr viele Abgeordnete, die sich noch keine abschließende Meinung zu diesem Thema gemacht haben. Daher haben wir ein kleines Tool gebastelt, mit dem ihr eure Abgeordneten leicht kontaktieren und überzeugen könnt.

Crosspost von nopnr.org.

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19 Ergänzungen

  1. Wäre? Schlechter Scherz. Wie einschlägige Vorfälle um Polizeibehörden und Geheimdienste immer wieder belegen, geht es bei diesem Geschwafel jedes mal nur noch um Legalisierung von bereits stattfindenden Praktiken.

    Den Herrschern geht langsam der Arsch auf Grundeis, die Verarmung der breiten Masse und die immer schnellere Umverteilung des Kapitals von unten nach oben, lassen sich nicht ewig mit gefälschten Statistiken wegreden.
    Irgendwann wird sogar der Deutsche wütend, spätestens wenn der Sprit mehr kostet als die ohnehin schon überteuerte Wohnung.

    Und dann ist man bereit, jeden der sich wehren will als Terrorist zu behandeln.

  2. So mit wäre, der Orwell-Staat perfekt!!
    Dank Netzpolitik wird man schnell und immer infomativ infomiert,
    was in der Polotik geschieht

  3. Da bin ich mal gespannt wie das in der Praxis funktionieren soll. Die Kosten dafür jeden Bahnhof (oder zumindest die Hochgeschwindigkeitsbahnhöfe) mit Sicherheitstechnik wie am Flughafen auszustatten dürften erheblich sein.

    1. Es geht nicht um Sicherheitstechnik, es geht um lückenlose Erfassung von Personenbewegungen. Und das ist relativ simpel zu erledigen.
      Nehmen wir zum Beispiel die RFID-Chips, die sind mühelos in jedes Ticket zu integrieren und können überall von Lesestationen an Bahnsteigen und Zugtüren erfasst werden, dazu schafft man noch die Bezahlung von Reisetickets via Bargeld ab, und schon weiß man exakt wer, wann, wohin fährt.

    2. Ich fürchte, wenn man solche Kontrollen will, ist man auch bereit, die Ticketpreise (notfalls zwangsweise) zu erhöhen. Das ist ja bei der Vorratsdatenspeicherung im Prinzip nicht anders, das zahlt am Ende auch der Nutzer.

  4. Den Schluss von EU-Anti-Terrorkoordinator Gilles de Kerchove finde ich absolut nachvollziehbar:

    Wieso sollten Fluggäste so stark kontrolliert werden, Bahnreisende aber nicht? Gut, ein Flugzeug lässt sich eher als ein Zug als Waffe mißbrauchen, aber ein Anschlag auf den Thalys könnte auch hunderte Leben kosten.

    Der Schluss sollte aber meiner Meinung nach nicht sein, die Überwachung wie wir sie beim Flugverkehr haben jetzt auf andere Verkehrsmittel auszudehnen, sondern im Gegenteil die zumeist sinnlose, weil lediglich als Placebo zur Beruhigung wirkende, Überwachung im Flugverkehr auslaufen lassen und endlich wieder zur Normalität zurückzukehren.

    1. Einen Anschlag auf den Thalys (oder einen beiliebigen anderen Zug) veruebt man besser von ausserhalb. Immerhin sind die meisten Bahnstrecken in laednlichen Gebieten und dort nicht ueberwacht (und auch nicht wirklich ueberwachbar).

      Nein, hier geht es schon um flaechendeckende Ueberwachung – und bald brauchen wir wieder die Genehmigung des Landesherrn, um das Dorf zu verlassen.

  5. kontrollen wie auf dem flughafen? wo sollen denn all die nacktscanner, röntgenlaufbänder, kontrolleure erstens bitte hin und zweitens wer soll den kram bezahlen, die bahn?

  6. und muss man dann auch 90 minuten bevor der zug fährt, am bahnhof erscheinen? und was ist bei verspätungen…oh man, dumme ideen kennen echt keine grenzen

    1. Sehr gutes (weil für die Masse der Menschen verständliches) Argument. Aber die Speicherung der Ticketdaten mit Personalausweis o.ä. könnte man ja einführen, ohne dass der Reisende groß was davon merkt.

    2. Geht doch noch einfacher. Handy Überwachung im Zug. Damit weiß man wann welches Handy von A nach B gefahren ist. Da zu kommt das Verbot von anonymen SIM-Karten, so wie dass Verbot des Verleihen des Handys.
      Und wer jetzt lacht, diese Verbote gibt es bzw. werden ernsthaft Diskutiert.

      1. Da hast Du leider recht. Aber mit Ticketspeicherung o.ä. speichert man halt auch noch die, die Ihr Handy ausmachen (z.B. meine Oma oder vielleicht jemand, der zu Anti-Nazi-Demos geht) oder daheim vergessen/liegen lassen. Das Netz wird halt immer enger gezogen.

    1. ich sag nur Verdacht:

      „Hexe, Hexe! du kannst schreiben, du bist eine Hexe! oooh ich kann ja lesen, aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah ich habe nichts gesagt.“

      Der Begriff Verdacht ist ja schon eine Frechheit. Da reicht es wirklich aus wenn einer vom anderen sagt „ich glaube der ist Gewaltbereit“.

  7. Das ist doch nicht Zukunft, sondern Gegenwart. Ich bin zwar selber noch nicht gefahren, aber wer mit dem Eurostar durch den Channel-Tunnel will, muß sich offenbar durch Sicherheitsschleusen zwängen, ähnlich wie am Flughafen. Derzeit steht wohl in der Diskussion, daß ein Eurostar (oder ICE) von Frankfurt über Köln und Aachen nach London fahren soll. Hierzu müssen Bahnsteige an den entsprechenden Bahnhöfen umgebaut werden!

    Interessant wäre ja, ob in den kranken Hirnen dieser Politiker sich auch der Gedanke manifestiert hat, ebenfalls den gesamten Eisenbahn-Nahverkehr zu überwachen (eine Bombe in einer vollbesetzten S-Bahn wird wohl kaum weniger Schaden anrichten…)

    Klaus

    1. Aber ja. Du sollst keinen Ort mehr haben, an dem du dich vor der Staatswillkür verstecken kannst. Das ist das Wesen des totalitären elektronischen Polizeistaats. PKWs werden ihnen auch nicht reichen, bald auch alle Wohnräume. Die häßliche Fratze ist nach 2013 ja wohl endgültig demaskiert, und noch immer werden unzählige Detaildiskussionen geführt und aus einer defensiven Position heraus verlorene Schlachten geführt. Das ganze System muss demoliert werden, solange das noch geht!!! Und zwar nicht durch Gewalt, sondern durch einen Bewusstseinswandel, durch totale Nicht-Kooperation, eine fundamentale und praktizierte Nicht-Akzeptanz des Systems. Keinen Fußbreit mehr. Es reicht!

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