Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt | Ausstellung

Das Museum für Kommunikation in Frankfurt zeigt derzeit bis zum 23.02.2014 eine Ausstellung rund um das Thema Überwachung mit dem Titel „Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt“. Anhand von 200 Objekten sollen die Besucher erfahren wie und warum Menschen Kontrolle ausüben und welche Techniken sie dafür seit über 100 Jahren einsetzen. Von skurilen Werbevideos für Überwachungssoftware über speziell designte Aluhüte oder einer Kunstinstallation des Esten Timo Toots ist alles dabei.

Die Ausstellung ist in drei Bereiche gegliedert: von der zwischenmenschlichen Kontrolle über die Unternehmen bis hin zur staatlichen Kontrolle. Das ist auch der spannendste Teil, denn hier kann man die Dimension der Kontrolle erleben, die immer größer wird und der Zugriff auf das Individuum immer tiefer. Mal ganz abgesehen von den technischen Geräten wie alte Fernmeldeanlagen, Kontrollapparte zur Taschenkontrolle oder Gegenstände mit integrierten Überwachungskameras, die an James Bond erinnern, finde ich die künsterlisch kreative Beschäftigung mit diesem Thema besonders spannend. Denn Kunst setzt sich normalerweise sehr frühzeitig kritisch mit gesellschaftlichen Problemstellungen auseinander und hinkt beim Thema Überwachung meiner Meinung eigentlich schon hinterher.

Schließlich haben wir eine so in der Kunst noch nie dagewesene Situation einer auf einem Bild – Überwachungsbild –  dargestellten Person, die sich zu keiner Zeit in einen Dialog ihrem Betrachter einlassen kann. Ein Maler, der eine Person malt oder ein Fotograf, der eine Person fotografiert und ausstellt oder ins Netz stellt gibt dem Individuum immer Gelegenheit zur Interaktion, notfalls auch mit der Bitte, das Bild nicht mehr zu veröffentlichen. Was passiert aber dem kontrollierten Abbild? Wer hat darauf Einfluss? Und wer bestimmt dessen Deutung?

Es gibt beispielsweise Künsterlinnen wie die Französin Sophie Calle, die mit der Wahrnehmung und unterschiedlichen Wahrheiten arbeiten. In ihrem Projekt „The Shadow“ (1981) lässt sie ihre Mutter einen Detektiven auf sie anheuern, der wiederum von einem Freund von Sophie Calle observiert wird. Die Bilder, die dabei entstehen stellt sie dann aus. Es gibt also mehrere Versionen von Wahrheit und genau das ist ja so verstören, wenn wir uns vorstellen, dass wir überwacht werden und jemand anderes die Deutungshoheit übernimmt.

Anti Drone Hoodie
CC-BY-SA Karina Fissguss

Aluhut goes Fashion Show. Der New Yorker Designer Adam Harvey hat ein Cape entwickelt, das gegen alle Arten von Überwachung schützt, das „Anti Drone Hoodie“. Videokameras können kein vernünftiges Bild einer Person aufnehmen, der mit Metall bedampfte Stoff blockiert Handystrahlung für eine Funkzellenortung und reduziert die Wärmestrahlung des Trägers z.B. für einen Körperscanner. Es entsteht dadurch eine ganz neue „Ästhetik der Privatspäre“: sich verstecken vor Bildern, sich verstecken vor Kommunikation, seinen Körper vor Durchleuchtung schützen. Irgendwie wie eine hochmoderne Ritterrüstung.

Biegekoppler
CC-BY-SA Karina Fissguss

Um so interssanter wird es, wenn gleich in der Nähe ein Glasfaserkabel mit Biegekoppler zur Internetkontrolle zu sehen ist. Mit einem Biegekoppler lassen sich Signale aus einem Glasfaserkabel ausleiten, ohne es zu durchtrennen. Ein geringer Teil des durchströmenden Lichts, das die Signale einer Kommunikation trägt, tritt an der Biegung aus. Diese etwa zwei Prozent der Informationsmenge genügen, um die Datensignale aufzufangen und auszuwerten – dadurch wird massenhafte Überwachung der Kommunikation im Internet technisch möglich. Sieht man so ein Gerät vor sich, kann sich selbst Sascha Lobos Oma die Dimension des Überwachungsskandals wirklich plastisch vorstellen.

Spätestens, wenn man den abgedunkelten Raum der Ausstellung mit der Multimediainstallation „Memopol II“ des Esten Timo Toots betritt, wird die Frage „Und, was hat das alles mit mir zu tun?“ beantwortet. Diese spacige Maschine kombiniert Daten aus dem Personalausweis mit im Netz verfügbaren Social Media Daten und statistischen Annahmen. Da in Estland mehr Informationen auf dem Personalausweis gespeichert werden als bei uns, können sogar persönliche ärtzliche Verschreibungen, Schulabschluss, Steuererklärungen und Führerscheindaten abgerufen werden. Ein Selbsttest zeigte mir nochmal deutlich wie absurd eine solche algorythmische Wahrheit über mich ist und dass ich die Deutungshoheit über meine Informationen schon selbst behalten möchte.

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