Anhörung im Bundestag zu Störerhaftung / Telemediengesetz / WLAN

In der 32. Sitzung des Unterausschusses Neue Medien im Deutschen Bundestag findet heute ab 13:00 Uhr eine Öffentliche Anhörung zum Thema „Änderung des Telemediengesetzes“ sowie „Potentiale der WLAN-Netze“ statt. Davon soll es gleich einen Live-Stream geben.

Eingeladene Sachverständige sind:

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin / Digitale Gesellschaft e.V.
Dr. Christoph Clément, Kabel Deutschland, München
Alexander Purreger, FON Wireless, Ltd, London
Prof. Michael Rotert, eco, Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V

Es geht konkret um diese beiden Papiere (Links bitte in Kommentare)

Gesetzentwurf der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Nicole Gohlke, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung
BT-Drucksache 17/11137

Antrag der Abgeordneten Lars Klingbeil, Martin Dörmann, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Potenziale von WLAN-Netzen nutzen und Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber schaffen
BT-Drucksache 17/11145

Wir bloggen hier etwas mit.

Die Sitzung beginnt mit einer Schweigeminute für den gestern verstorbenen Max Stadler (Parl. Staatssekretär im Bundesjustizministerium / MdB).

Geplant sind drei Minuten Einführung pro Sachverständigen, dann erste Fragerunde.

Ulf Buermeyer startet. Möchte Situation der Gewerbetreibenden in Vordergrund stellen, die WLAN-Netze ihren Kunden zur Verfügung stellen wollen. Verweist auf Umfrage in Blogs in der vergangenen Woche zur Rechtsunsicherheit von Gewerbetreibenden. „Ich kann Ihnen sagen: Die Angst geht um in Deutschland, die Angst der Gewerbetreibenden vor Abmahnungen bei offenen WLANs“.

Es werde nach Providern erster und zweiter Klasse unterschieden. Die einen („Richtige“ Provider) sind ausgenommen von der Haftung, die anderen („Nebenbei-Provider“) nicht. Er hat viele Beispiele erhalten, von Hotels, Cafes, VHS, einer Obdachlosenunterkunft, die alle Opfer von Abmahnungen für Fremde waren. Dazu gehören unzählige Einzelpersonen.

„Ungleichbehandlung unterschiedlicher Provider“. Nebenbei-Provider werden gegenüber Providern „rechtlich diskriminiert“. In anderen Ländern gibt es viel mehr offene WLANs. Hier herrscht weitgehend „Funkstille“.

Appell an MdBs, diese hätten die Chance, etwas an der Situation zu ändern.

Christoph Clément von Kabel Deutschland beginnt und berichtet vom Modellprojekt „Public WLAN“ in Kooperation mit der MABB in Berlin und Potsdam. 300.000 Zugriffe seit Start vor einem halben Jahr. Man erhalte fast täglich „in großer Anzahl“ Anfragen bezüglich Nutzerdaten wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen. Man habe aber wohl Glück, da die Nutzung eh nur 30 Minuten pro Tag sei.

Rechtsrahmen reicht KD aus, kein Wunder, die sind ja auch „Provider erster Klasse“. Berichten von Schwierigkeiten, öffentliche Plätze zu finden, wo man Hotspots aufbauen könne. Nutzen Verteilerkästen. Aber man muss auf Bauamt erstmal Anträge stellen, um Hotspot bewerben zu können.

Alexander Purreger von FON erklärt Geschäftsmodell von FON. Seine Message: WIFI ist wichtig. Ist ja auch ihr Geschäftsmodell. In Deutschland würde mehr Angst existieren, sein WLAN zu öffnen, als in anderen Ländern. Störerhaftungsgesetz stehe nicht in Konflikt mit Verfügbarkeit von viel offenem Wifi. Er findet Regeln gut, um sich zu orientieren. War eher Werbung für „Alles so bleiben lassen, weil FON eh Nutzerüberwachung hat“. Danke an FON, Bärendienst!

Michael Rotert spricht nicht nur für Eco, sondern betreibt auch ein eigenes Hotspotnetz mit über 2000 Hotspots in Hotels, etc.. 125 (?) Abmahnungen im vergangenen Jahr. Hotspot ist Zugang als Accessprovider. Kritisiert BGH-Urteil „Sommer des Lebens“, was zu Rechtsunsicherheit besonders unter Hoteliers gebracht habe. Große Angst vor Abmahnungen führe zu mehr Überwachung als benötigt.

Hoteliers bekomme man solange bei Abmahnungen beruhigt, bis Inkassobriefe von Abmahnern kommen, dann laufen die Panik, auch wenn das nur ein Bluff ist. Er kritisiert, dass in vielen anderen Ländern offenes WLAN existiert. Sogar im Europarat in Straßburg würde es offenen WLAN geben. Im Bundestag habe er noch keins gesehen.

Seit 2005 hatte er zwei Fälle, wo es um echte Straftaten ging und bei beiden war es rechtszeitig, um noch Daten zu finden. Strafrechtliches wäre anderes als Zivilrechtliches. Man solle niemanden motivieren, „seine Kunden zu bespitzeln“. Er hält Digiges-Idee für gut, im TMG Störerhaftung so zu regeln, dass private WLANs auch haftungsbefreit gelten.

Jetzt Fragerunde.

Lars Klingbeil, SPD, beschreibt den eigenen SPD-Antrag, der in Richtung „Macht mal“ geht.

Thomas Jarzombek, CDU, erklärt, dass in Zielrichtung alle einig wären, nur die Wege seien verschieden.

Herbert Behrens, Linke, hat Nutzer im Blick. Will Rechtssicherheit für Anbieter vor „Abmahnunwesen“.

Jimmy Schulz, FDP, sitzt in Doppelrolle als Betreiber eines öffentlichen Hotspots und als MdB. (Mein Telefon klingelte, mehr hab ich nicht mitbekommen)

Konstantin von Notz, Grüne, Diskussion hat Auswirkungen auf digitale Infrastruktur, wünscht sich vernünftige Lösung, weil derzeitige nicht praktikabel wäre.

Antwortrunde:

Zu Datenschutz in offenen WLANs. Ulf Buermeyer verweist auf Nutzung von VPN-Tunneln, um mehr Sicherheit für Nutzer zu erhalten. Verweist auf §88 TKG Kommunikationsgeheimnis. Datenschutz als Argument gegen offenen WLAN-Netze sei eher schwaches Argument, Datenselbstschutz ist besser geeignet. Rechtslage ungleich Rechtspraxis: Verweist darauf, dass FON und KD jeweils befreit wären von Störerhaftung. Cafe Oberholz hätte aber das Problem, weil bisher dutzendfach abgemahnt. „Sorglos“-Box wäre eine Krückentechnologie, also wenn man für viel Geld fremden Provider ins Haus holen würde. Das wäre innovationsfeindlich, da gäbe es auch keine sachliche Begründung für. Verweist auf Digiges-Gesetzentwurf, der keine TKG-Revolution sei, sondern: „Als Nerd würde man sagen, ein kleiner Fix oder ein kleiner Patch“. Gibt genug Möglichkeiten, sich Überwachung im Netz zu entziehen, um Straftaten zu begehen. Wäre kein Argument, um offene WLANs zu verhindern.

So, ich muss jetzt leider andere Dinge machen und steige 13:44 Uhr aus dem Live-Blog aus. Müsst Ihr Euch live im Stream anschauen oder später als Aufzeichnung.

Doch schneller als gedacht um 13:54 Uhr zurück.

Rotert empfiehlt Provider, die nicht speichern. Da bekommt man auch keine Abmahnungen, sei aber eine unbefriedigende Situation. Bei seinen Hotspots müsste man sich per eMail-Adresse anmelden, die würde Strafverfolgern ausreichen.

Jetzt ist Anhörung auch schon vorbei. Leider zehn Minuten mit Antworten von KD und FON verpasst, aber die waren eh unmotiviert, an der Störerhaftung was zu verändern, weil nicht betroffen und eher potentiell mehr Konkurrenz.

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11 Ergänzungen

  1. Krass war, dass Alexander Puregger vom Fon-Projekt sehr stolz darauf wirkte, keinen unauthentifizierten Traffic aufm Netz zu haben und alle Nutzungsdaten nachvollziehen kann.

    1. Fand ich auch erschreckend. Und wenn ich mich erst wieder bei zig tausend Anbietern für jede Stadt einzeln registrieren muss hat es den Sinn von offenem Wlan wohl auch etwas verfehlt.

  2. Kann man nicht einfach sämtliche illegalen Seiten per Software sperren lassen und die Surfgeschwindigkeit soweit drosseln, dass illegale Downloads unattraktiv werden und man nur gemütlich surfen kann?

      1. Der Blogwart natürlich. SCNR

        (Der Originalbeitrag war sicherlich ironisch gemeint.)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.