Anhörung im Bundestag: Das Leistungsschutzrecht kommt, letzte Rettung Bundesrat

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger bleibt umkämpft, ist aber auf dem Weg, vom Bundestag beschlossen zu werden. Die heutige Anhörung im Rechtsausschuss machte nur noch einmal die Fronten klar, falls sie jemand noch nicht kannte. Die einzige Chance, das Gesetz noch zu verhindern ist ein Einspruch im Bundesrat – doch der ist trotz rot-grüner Mehrheit nicht sicher.

Heute fand im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags eine Anhörung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger statt. Inhaltlich scheint dazu alles gesagt zu sein: Die Sachverständigen haben das Thema in den Stellungnahmen umfassend beleuchtet und die Anhörung selbst wurde auf netzpolitik.org und auf Twitter live kommentiert. Daher soll hier eher eine Einordnung folgen.

Wie immer werden bei solchen Anhörungen die Sachverständigen von den Fraktionen nach Proporz eingeladen – und die laden sich natürlich niemand ein, der ihrer Meinung widerspricht. Da die Regierungskoalition für ein Leistungsschutzrecht ist, waren auch ihre Sachverständigen in der Mehrzahl. Inhaltlich brilliert hat jedoch vor allem Dr. Till Kreutzer von iRights.info und IGEL, aber auch Prof. Dr. Gerald Spindler und Thomas Stadler haben versiert gegen den Gesetzentwurf argumentiert. Christoph Keese, Chef-Lobbyist vom Axel Springer Verlag, war in eigenem Auftrag da, Google nur auf der Zuschauer-Tribüne. Schade war, dass sich auch der Deutsche Journalistenverband für das Leistungsschutzrecht ausgesprochen hat, wenn nur die Journalist/innen und Urheber genug von den Erlösen abbekommen.

Der Ausschuss-Vorsitzende Siegfried Kauder (CDU) managte die Sitzung nicht nur souverän und schlagfertig, sondern hat wiederholt kritische Anmerkungen „laut gedacht“ und anmerken lassen, dass er von diesem Leistungsschutzrecht nichts hält. Das hat er bereits im Februar 2010 deutlich gemacht und im letzten Oktober wiederholt. Das ist bemerkenswert, weil seine Regierungskoalition das Leistungsschutzrecht irgendwie durchbringen will – und er in wichtiger Position in diesem Prozess ist. Doch erstens ist er bald nicht mehr im Bundestag und zweitens nicht annähernd so mächtig wie das Kanzleramt. Und dieses hat bereits ein Machtwort gesprochen: Das Leistungsschutzrecht soll kommen, immerhin steht es im Koalitionsvertrag. (Das hat übrigens gar nichts mit den Brüdern von Klaeden zu tun)

Da die Abgeordneten der politischen Parteien, trotz Anhörung, auch morgen noch die selbe Überzeugung zum Leistungsschutzrecht haben wie gestern, wird das Gesetz wohl wohl vom Bundestag verabschiedet werden. Derzeit sieht es danach aus, als ob der Rechtsausschuss schon in drei Wochen seine Beschlussempfehlung beschließen und das Plenum des Bundestages schon am 22. Februar über das Gesetz abstimmen könnte. Selbst, wenn die Opposition noch ein oder zwei weitere Ausschuss-Anhörungen durchbekommen könnte, ist absehbar, dass das Gesetz noch im Frühjahr durch den Bundestag kommt.

Dann bleibt die einzige Option, das Gesetz noch zu verhindern der Bundesrat. Seit der Landtagswahl in Niedersachsen haben die von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Länder eine Mehrheit, die sich wohl am 19. Februar manifestieren wird. Diese Bundesländer könnten Einspruch gegen das Gesetz erheben und den Vermittlungsausschuss anrufen. Falls diese Nachverhandlungen bis zur Bundestagswahl nicht zu einer Einigung führen sollten, wäre das Gesetz tot – dank Diskontinuitätsprinzip. Doch danach sieht es zur Zeit nicht aus: Im Oktober berichteten wir, dass SPD und Grüne im Bundesrat das Leistungsschutzrecht „verbessern“ statt ablehnen wollen.

Also: Wenn wir das internetfeindliche Leistungsschutzgeld noch verhindern wollen, müssen wir Druck auf die rot-rot-grünen Landesregierungen ausüben!

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17 Ergänzungen

  1. Das LSR wird kommen. Und zwar nur wegen der Bundestagswahl.
    Ich stelle mir das so vor:
    „Einen schönen Wahlkampf haben Sie da, wäre doch schade wenn jetzt etwas unangenehmes in den Zeitungen steht.“
    Vor alem die FDP hat gute Presse dringend nötig.
    Ob der Brüderle Skandal wohl nur eine Machtdeminstration ist?

  2. Ehrlich gesagt möchte ich das Gesetz beschlossen und Google & Co. die Verlage aus dem Index werfen sehen. Das wird der Popcorn-Industrie Milliarden in die Kassen spülen.

    Was dann wohl kommen mag? Werden die Verlage Google vor Gericht dazu zwingen, sie wieder in den Index aufzunehmen wegen der angedichteten Monopolstellung?
    Wird Google Deutschland einfach verlassen und die Verlagsangebote erneut indexieren, worauf diese dann Netzsperren und Zensur fordern werden?
    Wird die Content-Spam-Industrie endlich wachsen und den vielen Nonsense-Autoren, die auf die Verdiene-leichtes-Geld-von-daheim-Angebote anspringen, eine echte Perspektive bieten?
    Werden die Verlage realisieren, dass sich Nutzerakzeptanz nicht erzwingen lässt?
    Werden wir bald das LSR 2 haben und nicht nur der GEZ eine Zwangssteuer entrichten müssen?

    1. Damit ist allen Suchmaschinen und Aggregatoren, die nicht Google, Bing und Yahoo heißen, aber auch nicht geholfen. Am ehesten profitieren die Großen noch davon…

  3. Ich frage mich wie das LSR bei Firmen die im Ausland registriert sind durchgesetzt werden soll. Deutsche Startups könnten dann doch ne Briefkastenfirma sonstwo gründen, die Server im Ausland hosten und wären somit von dem Unsinn befreit.

    Oder sehe ich da irgendetwas falsch ?

    1. Meines Wissens,
      ist der Standort des Server irrelevant.
      Dort wo du in den Sessel pupst, dort wird man dich zur Kasse bitten.

      Mit simplen Grüßen,
      yt

      1. Im Prinzip ja, aber es ist doch deutlich schwerer, Strafen oder Umsetzung von ausländischen Anbietern einzuklagen. Und damit sind wir dann ganz schnell bei „Stoppschildern“…

      2. Darum verschicke ich die meinem Gesäß entwichene Luft in einem luftdicht versiegelten Umschlag per Luftpost von meinem Firmensitz auf den Bahamas zu meinem Serverpark in die Türkei. Problem gelöst?

        Falls das LSR durchkommt, würden mich die langfristigen Auswirkungen auf die Server-Industrie interessieren. Jetzt werden auch die letzten paar in D hostenden Startups ihre Dateien wohl zu Amazon nach Irland oder weißgottwohin verlegen…

  4. Eine Welt ohne Verleger wäre auch eine Alternative. Wer braucht die heute noch? Das Internet verlegt sich selbst. Für mich strampelt hier eine tote Ratte in den letzten Zuckungen. Verlage sind überflüssig geworden und wollen sich eine Existenzberechtigungs-Lex basteln lassen.

    1. Was Verleger in diesem Sinne angeht, hast du recht. Aber an einem Verlag hängt ja auch noch vieles mehr: Lektoren, Filterfunktion, Organisation (wer recherchiert wo/was, wer schreibt den Text, …), Finanzierung, Vertrieb/Eigenwerbung, usw.
      Sicher, manches davon manchen auch Blogs und manches wird von den Verlagen eher suboptimal geleistet. Generell halte ich diese Art „Verlage“ aber schon für wichtig. Nicht jeder Journalist hat die Mittel, selbstständig ein Blog zu schreiben, das auch noch genug zum Überleben einbringt. Ob die Inhalte dann gedruckt, binär oder als Fotokopien verteilt werden, ist mir dagegen ziemlich egal.

  5. Wozu verhindern? Sobald das LSR-Gesetz im Grundsatz steht, geht das Lobbying für eine Blockausnahme via Einigung zwischen Verlegerverbänden und Google über eine Art Rahmenlizenz los. So etwas wäre unter normalen Umständen wohl illegal unter Kartellrecht.

    Beim Lex Google geht es ja nur um Geld. Darum, dass Newsaggregatoren zu den journalistischer Leistungen finanziell beitragen. Die Reflexe, dass es dem Wesen von robots, rss, crawlern usw., dem Geist des Internets widerspreche, finde ich überzogen.

    Nachrichten sind schon ein ganz besonderes Format, weil das wichtigste und kommerziell wertvollste in Überschrift und Teaser liegt und Nachrichten traditionell von unten gekürzt werden. Wenn wir in einem Blog zitieren, dann meistens aus dem Text. Wenn wir verlinken, dann meistens zur Sache, ohne dass wir uns fremden Inhalt zu eigen machen. Aggregatoren tragen null redaktionelle Leistung bei und schmücken sich 100% mit fremden Federn, guttenbergen die gesamte Online-Zeitungslandschaft zusammen.

    Für mich die Frage: Wie gestaltet man so ein Recht, dass es keine schädlichen Nebenwirkungen auf die normale Webtinfrastruktur hat und das Zitatrecht im Urheberrecht im Gegenzug gestärkt hervor geht?

  6. Blöde Frage, aber wäre die letzte Rettung nicht die Verweigerung der Unterschrift vom Bundespräsidenten? Oder darf der das nur unter ganz bestimmten Umständen machen und nicht nur, weil das Gesetz Schwachsinn wäre?

  7. Wenn das LSR kommt, sollte Google die Verlage nicht raus schmeißen. Google sollte die Links und Snippets zu Verlagsseiten neutral gestalten. D. h. der Linktext enthält einen neutralen Satz und das Snippet weist einfach darauf hin, dass aufgrund des LSR kein Text angegeben wird.
    Und wenn man nun was sucht, sieht man auf der ersten Seiten 10 gleich lautende Links, die einem irgendwie nichts sagen, und einige Links zu Blogs, die jedoch eindeutig sind, so dass der Nutzer geradezu zu den Blogs gelenkt wird.
    LSR ist also eher positiv für die Blogosphäre.

  8. Wie sieht denn die geschätzte Zeitschiene für das Gesetz aus? Lohnt es sich schon die rot-grünen Nachfolger der schwarz-gelben hessischen Landesregierung anzuschreiben, oder ist im Herbst eh alles zu spät?

    1. Falls diese Nachverhandlungen bis zur Bundestagswahl nicht zu einer Einigung führen sollten, wäre das Gesetz tot – dank Diskontinuitätsprinzip.

  9. Wenn ich Google wäre, sähe meine Agenda so aus:

    1) Warten, ob LSR kommt
    2) Wenn ja, (große) Verlage raus aus dem Index. Gezahlt wird nicht.
    3) Sonderverträge bei Anfrage zur unentgeltlichen Wideraufnahme einer Verlagsseite
    4) Akquise von freien Autoren
    5) Google News mit willigen Verlagen plus „eigene“ Autoren unter Beteiligung an den tatsächlichen Erlösen neu machen

    Mal schauen, was Google macht.

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