Verfassungsrichter Masing trollt zur EU-Datenschutzreform

Der Bundesverfassungsrichter Johannes Masing hat gestern in der Süddeutschen Zeitung eine flammende Warnung vor der geplanten Neuregelung der EU-Datenschutzgesetze veröffentlicht. Leider ist der Artikel nur im Print erschienen. Update: Hier gibt es einen Scan, wenn auch mit zerrissenem Layout. /Update Thomas Stadler hat ein paar Punkte daraus diskutiert, auch bei heise gibt es eine Zusammenfassung.

Masing kritisiert vor allem, dass die bisherige EU-Richtlinie, die ein nationales Umsetzungsgesetz benötigt (in Deutschland v.a. das BDSG), durch eine unmittelbar geltende EU-Verordnung ersetzt werden soll. Er greift dabei zu sehr harschen Worten. Unter anderem schreibt er:

„30 Jahre Rechtsprechung zum Datenschutz – vom Volkszählungsurteil bis zu den Entscheidungen zur Wohnraumüberwachung, zur  Onlinedurchsuchung oder zur Vorratsdatenspeicherung – würden Makulatur oder jedenfalls zur geschichtlichen Episode.“


Der Höhepunkt ist sicherlich der Satz

„Nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung legt dies eine brisante Konsequenz zumindest nahe: Auch die Grundrechte des Grundgesetzes sind nicht mehr anwendbar.“

Ich habe mich über den Artikel ziemlich gewundert, weil diese Behauptungen auf deutsch gesagt Blödsinn sind.

Es geht bei der Verordnung wie gesagt um das BDSG, das in Teilen durch eine direkt wirkende EU-Regelung ersetzt werden soll. Ich kann mich nicht erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht jemals wegen des BDSG tätig war. Deutsche Spezialgesetze wie zum Lauschangriff oder zum Staatstrojaner, aber auch andere EU-Regeln wie PNR, Vorratsdatenspeicherung etc. werden davon überhaupt nicht berührt, und der ganze Datenschutz im Bereich Polizei und Justiz soll als Richtlinie gemacht werden, so dass für das deutsche Umsetzungsgesetz in allen diesen Fällen Karlsruhe wiederum zuständig bleibt.

Aus europäischer Sicht halten viele eine Verordnung für sinnvoll, weil es sonst weiterhin einen Flickenteppich von nationalen Spezialregelungen gibt, der bei einem gemeinsamen Binnenmarkt nicht angemessen ist. Die bisher bekannt gewordenen Entwürfe von Justizkommissarin Reding (s.u.) haben darüber hinaus den Anspruch, endlich dem Datenschutz zu mehr Zähnen zu verhelfen, z.B. durch höhere Strafen für Unternehmen (bei schweren Fällen bis 5% des Jahresumsatzes) und Ansätze der verfassungsverträglichen Technikgestaltung mittels „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“. Auf dieser Grundlage zu behaupten, die Verordnung würde das Grundrecht auf Datenschutz aushebeln, ist absurd.

Der Artikel ist ärgerlich, weil er Alarm schlägt, wo es nicht nötig wäre, und weil er teilweise einfach falsch ist und Nebelkerzen wirft. Die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden z.B. ist eine deutsche Erfindung, und Masing tut so, als wolle die EU uns das nun aufdrücken.

Neben krassem US-Lobbying und natürlich der ganzen Datenkraken-Industrie haben wir damit jetzt dummerweise auch noch einen deutschen Verfassungsrichter gegen die wirklich sehr ambitionierten Entwürfe von Justizkommissarin Reding. Das nervt schon ziemlich und macht den Einsatz für einen besseren europäischen Datenschutz nicht leichter. Unter anderem hat das US-Lobbying vor Weihnachten schon dafür gesorgt, dass die anderen Generaldirektionen der EU-Kommission die Entwürfe von Reding nicht akzeptiert haben und die fertigen Vorschläge nun erst im Februar oder März fertig sind und vermutlich bereits verwässert werden.

Wer die vor Weihnachten geleakten Entwürfe zur Datenschutzreform selber lesen will:

1) Verordnung für den Binnenmarkt
2) Richtlinie für Polizei und Justiz
3) Mitteilung der Kommission

(Update: Links sind gefixt. Danke, Frank!)

Die „Computers, Privacy and Data Protection“ (CPDP)-Konferenz Ende Januar in Brüssel wird sicherlich ein interessanter Ort, diese zu diskutieren.

Das ist im Übrigen vielleicht das einzige Verdienst von Masing: Dass er die auf nationaler Ebene überfällige Debatte über die zukünftigen EU-Datenschutzregeln endlich losgetreten hat. Es wäre aber bitter, wenn eine unfreiwillige Allianz aus US-Unternehmensinteressen und deutschem Verfassungsnationalismus am Ende dazu beitrüge, einen starken Datenschutz für ganz Europa zu verwässern.

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42 Ergänzungen

  1. Ralf, in Deinem Kommentar schreibst Du (beachte meine Fett-Hervorhebung):

    Masing kritisiert vor allem, dass die bisherige EU-Richtlinie, die ein nationales Umsetzungsgesetz benötigt (in Deutschland v.a. das BDSG), durch eine unmittelbar geltende EU-Verordnung ersetzt werden soll.</blockquote

    Thomas Stadler schreibt in seinem Blog jedoch:

    Masing erläutert zunächst, dass die geplante Verordnung in ihrer Wirkung einem europäischen Gesetz entspricht, also anders als eine Richtlinie unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gilt und keiner Umsetzung in nationales Recht bedarf.

    Was ist denn nun richtig? Bedarf es nun einer nationalen Gesetzgebung, oder nicht?

    Gruß
    Peter

    1. Das ist eben genau der Unterschied. Eine _Richtlinie_ bedarf einer Umsetzung auf nationaler Ebene (d.h. idR ein Gesetz), eine Verordnung nicht. Bisher war es eine Richtlinie, nun soll es eine Verordnung werden. (siehe dazu auch meinen Kommentar weiter unten)

  2. Also das zu lesen tut schon ziemlich weh. Einem Verfassungsrichter, der sich zu einer juristischen Frage äußert (noch dazu in seinem Fachgebiet), zu unterstellen, dass seine “ Behauptungen auf deutsch gesagt Blödsinn sind“, ist, auf deutsch gesagt, nicht sehr klug und ziemlich anmaßend.
    Eine Verordnung verdrängt in ihrem Anwendungsbereich nationales Recht, es ist innerhalb dessen nicht mehr anwendbar. Ihr Anwendungsbereich richtet sich aber ganz sicher nicht nach deutschem Recht, kann also wohl kaum der des BSDG sein (und auch nicht der der bisherigen Richtlinie). Ihr Anwendungsbereich ergibt sich vielmehr aus der Verordnung selber. Da sie noch nicht verabschiedet wurde kann man noch nicht sagen, wie weit das schließlich reichen wird. In _diesem_ Anwendungsbereich ist die bisherige deutsche Judikatur tatsächlich hinfällig, d.h. was verordnungskonform ist, ist rechtens! Die bisherige Judikatur ist nur noch dann anwendbar, wenn der zu beurteilende Sachverhalt nicht unter die neue Verordnung fällt!
    Das ergibt sich aus der unterschiedlichen rechtlichen Konstruktion, eine Verordnung ist eben keine Richtlinie, ihre Umsetzung kann daher nicht in bisher bestehendes nationales Recht eingefügt werden. Vielmehr verdrängt es dieses wie gesagt in ihrem Anwendungsbereich.

    Übrigens sieht das auch Herr Stadler im verlinkten Blogeintrag ähnlich: „In der Sache stimme ich Masing zumindest insoweit zu, als, dass durch die Datenschutzverordnung jedenfalls das deutsche Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch hinfällig wäre.“

    So, es kann nun natürlich trotzdem gute Gründe geben, das als Verordnung zu machen. Spontan fallen mir aber keine ein, und es erscheint doch „unpraktisch“, das nicht als Richtlinie zu machen. Darauf hat Herr Masing hingewiesen und dieser Einwand ist sicherlich diskussionswürdig. Den hier angesprochenen „Flickenteppich“ kann ich nicht nachvollziehen, es ist durchaus möglich Richtlinien so zu schreiben, dass es nicht zu einem solchen kommt. Schwerer wiegt da schon das Argument, dass die derzeit geplante Verordnung zb in Österreich als Gesetz niemals verfassungskonform wäre (wenn man einem Unternehmen 5% des Jahresumsatzes wegnehmen will, dann hat das ein Richter in einem entsprechenden Verfahren zu entscheiden, inkl. aller Verteidigungsrechte des Beklagten und inkl aller Verfahrensregeln; nicht eine Behörde). Sollte das Instrument der Verordnung aus dieser Intention heraus genutzt werden, sollte das schon sehr bedenklich stimmen. Das bleibt schließlich nicht die letzte Verordnung, und Internetsperren hat man auch mit Vorgehen gegen Kinderpornografie begründet, da kann ja eigentlich auch niemand dagegen sein, oder? Trotzdem sollte man manche Sachen einfach nicht anfangen, egal wofür.

    Ob das in diesem Fall nun so ist oder nicht, das kann ich nicht beurteilen. Was ich beurteilen kann, ist dass der Ton des Blogeintrags mehr als unangemessen war und die Einwände des Verfassungsrichters durchaus sehr vernünftig sind.

    1. vielen Dank für diesen Beitrag!

      Leider scheint Ralf in der Tat nicht gesehen zu haben, was Masings Kernanliegen war – nämlich der wesentlich schlechtere Rechtsschutz, wenn das BDSG und andere nationale DS-Vorschriften durch eine VO ersetzt / überlagert werden. Da es im Falle einer VO gerade keine nationale Umsetzungsnorm mehr gibt, wenden die Gerichte unmittelbar die VO an. Zu deren Auslegung aber ist das BVerfG prinzipiell nicht berufen, sondern exklusiv der EuGH (bzw. in Ausnahmefällen wie acte clair die nat. Gerichte). Das bedeutet u.a., das Verfassungsbeschwerden gg. Entscheidungen auf Grundlage der VO wesentlich schwerer zu begründen sind, da es kaum noch Ansatzpunkte für eine Verfassungswidrigkeit gibt, so etwa eine willkürliche Nichtvorlage zum EuGH. Es ist also letztlich erst die zweite Frage, was die VO materiell regelt (das begrüße ich weitgehend) – allein durch ihre Rechtsnatur als VO (!!) wird sie zu massiven Einschränkungen der praktischen Grundrechtsdurchsetzung führen.

      Aus Sicht der Zivilgesellschaft kann die Maxime daher eigentlich nur lauten: inhaltlich ja zum Entwurf, aber nein zur Rechtsform der VO. Wenn stattdessen derselbe Inhalt in die Form einer Richtlinie gegossen wird, bekommen wir materiell denselben Datenschutz-Standard, aber mit den bisherigen prozessualen Möglichkeiten des Bürgers, auch Verfassungsbeschwerde zu erheben.

      Nur zur Erinnerung: Es gibt keinerlei Individualbeschwerde zum EuGH … und der EuGH ist bisher ganz im Gegensatz zum BVerfG auch nicht gerade durch besonderes Interesse an bürgerlichen Freiheitsrechten aufgefallen.

      Schließlich: BVR Masing ist – soweit ich das einschätzen kann – ein sehr klugen Mann und insbesondere europarechtlich fit; außerdem hat er gute Berater. Bevor man ihm so deutlich widerspricht wie Ralf – und das auch noch außerhalb des eigenen Fachgebietes, dafür aber auf dem originären Spezialgebiet des Gegenübers – sollte man vielleicht doch etwas innehalten. Masing ist aus Datenschutz-Sicht „einer von den Guten“.

      1. Lieber Ulf, ich verstehe deine und Masings Argumentation, aber ich sehe eben nicht, dass man das so abstrakt und ohne Blick auf die Inhalte der geplanten Verordnung diskutieren kann. Bisher konnte mir noch niemand darlegen, wo es denn wirklich ein Problem gibt, wenn eine EU-Verordnung, die wesentlich besser und durchsetzungsstärker als das BDSG ist, vielleicht dem BVerfG entzogen ist. Hatte Karlsruhe denn jemals etwas mit dem BDSG zu tun? Alles andere, nämlich u.a. die von Masing genannten Beisiele Volkszählung und Lauschangriff (ich ergänze: VDS etc.) bleibt doch weiterhin im Rahmen von nationalen Umsetzungsgesetzen. Hier erzählt Masing einfach Blödsinn IMHO, wenn er vor dem Ende der Grundrechte warnt.

        Ein viel größeres Problem sehe ich z.B. bei internationalen Abkommen auf EU-Ebene, etwa zu SWIFT oder PNR, weil die auch umittelbar wirken und damit Karlsruhe entzogen sind. Es wäre schön, wenn Masing sich hierzu mal äußern würde und nicht ausgerechnet die wirklich gute Datenschutzverordnung angreift, die inhaltlich eben keine Probleme hat.

      2. Nun kommt die Abwägung. Denn die Ablehnung der Verordnung erfolgt aus rein egoistischen deutschen Motiven. Wir machen hier aber so, als ob es dann keinen Grundrechtsschutz mehr gäbe. Das ist aber nicht der Fall, weil der EUGH Dank Maastricht die Menschenrechte als Teil des EU Regelwerks überprüft. Die guten Entscheidungen zur amoklaufenden Überwachung im Filesharing kam vom EUGH. Der Verlust an Kontrolle hinsichtlich der Menschenrechte hält sich in Grenzen. Die Unterscheidung von Grund- und Menschenrechten ist insofern ‚mal eine Studie wert.

        Dem steht gegenüber, dass aus Brüssel alle die Länder an die Kandarre genommen werden können, die bisher eine sehr laxe Praxis zum Datenschutz haben und sich daraus Wettbewerbsvorteile erhoffen. Mit einer Richtlinie bleiben die einfach bei einer Transposition mit Minimalschutz. Das BVerfG kann aber dort gar nichts ausrichten. Sollen wir also unseren Maximalschutz behalten, damit andere kaum den Minimalschutz bekommen? Als Unternehmen wäre ich für gleiche Bedingungen in Europa. Als jemand, der sich jahrelang mit Datenschutz beschäftigt hat erreicht die Verordnung für sehr viele Menschen viel mehr und für die Deutschen ein kleines bisschen weniger.

        Weil diese Abwägung in der Diskussion unter den Teppich gekehrt wird zugunsten einer reinen Nabelschau, deswegen ist Ralf wohl auch die Feder entgleist.

      3. Lieber Ralf,

        es war ja das Anliegen meines Beitrags oben zu zeigen, worin die potentielle Verkürzung des Rechtsschutzes liegt. Wie gesagt, mir geht es um die Wahl der Rechtsform, nicht um die Inhalte (ich will dem Entwurf da keinen Blankoscheck ausstellen, bin aber im wesentlichen d’accord).

        Aber mal andersherum: Worin liegen denn die Vorteile der VO? Du sagst, sie sei durchsetzungsstärker. Ich halte mal dagegen: Theoretisch stimmt das, weil sie unmittelbar und ohne Umsetzung ins nationale Recht gilt. Die Praxis sieht aber anders aus – eine RL ist zumindest ebenso wirksam.

        Warum? Wieder liegt der Teufel im Detail. Zwar muss eine RL erst mal umgesetzt werden, da kann es natürlich zu Verzögerungen und Fehlern kommen. Dazu gibt es aber Prozeduren, um das zu verhindern oder zu reparieren. Im großen und ganzen wird man sagen können, dass RL sauber umgesetzt werden – wenn denn die RL als solche gut gemacht ist. Das aber wäre kein spezifisches Problem der RL, denn es gibt ja auch schlampig gemachte VO (schaut zB mal in die diversen Iran-Embargo-Regelungen, da wird einem schwindelig).

        Wenn aber eine RL erst einmal umgesetzt ist, entfaltet sie – das ist meine Gegenthese zu Dir – mindestens ebenso große praktische Wirksamkeit wie eine VO, einfach weil sie die Normadressaten, also praktisch vor allem die Richter, viel besser erreicht. Denn die deutschem Umsetzungsgesetze verwenden die bekannte deutsche Rechtssprache, während die Übersetzungen europäischer Rechtsakte typischerweise ihre eigene Terminologie verwenden, deren Inhalte oft quer zu den „normalen“ Bedeutungen liegen (nicht umsonst verlangt der EuGH eine autonome, europaspezifische Auslegung der Begriffe).

        Vor allem aber wird eine RL über die Umsetzung jeweils an passender Stelle ins nationale Recht eingebaut – so eben zB ins BDSG, das nun eben in Teilen auf die RL aus 1995 zurückgeht. Aber das braucht niemanden zu kümmern, wenn er wissen will was gilt: Es gibt ein BDSG „aus einem Guss“. Bei all dessen Schwächen ist das doch ein recht gut handhabbares Gesetz. Nun stell Dir vor, es gibt parallel dazu eine VO – dann entsteht der blanke Wildwuchs: Man muss ständig das BDSG mit der VO (die Anwendungsvorrang genießt) abgleichen. Gleiches gilt für alle anderen Normen mit Datenschutz-Bezug: BeiRL-Umsetzung bleibt’s ein Normgefüge, bei VO muss man sich mit mindestens zwei Texten und deren jeweiliger Reichweite herumschlagen.

        Kurz und gut: Die VO hätte die in meinem obigen Kommentar angeführten Rechtsschutzdefizite zur Folge – und außerdem bringt sie m.E. keine Vorteile bei der Durchsetzung, sondern eher Nachteile, eben weil sie quer zur bestehenden Rechtsordnung läge.

        Streiten wir also lieber dafür, dass es eine neue RL mit (im wesentlichen) dem Inhalt des bisherigen VO-Entwurfs gibt – und dann später darum, dass der Bundestag die RL sauber ins BDSG und viele weitere Gesetze umsetzt. Vielleicht geht er ja sogar hier und da noch darüber hinaus. In jedem Falle wäre für den Datenschutz in der Praxis mit einer RL viel mehr gewonnen als mit einer VO.

      4. Ja, durchaus. Z.B. gibt es einen Beschluss zum Auskunftsanspruch nach § 19 BDSG (BVerfGE 120, 351).

        Vor allem aber hatte Karlsruhe wiederholt mit dem Datenschutz im Privatrecht zu tun, der durch die VO praktisch vollständig unionisiert würde und darum dem Karlsruher Zugriff entzogen wäre. Hinzu kommt, dass die VO auch (zumindest nicht-journalistische) Meinungsäußerungen erfasst, wenn sie via Internet kundgetan werden, da es sich dabei technisch gesehen um eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten handelt. Je nach Journalismusbegriff führte das z.B. dazu, dass ein zivilgerichtliches Urteil gegen netzpolitik.org, herabsetzende Äußerungen über einen Politiker zu unterlassen, nicht mehr am Maßstab der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes (Art. 5 I 1 GG) überprüft werden könnte. Man müsste vielmehr darauf vertrauen, dass das zuständige Fachgericht die unionsrechtliche Meinungsfreiheit (Art. 11 I 1 GRCh) ordnungsgemäß anwendet. Eine Grundrechtsbeschwerde zum EuGH wäre nicht eröffnet. Das scheint mir doch ein nicht ganz geringes Problem zu sein.

        Schließlich gilt die Verordnung auch für alle Behörden außerhalb des Strafverfolgungs- und Strafpräventionsbereichs. Von daher sind Online-Durchsuchung und Lauschangriff schlechte Beispiele, aber die Entscheidungen zu den Kontostammdaten oder auch zur Volkszählung hätten in der Form tatsächlich nicht ergehen können, wenn die VO seinerzeit gegolten hätte.

  3. Herr bendrath, selbst kein Jurist, wird langsam dreist. Wie kommt er dazu, die doch recht bedenkenswerten Gedanken Masings derart prollig zu kritisieren. Aus meiner Sicht wäre eine Entschuldigung, eine öffentliche, hier nötig.

    Des weiteren ist Herrn bendrath zu empfehlen, etwas mehr zu reflektieren, was Masing zu sagen versucht.

  4. Wenn ein Neustart der doch sehr ideologisch gewordenen Abwehrhaltung gegenüber dem realen digitalen Raum, bekannt als „informationelle Selbstbestimmung“, nur über die Europa-Ebene geht – so sei es.
    Mögen sie schreien, die Altvorderen. So kann sich der Datenschutz endlich wieder seinen eigentlichen Aufgaben widmen und muss nicht mehr als Schutzschild des Deutschen Michel missbraucht werden.

  5. Erst einmal volle Zustimmung zu dem Beitrag von Jusstudent. Und dann zu der leider nicht sehr hilfreichen udn wenig kenntnisreichen Kommentierung des Aufsatzes von Masing im Feuilleton (!) der SZ hier auf netzpolitik.org. Im Kern geht es Masing wohl gar nicht um Datenschutz und auch nicht um den Deutschen Michel (Jens Best) – vermute ich mal denn ich weiss ja auch nicht so genau was er sich dabei gedacht hat.
    Es geht aber wohl um die Frage, ob die Europäische Union das Recht hat, in den Kernbereich der verfassungsrechtlichen Gewährung von Grundrechten einzugreifen oder eben nicht. Man lese Entscheidungen des BVerfG zu Maastricht, Solange I, Solange II sowie zum Lissabon Vertrag. Das BVerfG hat, hierbei immer wieder mantraartig wiederholt, dass es seine eigene Kompetenz, Europäische Rechtsakte auf Konformität mit z.B. den deutschen Grundechten zu überprüfen, zugunsten der Europäischen Vereinigung zurückstellt. Das geschah natürlich nicht aus Nächstenliebe sondern wegen des Verfassungsauftrages zur Europäischen Einigung. So und nun hat nach Auffassung von Masing Die Kommission diese rote Linie überschritten und recht anschaulich dargelegt, dass der derzeitige Standard der effektiven Durchsetzung (!) geschriebener Grundrechte gefährdet ist.
    Niemand hier wäre voraussichtlich nach Inkraftreten der Verordnung in der Lage, sich ohne nicht zum EuGH zu ziehen, gegen einen Engriff in seine Grundrechte, sei es seitens der Rechts auf Informationelle Selbstbestimmung oder sei es auf Seiten der Meinungsfreiheit oder Berufsfreiheit vor Gericht wehren zu können. Und da bin ich dann doch gerne ein Deutscher Michel und stelle mich auch gegen die Europäische Union, der ich ansonsten eine Menge abgewinnen kann. Nämlich dann, wenn es darum geht, den wohl besten Exportschlager deutscher Bauart zu verteidigen: den weltweit immer noch kaum erreichten Standard bei der Wahrung und Durchsetzung(!) von fundamentalen Menschen- und Grundrechten.

    1. Der letzte Satz zeigt um welchen Fanatismus es in Deutschland geht:

      Wer das deutsche Datenschutzrecht mit fundamentalen Menschen- und Grundrechten vergleicht, überhöht es zu seinem eigenen Schaden und instrumentalisiert es für einen Moralismus, der sogar von den „Erfindern“ des Begriffes „informationelle Selbstbestimmung“ seit Jahrzehnten klar und deutlich abgelehnt wird.
      Es wird Zeit, dass im Datenschutz wieder vernünftige Abwägungen und liberale Haltungen für das geschützte selbstbefähigte Handeln gelten und nicht die Überhöhung der Privatsphäre zu einem vermeintlichen Glaubensbekenntnis.

      1. Vielleicht doch nochmal lesen und die Brille mit den Vorurteilen abnehmen. Es geht im Kern nicht um den Datenschutz. Der ist nur Aufhänger für ein grundsätzliches Problem. Nämlich des demokratisch nicht legitimierten (ich wiederhole es gerne) Eingriff in fundamentale Grund und Menschenrechte durch die EU. Masing sorgt sich hier zu Recht, dass es zu einer Entwicklung kommt bei der dieses Verordnung nur den Anfang macht. Nämlich die Aufgabe des hohen Standards des Schutzes der Grundrechte nach dem Grundgesetz.
        Und dass es sich bei dem Schutz der Privatsphäre um ein fundamentales Recht handelt, wird man doch wohl nicht ernsthaft bestreiten wollen. Da empfehle ich mal die Lektüre der Europäischen (!) Menschenrechtskonvention (übrigens maßgeblich durch den deutschen Grundrechtskatalog beeinflusst), genauer gesagt Artikel 8.

  6. *Netzpolitik.org trollt zu Masings Kritik*

    Es ist nicht klug, in dieser Sache nur den Inhalt zu betrachten, wenn dabei durch das Verfahren geltendes Recht ausgehebelt wird.

  7. Bendrath arbeitet ja für das europäische Zentralkomitee in Brüssel und fällt nicht zum ersten Mal durch Parteiname für den europäischen Zentralismus auf.

    Dem Brüsseler ZK fehlt jegliche Legitimation („alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“) um in Deutschland die Durchsetzung von Grundrechten per Verordnung zu erschweren. Und in Sachen Datenschutz fiel Brüssel bisher nur mit absurden Einfällen wie der „Cookie-Bürokratie“ auf.

    Nein zur EU, ja zur Demokratie.

  8. Herr Mansing hat nicht als Richter verfassungsgemäß Recht gesprochen, sondern als Bürger in einer Papierzeitung ein Gesetzgebungsverfahren kommentiert. Hier kriegt er halt wie jeder anderer Bürger die Meinungen dazu öffetnlich gesagt (wenn auch nicht in Papierzeitungen mit esoterisch geringer Verbreitung verglichen mit öffentlich zugänglichen Sites im Internet (und die zudem 24*7 Kommentare ermöglichen anders als das schmale Fenster der wenig kommunikativen SZ, das sich an den anachronistischen Arbeitszeiten der Idiotae aus dem Mittelalter orientiert, wie der SZ Chefideologe vor einigen Jahren offen bekannte).

    Ich habe den unpassenden Kommentar von Mansing auch kommentiert bei Stadler:
    http://www.internet-law.de/2012/01/abschied-von-den-deutschen-grundrechten.html#comment-11941

    Es ist schon recht dreist, als Richter dem Gesetzgeber die Leviten lesen zu wollen. Man stellt sich die Frage, ob Mansing noch auf dem Boden unserer freiheitlich demokratiscsehn Grundornung ist, wenner nur die nationale Brille aufhat und versucht zu verhindern, dass wir unser Recht europäisch weiterentwickln zu wollen. Bezeichnenderweise ergiesst er sich ja nur in reaktionärer Rechtsdogmatik, ohne inhaltlich überhaupt was zu sagen. Er trollt. Er versucht zu verhindern. Er bremst. Er schadet dem Datenschutz. Er ist wie Weichert: er sucht seine konservativen Berufsverhinderer zu sammeln und die Arbeit müssen andere machen: österreichische Studenten, irische und österreichische Datenschutzbeauftragte. Bäh!

    1. Es ist schon recht dreist, als Richter dem Gesetzgeber die Leviten lesen zu wollen. Man stellt sich die Frage, ob Mansing noch auf dem Boden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ist

      Geht’s noch? Genau das ist die Aufgabe eines Verfassungsrichters.

      Der EU-Fanatismus treibt schon ziemlich seltsame Blüten. Ich sehe das Recht sich nicht europäisch weiterentwickeln, sondern rückentwickeln.

      Klaus

      1. Du solltest Dich über die Aufgaben eines Richters des Bundesverfassungsgerichtes sachkundig machen, bevor Du hier solchen groben Unsinn schwafelst:
        Im §13 des Bundesdeverfassungsgerichtsgesetzes http://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/BJNR002430951.html#BJNR002430951BJNG000102305
        findest Du die Aufgaben der Richter aufgeführt, u.a.
        „bei Zweifeln darüber, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den einzelnen erzeugt, auf Antrag des Gerichts (Artikel 100 Abs. 2 des Grundgesetzes),“

        Es hat keinen Antrag gegeben und eine Nebenarbeit als Journalist im Gesetzgegebungsverfahren ist für diese Richter nicht zulässig:
        „(4) Mit der richterlichen Tätigkeit ist eine andere berufliche Tätigkeit als die eines Lehrers des Rechts an einer deutschen Hochschule unvereinbar. Die Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichts geht der Tätigkeit als Hochschullehrer vor.“

        Auf gar keinen Fall ist es Aufgabe der Bundesverfassugsgerichtsrichter durch Pressverlautbarungen in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen. Aus gutem Grund haben wir Gewaltenteilung. Käme die EU irgendwann dazu, eine Datenschutzverordnung zu erlassen, könnte auf Antrag das Gericht tätig werden.

        Ein trolliger Zwischenruf, um die EU-Gesetzgebung aus nationalem Dünkel zu behindern mit ungelegten Eier und wilden Spekulationen ist ungehörig für solche einen Richter.

        Deswegen ist die Überschrift „Verfassungsrichter Masing trollt zur EU-Datenschutzreform“ bei unserer Gesetzeslage und der Kompetenz des Herrn Mansing vollkommen korrekt.

        Kein Richter hat bei uns das Amt, den Gesetzgeber zu beeinflussen: Das ist Verhöhnung der Verfassung und Verspottung der Gewaltenteilung, die wir aus gutem Grunde hier bei uns gestärkt hatten.

        Inhaltlich ist Mansing mit seinem nationalistischen Genöle voll Panne. Wir brauchen eine globale Regelung wie bei WIPO, WTO, Genfer Konventionen usw. Wer globale Datenschutzregelungen boykottieren will wie Mansing, ist Feinde des Datenschutzes. Angesichts der EGMR, die zwingendes Recht in der gesamten EU ist und die Grundrechte der Bürger (auch im Datenschutz) wesentlich besser stellt als das GG, stellt sich zusätzlich die Frage, warum die Bürger nicht besser geschützt werden sollen als durch das GG?

  9. Ich bin ziemlich entsetzt, daß hier der dringend notwendige Weckruf von Verfassungsrichter Masing, der sich seine Meinung sicherlich nicht aus dem Bauch heraus, sondern aus tiefer Kenntnis der Materie gebildet hat, als Trollerei bezeichnet wird. Zudem hat der Autor offenbar den Kern der Kritik überhaupt nicht erfaßt.

    Wir erfahren eine kontinierliche Entrechtung durch die EU, einerseits, daß wir immer mehr fremdbestimmt werden durch Gesetze und Verordnungen, die auf höchst indirektem Weg, der meiner bescheidenen Meinung nach nicht mehr demokratisch genannt werden kann, zustande kommen, andererseits uns die Klagemöglichkeit gegen eben diese Gesetze und Verordnungen erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Wieso kann man gegen ein Gesetz, das auf deutschem Boden gilt, nicht auf deutschem Boden dagegen klagen? Ist das mit dem Grundgesetz, mit Rechtsstaatlichkeit, mit Gewaltenteilung vereinbar?

    Ich habe schon mehrfach festgestellt, daß Netzpolitik.org offenbar auch ein Opfer der jahrzehntelangen EU-Greenwashing-Propaganda des Staates und der Medien ist und jegliche Kritik an der EU als solches — völlig merkbefreit — als absurd darstellt. Dieser Artikel ist mal wieder ein klarer Beweis dazu. Insofern ärgere ich mich jetzt schon ziemlich, daß ich der „Digitalen Gesellschaft“, an der die Macher von Netzpolitik.org nicht unwesentlich beteiligt sind, Ende letztes Jahres eine dreistellige Summe gespendet habe. Das werde ich nach jetztigem Stand bestimmt nicht nochmal machen.

    Klaus

    1. Wir haben schon oft genug die EU kritisiert, ob es zur Vorratsdatenspeicherung war, zu Internetsperren („Censilia“), zur Weitergabe von Passagier- und Bankdaten an Drittstaaten oder aktuell zu ACTA. In desem Fall geht es aber um eine sehr ambitionierte und meiner Meinung nach gute Maßnahme von Justizkommissarin Reding, die man eben auch mal unterstützen sollte.

      Was ich hier geschrieben habe, ist im Übrigen meine persönliche Meinung und weder in Form noch Inhalt mit den anderen Autoren oder den anderen Mitgliedern des Digitale Gesellschaft e.V. abgestimmt. Ich weiss im Gegenteil, dass andere das anders sehen als ich.

      1. Ja eben: Kritik bei konkreten Aktionen der EU schon, aber keine Kritik am System selbst — die sind wohl tabu, EU unantastbar wie der Sozialismus in der DDR. Es mag ja sein, daß Frau Reding etwas sinnvolles plant (wobei hier im Kommentar 15 schon nicht geringe Mängel aufgezeigt werden). Aber darum geht es doch garnicht.

        Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren sind doch ein perfektes Beispiel: Es zeigt die absolute Hilflosigkeit der Bürgerrechtsorganisationen und anderer NGOs auf EU-Ebene. Man kann nicht wirklich klagen, ein echtes Gericht gibt es nicht (nein, das EuGH ist kein solches, sondern ein Marionettentheater im besten Fall), und die meisten Politiker verstehen nicht einmal die Sprache, die man selber spricht, wenn man überhaupt die abgeschotteten Politiker erreicht. Außer, als auf die Straße zu gehen, gibt es keine Mittel. Selbst das ist aber auf EU-Ebene äußerst schwer. Während man nach Berlin wenigstens ein paar tausend Demonstranten zur FSA-Demo zusammenbekommn hatte, waren es im fernen Brüssel ein erbärmliches paar Dutzend.

        Und da kommt nicht ein bißchen die Frage auf, ob da nicht etwas falsch läuft im System?

        Klaus

  10. Die EU wäre eine feine Sache, wenn nur irgend jemand mal das zentrale Prinzip der Subsidiarität ernst nähme. Statt dessen will die EU immer mehr gemeinschaftlich regeln. Damit schaufelt sie sich auf Dauer ihr eigenes Grab.

  11. Der veröffentlichte Entwurf der Richtlinie für den Polizei- und Justizbereich beinhaltet u.a. auch sehr unschöne Einschränkungen hinsichtlich des Auskunftsrechts von Betroffenen. Beispielsweise erlaubt Art. 15 Abs. 1 den nationalen Gesetzgebern großzügige Ausnahmen zu Gunsten der öffentlichen und nationalen Sicherheit (c)(d) oder sonstiger Gründe (e).

    Außerdem unterliegen die Agenturen und Institutionen der EU (EUROPOL, FRONTEX, IT-Großsysteme u.s.w.) selbst nicht der Richtlinie. Hier wird es dann ein munteres Kontroll- und Verantwortungschaos geben, wie derzeit zwischen Bund und Ländern bei sog. Verbunddateien (INPOL, NADIS).

    BTW: Ich halte übrigens den Begriff „trollt“ für unangemssen und überzogen für die von Masing geäußerte Kritik. Schließlich haben wir mit Post-Privacy eine viel nachhaltig wirkende Ideologie als die mahnenden Worte eines Verfassungsrichters.

  12. Wundervoll. Ein Troll denkt, er hätte jemand anderen beim trollen erwischt. Das kommt knapp an die Qualität des „Esoterik-Programmiersprachen“-Beitrags heran.

  13. Hallo,

    Herr Masing hat den Finger in einen wunden Punkt gelegt; mag sein, dass er nicht mit allem Recht hat, mag sein, dass der eine oder andere Punkt übertrieben ist. Vergessen wir aber nicht, dass er hier kein Urteil gesprochen, sondern einen diskussionsanregenden Artikel in einer Tageszeitung geschrieben hat.
    In der Sache hat Herr Masing jedoch viele wichtige Punkte angesprochen. Der wichtigste dürfte der, des erschwerten Rechtsschutzes sein. Gleichzeitig aber versteht Herr Masing offensichtlich das RaiS als Grundbedingung für die Ausübung einer ganzen Reihe weiterer Grundrechte. Und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Der erschwerte bzw. nicht vorhandene Rechtsschutz erstreckt sich somit nicht etwa nur auf den Datenschutz, sondern eben auch auf eine ganze Reihe weiterer Grundrechte. Dies ist im Hinblick auf die Wahl des Legislativinstruments Verordnung höchst problematisch. Im Übrigen bin ich erstaunt, dass Frau Reding es sich tatsächlich zutraut, ein innerhalb und ausserhalb Europas so diffiziles und von Traditionen geprägtes Themenfeld wie den Persönlichkeitsschutz (hierunter fällt der Datenschutz) einheitlich mit dem schärfsten Mittel der EU zu regulieren. Erst vor wenigen Jahren scheiterte eine Regelung zum Persönlichkeitsschutz im Rahmen der Rom II Verordnung an den höchst unterschieldichen Vorstellungen der Volksvertreter und Experten. Ich kann mir den Vorschlag Redings nur als ökonomisch motiviert erklären.
    Inhaltlich liest sich die Verordnung gut, betrachtet man die Regelungen jedoch genauer, stellst man fest, dass für nahezu jedes Regelungsgebiet das Komitologieverfahren vorgesehen ist. Selbst in Regelungsbereichen, die ganz klar dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zur Regelung vorgelegt werden müßten. Die Kommission ist aber nicht gewählt, sie gehört zum exekutiven Bereich der EU-Organe. Darüber hinaus finden sich auch Regelungen, die auf dem Papier gut klingen, in der Praxis aber nicht umzusetzen sind. Art. 15 DSVO-E sieht bspw. ein „Recht auf Vergessen“ vor. So wichtig dieses Recht sein mag, es ist im Online-Bereich von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil es praktisch und technisch nicht umsetzbar ist.
    Die Datenschutzaufsicht wird völlig ad absurdum geführt, können Contoller und Processor doch selbst bestimmen, welche DPA für sie zuständig sein soll. Wie die DPAs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Sinne des Bürgers zusammenarbeiten und entscheiden sollen, bleibt völlig unklar. Ein riesiges Verwaltungsverfahren wird hier aufgebaut, das Kapazitäten, Geld und Zeit kostet. Nur dass nunmehr nicht die Unternehmen die Kosten zu tragen haben, sondern die öffentliche Hand. Lasten werden aus dem privaten in den öffentlichen Bereich verschoben. Darunter wird letztendlich auch der Schutz, den Bürger vom DPA erhalten sollen, leiden.
    Es steht zu befürchten, dass insbesondere durch die VO als Rechtsinstrument und durch das dezisive Merkmal der „Hauptniederlassung“ wir am Ende mit weniger dastehen werden als jetzt. Und die großen Überraschungen kommen noch: Die KOM wird ihre Kompetenzen wahrnehmen und den Datenschutz nach ihren Vorstellungen formen.

    P.S. Noch eine Anmerkung: Die unabhängigen Aufsichtsbehörden sind alles andere als eine deutsche Erfindung. Erst vor 2-3 Jahren wurde Deutschland vom EuGH verurteilt, weil seine Datenschutzaufsicht eben nicht unabhängig ist. Selbst der BfDI gehört zum BMI.
    Die VO wird Unternehmen, insbesondere großen und internationalen, viele Vorteile bringen. Wie aber in einem solch komplexen Bereich, wie dem Schutz der Persönlichkeit eine Verordnung über alle Bürger Europas gestülpt werden soll, ist alarmierend. Herr Masing hat allen Grund, zu warnen und skeptisch zu sein.
    PP.S. Alarmierend ist ebenfalls die Arbeitsweise der KOM. Frau Reding hat Mitte Dezember in Brüssel mehr oder weniger offen zugegeben, dass der Entwurf nicht „geleakt“ ist, sondern von ihren eigenen Leuten bewußt ins Netz gestellt worden ist. Konsultationen mal anders?!

    1. nach meiner Kenntnis handelt es sich tatsächlich um einen Leak von Beamten der KOM (von wem auch sonst) – aber aus einer anderen GD, die inhaltlich anderer Meinung ist als Reding … insofern könnte ihre Andeutung des Selbst-Leaks auch eher zur Gesichtswahrung bestimmt gewesen sein. Auch inhaltlich halte ich einen Selbst-Leak für wenig wahrscheinlich, denn sie ist ja frei darin, den Entwurf offiziell vorzustellen – und wird das ja auch tun, nur nun eben später.

  14. Grundsätzlich hat er recht – eine Verordnung, die nicht in ein deutsches Gesetz umgesetzt und vom Bundestag/evtl. Bundesrat überprüft wird und über’s BVerfG prüfbar ist, ist abzulehnen. Egal, unter welchen Umständen.

  15. Ausgehend von der Tatsache, dass die EU Verfassung, die sich nicht so nennen darf, ohne Kenntnis des Inhalts vom Bundestag verabschiedet und vom Verfassungsgericht durchgewunken wurde, und der Tatsache, dass mehr als 90 Prozent der Bürger dieses Landes diesen Artikel und die Kommentare nicht verstehen könnten, wenn sie ihn lesen würden, kann ich mich der Bewertung „trollen“ in beiden Richtungen nur voll inhaltlich anschließen. ;-)

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