VDS-Studie im Rechtsausschuss vorgestellt, Justizministerium will QuickFreeze im Kabinett einbringen

Ein vor zwei Wochen veröffentlichtes und viel diskutiertes Gutachten zur Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung wurde heute im Rechtsausschuss des Bundestages vorgestellt. Professor Hans-Jörg Albrecht, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht und Autor der Studie, präsentierte die Ergebnisse der Studie persönlich.

Praktisch gleichzeitig kündigte das Bundesjustizministerium an, die von Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger favorisierte Quick-Freeze-Lösung ins Kabinett einbringen zu wollen. Damit gewinnt der in der Regierungskoalition schwelende Konflikt weiter an Schärfe.

Dem nun vorgestellten Gutachten ist zu entnehmen, dass der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht als Ursache für Bewegungen in der Aufklärungsquote herangezogen werden kann. Dieser Befund gelte insbesondere für die Bereiche der Computerkriminalität sowie der so genannten Internetkriminalität. Allerdings wird auch der vom Bundesjustizministerium vorgeschlagene QuickFreeze-Ansatz nicht als „taugliches Äquivalent zur Vorratsdatenspeicherung gesehen.“

Erst gestern hatten sich Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Friedrich für die schnelle Verabschiedung eines neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, nachdem die EU-Kommission eine vierwöchige Frist gesetzt und mit einem Mahnverfahren gegen Deutschland gedroht hatte. Allerdings wird auch in der EU-Kommission an einer tiefgreifenden Neufassung der umstrittenen Richtlinie gearbeitet. Ein dazu angefertigtes Rechtsgutachten wird seit Monaten unter Verschluss gehalten.

Die aktuelle Fassung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung stammt aus dem Jahr 2006. Ein von der Bundesregierung 2007 beschlossenes Gesetz, das diese Richtlinie umsetzte, wurde im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Seitdem herrscht Uneinigkeit zwischen der CDU/CSU-Fraktion, die sich weiterhin für eine anlasslose Speicherung der Verkehrsdaten aller Bürger einsetzt, und der FDP-Fraktion, die ein sogenanntes QuickFreeze-Verfahren, bei dem zur Aufzeichnung der Daten ein konkreter Verdacht bestehen muss, bevorzugt. Ein entsprechender Gesetzentwurf, den die Justizministerin im letzten Juni vorlegte, liegt seitdem auf Eis.

Ebenfalls auf der Warteliste steht die Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages zu einer erfolgreichen ePetition gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, an der sich 64.000 Bürger beteiligten. Wie aus dem Bundestag zu hören ist, blockiert eine Fraktion die Anhörung, weil ihr die politische Richtung nicht passt.

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11 Ergänzungen

  1. Was ich mich bei dieser Diskussion frage ist die immer wiederkehrende Formulierung:
    „Dem nun vorgestellten Gutachten ist zu entnehmen, dass der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht als Ursache für Bewegungen in der Aufklärungsquote herangezogen werden kann. Dieser Befund gelte insbesondere für die Bereiche der Computerkriminalität sowie der so genannten Internetkriminalität. “ So weit so gut, Vorratsdatenspeicherung ist also nicht nötig für die Aufklärung von Straftaten und erhöht auch nicht die Quote.

    Dann aber: „[Der] QuickFreeze-Ansatz [wird] nicht als „taugliches Äquivalent zur Vorratsdatenspeicherung gesehen.“ „. Also.. Voratsdatenspeicherung ist sinnlos, und gleichzeitig kann Quick Freeze keinen adäquaten Ersatz bieten?

    Wie passt das zusammen? Wenn ich ein Programm habe, dass seine Aufgabe nicht erfüllt, kann ich doch nicht einfach ein anderes Programm zum Vergleich her nehmen und behaupten dass es „kein adäquater Ersatz“ wäre! A funktioniert nicht, aber B ist auch nicht besser als A. Wahrscheinlich muss man Politiker sein um bei diesen Gedankengängen nicht schreiend aus dem Raum zu laufen..

  2. Schon toll, daß man so eine Anhörung einfach „aussitzen“ kann, weil einem das Thema bzw. die „politische Richtung“ nicht behagt … andererseits sind Demonstrationen ja auch undemokratisch.

    Täusche ich mich, oder hat der Begriff „Demokratie“ in den letzten Jahren eine deutliche „semantische Verschiebung“ erfahren?

  3. VDS ergibt nur als Teil einer langfristigen großen Data-Mining-Strategie einen Sinn: Die fixe Idee, aus allen Daten aller Menschen ‚vor die Lage zu kommen‘, wie es BKA-Chef Zierke formuliert.

    U.S. Relaxes Limits on Use of Data in Terror Analysis
    https://www.nytimes.com/2012/03/23/us/politics/us-moves-to-relax-some-restrictions-for-counterterrorism-analysis.html?hp

    Newly Declassified Files Detail Massive FBI Data-Mining Project
    http://www.wired.com/threatlevel/2009/09/fbi-nsac/

  4. nicht einmal ein kurzes statement der piraten zu der angedrohten klage der EU. am besten lasst euch von der wahlliste wieder streichen. wie blöd muss man sein, so ein futter nicht zu nutzen…

  5. Wir haben eine Verfassung und brauchen keine Gutachten. Was auch immer kommt, es wird weggeklagt. Vor allem CDU/CSU sind es gewohnt, daß ihre verfassungswidrigen Gesetze kassiert werden. In den letzten 14 Jahren waren es neunzehn. Die nächste Klage liegt schon auf dem Schreibtisch. QF wird es nicht geben. Das ist weder eine Alternative, noch verfassungskonform. Ich möchte gerne wissen, wer entscheidet, wann der Speicherknopf gedrückt wird. Wahrscheinlich ist es Gott höchstselbst, der dann angerufen wird, oder ein Dauerermittler (der ständig online ist, ein großer Wächter, der Big Brother), der den Providern auf Zuruf den Befehl erteilt?? Erstmal schießen, dann die Schuld ermitteln? Null! Minus Null!

  6. Vor dem 13. Mai wird es keine Neuigkeiten geben. Die FDP wird ihren Rettungsanker nicht von Bord werfen. Wenn sie bei diesem Thema auch noch einknicken, wird NRW das Grabtuch. Das wissen sie zu genau. Aber auch so werden sie wahrscheinlich die Hürde nicht schaffen. Das haben sie sich selber zuzuschreiben. Die ehemalige Bürgerrechtspartei hat sich im Steuersumpf verzettelt. Der Kindergarten hat der FDP den Rest gegeben. Wer jemals eine Rede von Rösler gehört hat, der weiß, was ich meine. Unerträglich.

    Gruß

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