Urheberrechtsdialog in Österreich: kein Platz für die Zivilgesellschaft? [Update]

Es hat ein wenig gedauert, doch seit gestern brennt in Österreich der sprichwörtliche Hut in Sachen geplanter Urheberrechtsnovelle. Letzte Woche haben wir auf netzpolitik.org den Entwurf (inkl. Erläuterungen) für eine Urheberrechtsnovelle des österreichischen Justizministeriums (BMJ) sowie die Einladungsliste für eine Tagung zum Thema am 11. Dezember veröffentlicht. Besonders letzteres Dokument sorgt jetzt in Österreich für einiges an Aufregung, weil aus ihm hervorgeht, dass zivilgesellschaftliche Organisationen einfach ausgesperrt bleiben.

Gestern haben in Aussendungen der Verein der Internet-Benutzer Österreichs (vibe!at) sowie AK Vorrat Österreich gegen diese Einladungspolitik protestiert. Auch auf Nachfrage wurde deren Teilnahme an den Gesprächen abgelehnt. Vibe!at:

Man bitte um Verständnis, dass man „wegen der ohnedies zu erwartenden hohen Anzahl von Teilnehmern den Teilnehmerkreis für die Besprechung am 11.12. nicht weiter ausbauen“ wolle, heißt es im Antwortschreiben des BMJ. Man werde „aber selbstverständlich auch die uns bekannten Anliegen“ der beiden Organisationen „im Auge behalten“.

AK Vorrat Österreich berichtet in seiner Aussendung, dass im Zuge einer Anfrage an das Justizministerium klargestellt wurde, dass die unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung eingeführte Vorratsdatenspeicherung auch zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzung genutzt werden soll:

Christian Pilnacek vom Justizministerium bestätigte, dass in einer jetzt diskutierten Gesetzesvorlage die Ausweitung der Verwendung von Vorratsdaten auf die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen geplant ist. Diese Ausweitung soll am 11. Dezember im Justizministerium diskutiert werden. Das Pikante daran: Nur ausgewählte VertreterInnen von Verwertungsgesellschaften und Industrie sind geladen – VertreterInnen der Zivilgesellschaft hingegen nicht.

Das Ungleichgewicht bei den geladenen Vertretern sehr übersichtlich aufgeschlüsselt hat Martin Leyrer auf seinem Blog mit dem schön österreichischen Titel: „A gschobene Gschicht“. Leyrer hat sich die Mühe gemacht einzeln nachzuvollziehen, auf welche Weise manche Akteure mehrfach vertreten sind, die Verwertungsgesellschaften z.B. über ihre Lobby-Organisation „Kunst hat Recht“ oder die Musik- und Filmindustrie noch einmal über die Wirtschaftskammer sowie die Industriellenvereinigung. Angesichts dieser Dopplungen scheint die Absage an die Zivilgesellschaft „wegen der ohnedies zu erwartenden hohen Anzahl von Teilnehmern“ besonderes bizarr: Zuerst lädt man die eine Seite doppelt und dreifach ein um dann behaupten zu können, für die andere Seite sei kein Platz mehr.

In Folge der Aussendung berichtet haben dann gestern auch noch Futurezone und derstandard.at, beide unter Bezug auf die „geleakte“ Einladungsliste bei netzpolitik.org.

Wichtig scheint noch zu betonen, dass die Ausdehnung der Vorratsdatenspeicherung und die geplante Einführung einer Festplattenabgabe nicht die einzigen problematischen Punkte in dem Entwurf sind. So ist zum Beispiel auch die Umsetzung der EU-Richtlinie zu verwaisten Werken alles andere als gelungen. Der Entwurf sieht für den Fall, dass sich trotz sorgfältiger, ergebnisloser Suche irgendwann wieder Rechteinhaber melden sollten, eine „angemessene Vergütung“ vor. Mit dieser Formulierung wird aber der Zweck der Richtlinie unterminiert, Rechtssicherheit für die Digitalisierung verwaister Werke zu schaffen. Statt einer Vergütung sollte, ganz im Sinne der Richtlinie, eine etwaige Vergütung auf den Ersatz vom Rechteinhaber nachzuweisender Schäden beschränkt werden. So heißt es in den Erläuterungen zur Richtlinie, dass sowohl der nichtkommerzielle Charakter und die Ziele zur Kulturförderung als auch der mögliche Schaden für Rechteinhaber Berücksichtigung finden sollte. Im vorliegenden Entwurf ist das nicht der Fall.

[Update, 07.12.2012]

Auch in einer Veranstaltung der österreichischen Wirtschaftskammer zum Thema Urheberrecht war laut einer OTS-Aussendung der Entwurf zur Urheberrechtsnovelle Thema. Dort heißt es unter anderem:

Nicht mit Kritik am quasi geleakten Arbeitspapier des Justizministeriums zur Urheberrechtsnovelle in Österreich sparte Rechtsanwalt Axel Anderl: „Dieser Entwurf ist unbrauchbar. Und auch das Ergebnis spreche Bände: Das Recht auf die Privatkopie soll eingeschränkt, die Vergütung ausgewertet werden.“ Das sei ein Wiederspruch in sich. Und: „Das was derzeit in Österreich passiert, ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wie es nicht sein soll“, so der Rechtsexperte.

Der tendenziell kritische Tenor Aussendung ist auch deshalb bemerkenswert, weil mit dem konservativen EU-Parlamentarier Paul Rübig ein Parteifreund von Justizministerin Karl und ehemaliger ACTA-Befürworter die Keynote halten durfte.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

6 Ergänzungen

  1. Ich habe die nicht gewählt die für die VDS waren, ich habe die Petition dagegen unterschrieben, ich habe demonstriert und dann sowas? Ich meine, ich mag mein Land, aber was hat die Regierung nur gegen ihre Leute?

  2. dazu brauchen wir kein gesetz. hierzulande speichert eh jeder wo und was er will. was passiert denn schon? handyüberwachung dresden….pah….penauts..

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.