Urheber first: Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zur Urheberrechtsdebatte – mit Verwerterpositionen

Die vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di will „die Urheberrechte durchsetzen“. Das hat der Bundesvorstand Ende September beschlossen. In einem Positionspapier spricht man sich für Strafverfolgung, Providerhaftung und Leistungsschutzrecht aus – und lehnt Kulturflatrate, Fair Use und Open Access ab.

Eine Suche nach dem Tag „verdi“ im Archiv von netzpolitik.org fördert Gruseliges zu Tage: Die Gewerkschaft findet das Leistungsschutzrecht in Ordnung, kopiert Netzneutralitäts-Positionen bei der Deutschen Telekom, will Stoppschilder gegen Urheberrechtsverletzungen, startet Bündnis mit Rechteindustrie und so weiter.

Jetzt bezieht die Gewerkschaft „eine klare, handlungsorientierte Position in der aktuellen und zum Teil hitzig geführten Debatte um den Stellenwert des Urheberrechts“. Mit einem Forderungskatalog, welcher den Hardlinern der Gegenseite gefallen dürfte. Aus dem Papier:

Die Verteidigung des Urheberrechts als Immaterialgut, in dem sich schöpferische Arbeit verkörpert, steht im Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses von Medien- und Kulturschaffenden und (fairen) Verwertern.

Jede Form der (bewussten) unerlaubten Nutzung muss gesellschaftlich geächtet werden.

Anbieter illegaler Angebote müssen strafrechtlich verfolgt werden und zivilrechtlich belangt werden können.

Telemedien (Content Provider) und Diensteanbieter, die urheberrechtlich geschützte Werke anbieten, müssen in die Verantwortung genommen werden.

Ein Leistungsschutzrecht für Verlage ist nur akzeptabel, wenn die Verlage die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Vergütungsregeln im Journalismus umsetzen und eine angemessene Beteiligung an den Erlösen aus einem Leistungsschutzrecht für die eigentlichen Erbringer der Leistung in Höhe von mindestens 50 Prozent gewährleistet ist.

Die Selbstbestimmung über die Nutzung von Werken ist ein unverzichtbares Element des Urheberrechts. Deshalb ist eine nutzungsorientierte Vergütung allen pauschalen Vergütungsmodellen wie Kulturwertmark oder Kulturflatrate vorzuziehen, die dieses Recht missachten und weitgehend enteignend wirken.

Die Schranken der aus dem amerikanischen Copyright-System stammenden Rechtsdoktrin zum „fair use“, die kostenfreie Nutzungen von geschütztem Material zugesteht, sind zu unbestimmt.

Wissenschaftliche Publizist/innen dürfen nicht gezwungen werden, ihre Werke kostenfrei unter Open-Access-Bedingungen zu veröffentlichen.

Die bestehenden Schutzfristen sind sinnvoll und müssen beibehalten werden.

Immerhin fordert man keine Netz-Sperren mehr, wie noch vor zwei Jahren. Gründe zum Aufregen und Beschweren gibt es aber dennoch genug.

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11 Ergänzungen

  1. Erst forder ver.di: „Wer urheberrechtlich geschützte analoge oder digitale Werke unerlaubt oder gar bewusst illegal nutzt, muss dafür die Verantwortung tragen. Dies gilt in erster Linie für Anbieter illegaler Streaming-/Download-Plattformen, sogenannten Tauschbörsen oder vergleichbarer Techniken.“
    Dann: „Anbieter illegaler Angebote müssen strafrechtlich verfolgt werden und zivilrechtlich belangt werden können.“
    Schließlich: “ Verbraucherinnen und Verbraucher, die einen Urhe- berrechtsverstoß begehen, sollen stattdessen kostenpflichtig – gedeckelt in Höhe des Verwaltungsaufwandes – ermahnt werden.“

    Den Kollegen meiner Gewerkschaft ist offensichtlich nicht klar, was „Tauschbörsen oder vergleichbare Techniken“ sind. Jeder peer-to-peer-Nutzer ist gleichzeitig Anbieter. Die ver.di-Bundesvorstandsmitglieder wollen also nicht Kim Schmitz an den Kragen, sondern ihre eigenen Kinder vor den Kadi zerren.

    Und weil – laut ver.di – paid content einer Kulturflatrate vorzuziehen ist, wird dem Großteil der dju-Mitglieder, also den ver.di-Journalisten, die Recherche erheblich verteuert – und das bei einem Durschnittseinkommen von 17.563 Euro für Freiberufler (http://tinyurl.com/ksk-einkommen).

    Soweit wird es allerdings nicht kommen. Eine Gewerkschaftsposition, die sich darauf beschränkt, vom Unternehmerlager abzuschreiben, ergänzt um ominös formulierte Mindestvergütungen, ist schlicht nicht geeignet, die Mitglieder zu mobilisieren. Reaktionäre Vorhaben können den Fortschritt glücklicherweise nur für begrenzte Zeit aufhalten.

    1. Den Kollegen meiner Gewerkschaft ist offensichtlich nicht klar, was “Tauschbörsen oder vergleichbare Techniken” sind. Jeder peer-to-peer-Nutzer ist gleichzeitig Anbieter. Die ver.di-Bundesvorstandsmitglieder wollen also nicht Kim Schmitz an den Kragen, sondern ihre eigenen Kinder vor den Kadi zerren.

      Vielleicht haben die Kollegen ihre Kinder auch einfach nur erzogen und ihnen erklärt dass es empfindliche Strafen nach sich ziehen kann wenn man sich umsonst an der Arbeit anderer bedient. Und das man das deswegen nicht machen sollte, alleine schon aus Respekt vor den Urhebern. Es ist ja nun nicht so das man diese Tauschbörsen nutzen muss.

      Und weil – laut ver.di – paid content einer Kulturflatrate vorzuziehen ist, wird dem Großteil der dju-Mitglieder, also den ver.di-Journalisten, die Recherche erheblich verteuert – und das bei einem Durschnittseinkommen von 17.563 Euro für Freiberufler

      Von dem paid content profitieren auch die Journalisten.

      Wenn die „Urheberrechtsreformer“ mal ein Alternativkonzept vorstellen würden das auch Aussicht hat zu funktionieren, dann würden sich vielleicht auch ver.di und die Urheber dahinter stellen. So etwas ist aber nict in Sicht. Das sehen sogar „Urheberrechtsreformer“ wie Schramm oder Weisband ein, und deswegen arbeiten sie lieber mit den Verwertern zusammen als einen alternativen Weg zu gehen.

      1. Vielleicht haben die Kollegen ihre Kinder auch einfach nur erzogen und ihnen erklärt dass es empfindliche Strafen nach sich ziehen kann wenn man sich umsonst an der Arbeit anderer bedient. Und das man das deswegen nicht machen sollte, alleine schon aus Respekt vor den Urhebern. Es ist ja nun nicht so das man diese Tauschbörsen nutzen muss.

        Die Erziehung hat so gut gewirkt, dass die nun primär über Handy/Flashdrives tauschen und sich „Respekt“ für die Urheber aufbewahren, die keinen Überwachungsstaat wollen. Gut gemacht, Kollegen!

      2. Wenn die “Urheberrechtsreformer” mal ein Alternativkonzept vorstellen würden das auch Aussicht hat zu funktionieren, dann würden sich vielleicht auch ver.di und die Urheber dahinter stellen.

        Das ist aber nicht die Aufgabe der Urheberrechtsreformer, wie du sie so schön nennst, alternative Geschäftskonzepte für die Nutznießer des aktuellen Rechts zu entwerfen. Glaub mir, auch mit einem anderen Urheberrecht werden sich Leute finden, die darin Geld verdienen. Das mögen andere Leute sein, es mag eine andere Anzahl sein, aber es wird sie immer geben. So funktioniert unsere Wirtschaft.

      3. Es muss eine Regelung gefunden werden, die auf Akzeptanz und nicht auf Repression beruht. Als Urheber ist es mir reichlich egal, woher ich mein Geld bekomme, in erster Linie ist aber mein Auftraggeber gefragt und nicht derjenige, der das Werk erst danach kopiert.

        Einige Vorschläge: http://www.youtube.com/watch?v=evWS_FCLVAs

        Und wenn mit Tauschbörsen Geld verdient wird (Werbung, Volumentarife): warum machen es die Labels und Studios nicht selbst?

      4. Es klingt nicht so, als hätten Sie sich schonmal ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt; noch wissen Sie um die Frau Schramm Bescheid, was diese noch alles fordert und warum sie von Niemandem ernst genommen wird. Oder dass Frau Weisband nicht dahinter steht, was ihr Verlag in ihrem Namentut.

        Und warum haben Sie eine solche Angst von Reformen? Es funktioniert im Übrigen vieles: Z.B. dass Wissenschaftler als Urheber ihre Arbeiten kostenfrei/entgeltlich veröffentlichen müssen, Fachverlage daran verdienen und im Anschluss nochmal die Leser abzocken. Das klingt natürlich nach Ehrfurcht vor den Urhebern. Oder dass Bands fast ausschließlich von Konzerten leben, während hauptsächlich die Verwerter – mit der Arbeit der Bands – an Veröffentlichungen verdienen. Funktioniert auch alles! Oder doch nicht? Und entspricht das Ihren Definitionen von Respekt und Bezahlung von Urhebern?

        Als Fazit bleibt, dass man für diese Verwerterlobby keine Argumente finden kann – und nebenbei Niemand plant, das Urheberrecht abzuschaffen, Schaden verursacht oder alles nur geschenkt will.

  2. Man fragt sich, welche Betonköpfe da in den Gremien diesen Stuss von sich gegeben haben. Die sollten vllt. mal ihre Mitglieder befragen, was die davon halten. Dann könnten sie ihr Papier gleich wieder fachgerecht entsorgen. Und ihren Vorstand am besten gleich mit.

  3. Also im Klartext eine Gewerkschaft die 1zu1 die Interessen der Kapitalisten vertritt. Eine solche Gewerkschaft ist für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung wohl in aller höchstem Maße schädlich.

  4. Ich glaube, da lässt sich kurz und knackig sagen: in den Gremien von ver.di sitzen die gleichen beratungsresistenten Vollzeitpolitiker wie bei der SPD.

    Anders als die SPD nach Schröder haben die halt ganz speziell die Arbeitnehmerrechte als Alleinstellungsmerkmal; da muss man sich eben an anderer Stelle um so mehr nach oben ranschmusen.

  5. Muß man sich da wirklich noch wundern, das die Deutschen Gewerkschaften sozusagen „Mitgliederlos“ (in Bezug auf alle AN) sind?…

    … und…

    …Leben die Gewerkschaftsfunktionäre eigentlich tatsächlich von den Geldern des Arbeitgeberverbandes?

  6. Sozen und Gewerkschafter sind ja auch dafür, dass Betriebsräte und Gewerkschafter per Vorratsdatenspeicherung überwacht werden, da wundert einen nichts mehr.

    Aber gut, der Prolet war schon immer Obrigkeitshörig, und sicher wandern auch hier Briefumschläge umher, die Abmahnindustrie liegt zZ bei wohl einer Milliarde Umsatz pa, wobei hier Umsatz fast gleich Gewinn ist.

    Wie man etwas, was jemand unbewusst unerlaubt tut ächten kann erschließt sich einem nicht so auf Anhieb, dazu muss man wohl Elitegewerkschafter sein.

    „Anbieter illegaler Angebote müssen strafrechtlich verfolgt werden und zivilrechtlich belangt werden können.“ Ist schon längst so, denn das entspricht der Definition von „illegal“.

    „Telemedien (Content Provider) und Diensteanbieter, die urheberrechtlich geschützte Werke anbieten, müssen in die Verantwortung genommen werden.“ Interessant, wenn also die Deutsche Post einen Briefumschlag mit einer CD mit urheberrechtlich geschützten Liedern transportiert, dann möchte verdi die Deutsche Post dafür in Verantwortung nehmen. Gut so!

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